Vortrag und Diskussion: Millionen Deutsche wollten einen Führer
In einer gut besuchten Veranstaltung der VVN-BdA Bochum referierte Wolfgang Dominik zum Thema. Im Anschluss an seinen Vortrag folgte eine angeregte Diskussion über Gefahren und Verhinderung des Faschismus heute.
Hier das Referat von Wolfgang Dominik:
Millionen Deutsche wollen einen Führer
Wie Faschismus in Deutschland entstand und wieder entstehen kann
Wolfgang Dominik
Alles kursiv Gedruckte halte ich für wichtig, habe ich aber nicht vorgetragen, um zeitlich im Rahmen zu bleiben.
Wer erzählt uns die Geschichte?
Überlege jede(r) für sich selbst, was und von wem und wie und wann und wo er/sie über Geschichte etwas gelernt hat und wann daran vielleicht Zweifel auftauchten. Dran denken: Lernen beginnt nicht erst in der Schule.
Es macht einen großen Unterschied, ob ich die Geschichte des deutschen Faschismus aus der Perspektive von Krupp, Flick, Quandt, Porsche, der Familie Hohenzollern oder aus der Perspektive von deren lohnabhängigen Arbeitern Meier, Schmidt, Müller oder gar aus der Perspektive der Zwangsarbeiter*innen Iwanow oder Ludmilla betrachte. Jede(r) Historikerin ist Kind seiner Klasse und verfolgt – bewusst oder unbewusst, Klasseninteressen – hat sinngemäß Ernst Bloch mal gesagt. Oder wie ein anderer Sozialwissenschaftler mal gesagt hat: Die Gedanken der Herrschenden sind die herrschenden Gedanken. Das heißt, uns werden von klein auf ideologischen Massenschutzimpfungen verabreicht oder der Tunnelblick durch die Brille der Herrschenden oder einfach: Wir unterliegen von klein auf „Betreutem Denken“.
Wir lernen zu wollen, und zu denken, was wir sollen und zu denken haben. Und nennen das dann freies Denken.
Aber warum – fragt Irmtrud Wojak am letzten Freitag bei der Eröffnung eines antifaschistischen De3nkmals in Bochum – wird Fritz Bauer nicht in den Schulbüchern erwähnt? Wann habt ihr zum 1. Mal seinen Namen gehört? Warum wird Widerstand gegen den Faschismus zu oft auf vor der sich nicht mehr zu leugnenden faschistischen Niederlage im Krieg begeisterte Mittäter (Stauffenberg u.a.) reduziert?
Geschichte wird aus der Perspektive der Sieger geschrieben und jeweils den neuen politischen Bedürfnissen angepasst und auch uminterpretiert. Was und wer nicht in die Geschichte der Sieger passt, kommt nicht vor. Gerade wird z.B. mal wieder die Geschichte Russlands und Deutschlands neu geschrieben.
Was die später erwähnten Hohenzollern, die seit Jahrhunderten Könige und dann die Kaiser stellten, und die Geschichtsdeutung angeht: Die Hohenzollern haben im Zusammenhang mit den Entschädigungsforderungen, die sie seit Jahren stellen, in mindestens 120 Fällen Unterlassungsklagen gegen Medien und Wissenschaftler*innen angedroht. D.h. es wurde versucht, bestimmte historische Forschungsergebnisse zu verbieten. Auch Stefan Malinowski bekam drei Abmahnungen. Das schüchtert zumindest ein, oder bestimmte Dinge werden – weil sie unter Strafe gestellt werden sollen – besser nicht mehr gesagt. Das Ganze kostet viel Geld – die Hohenzollern haben das, aber ein Professor, oder du oder ich oder manche kleine Zeitung hat das Geld nicht. Es kostet den betroffenen Personen auch Zeit und Nerven. Der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands richtete ein Wiki ein, in dem die äußerungsrechtlichen Streitigkeiten desPrinzen von Preußens dokumentiert werden. https://wiki.hhu.de/display/HV/Hohenzollern-Klage-Wiki
Geschichtsschreibung kann auch gekauft werden. Die Hohenzollern beauftragten renommierte Historiker wie Christopher Clark und Wolfram Pyta, Gutachten zu schreiben. Die sind wohl ganz schön teuer. Könnte es sein, dass Auftragsgutachten „Gefälligkeitsgutachten“ sind? Wissenschaft ist käuflich.
Selbst Adenauer war noch Anfang 1946 der Ansicht: “Nach meiner Meinung trägt das deutsche Volk [….] eine große Schuld an den Vorgängen in den Konzentrationslagern, da es sich „fast widerstandslos, ja zum Teil mit Begeisterung“ habe „gleichschalten lassen“ und auch von den Massenmorden habe es gewusst. (vgl. Rigoll, S. 35).
- auch ZDF-Fernseh-Doku: Auf der Suche nach Hitlers Volk.
Nach dem 8. Mai 1945 breitete sich eine allgemeine Amnesie aus.
Zum eigentlichen Thema:
Dass Kapitalismus und Faschismus zusammenhängen, wusste sogar noch
das Ahlener Programm der CDU 1947. Da wird noch ausdrücklich gesagt:
„Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund aus erfolgen.
Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein. Durch eine gemeinwirtschaftliche Ordnung soll das deutsche Volk eine Wirtschafts- und Sozialverfassung erhalten, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres Volkes dient und den inneren und äußeren Frieden sichert.“
Im Schwur der Häftlinge von Buchenwald heißt es: „Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht!
Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“
Was sind die Wurzeln des Faschismus? Im Freundeskreis „Reichsführer SS“ waren u.a. die damals reichsten Menschen aus Deutschland: U.a. Krupp, Flick, Finck, Quandt, Richard Kaselowsky vom Oetker-Konzern. Sie förderten und profitierten massiv von Faschismus und Krieg. Sie waren kurz nach der Befreiung vom Faschismus wieder die reichsten Kapitalisten der jungen Bundesrepublik. Finck soll inzwischen die AFD fördern, berichtet Ulli Sander. Sie endeten nicht vor dem Gericht der Völker. Die Wurzeln des Faschismus wurden nicht angetastet.
Es gibt keine antifaschistischen ohne einen antikapitalistischen Diskurs. „Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, soll auch vom Faschismus schweigen!“
(Max Horkheimer, 1939)
Erinnert sei daran, dass übermorgen vor 80 Jahren, also 10 Jahre nach einer Zeitenwende, der politischen Machtübergabe an die Faschisten, die faschistische 6. Armee nach einem mörderischen Ausrottungs- und Eroberungskrieg in Stalingrad kapitulierte. (Frau Baerbock erklärte fast genau 80 Jahre später, dass Deutschland im Krieg mit Russland sei. ) Es wurde noch 3 Jahre weiter gemordet. Wie schon im 1. Weltkrieg machten die Herrschenden in Deutschland weiter, bis alles verwüstet war, in Trümmern lag und die Zahl der im Krieg ermordeten, zerfetzten, erfrorenen, verhungernden Menschen noch um ein Vielfaches größer war als bisher. Und die Profite der Rüstungskonzerne waren höher als je zuvor. Wie wird es demnächst sein? Wir sind im Krieg. Wieder gegen Russland. Der Satz „Si vis pacem, para bellum!“, „Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor!“, hat sich in der bisherigen Menschheitsgeschichte noch nie bewahrheitet! Aber erzählt (heute sagt man Narrativ) wird der falsche Satz immer noch und von Massen auch immer wieder geglaubt, heute unterstrichen mit 100 Milliarden für die Kriegsvorbereitung und -führung und unermessliches Morden extra, Kriegskredite genannt Sondervermögen. Jede Form der Rüstung hat zu immer schlimmeren Kriegen geführt. Sollte das diesmal wirklich anders sein? Wer den hegemonialen Diskurs stört, muss mit allen möglichen Einschränkungen, Verboten, Überwachungen rechnen,
Im Ahlener Programm spiegelt sich die Erinnerung wider, in wessen Sinne der Krieg geführt wurde und ungeheure, in der Menschheitsgeschichte einmalige deutsche Verbrechen begangen wurden: Das kapitalistische Gewinn- und Machtstreben ist das Motiv, sagt die CDU Heute sagt Papst Franziskus: Diese Wirtschaft tötet, weil sie Menschen wie Müll behandelt. Will man/frau aus der Geschichte etwas lernen, so muss der Vergangenheitsanalyse eine Gegenwartsorientierung und Zukunftsperspektive folgen. Dann erkennen wir auch die vielen Kontinuitäten in der Geschichte des Kapitals, seiner politischen Sachwalter und seiner Ideologiefabriken. 1918, 1945, 1990 gab es keine Stunde Null. Das Bündnis der Eliten hielt.
1923 jährt sich auch zum 100. Mal das Jahr des sog. Hitler-Putsches und der Ruhrbesetzung. Beides würde Extrareferate eroferdern.
In der italienischen Sprache bedeutet „Fascio“ „Bund“. Und leitet sich ab von „fasces“, dem „Rutenbündel mit Beil“ als Symbol der exekutiven Gewalt, später auch der legislativen und judikativen Gewalt. Die italienischen Faschisten waren in „fasces“ organisiert, und nach 1922 wurde Faschismus zum Oberbegriff einer diktatorischen Form bürgerlich-kapitalistischer Herrschaft. Deswegen auch die unten erwähnte Gesellschaft für das Studium des Faschismus. Wie kann ein Faschismus in Deutschland aussehen?
Bürgerliche Wissenschaft gebraucht aus guten Gründen den faschistischen demagogischen Propaganda-Begriff Nationalsozialismus für den deutschen Faschismus. Mit der Ausblendung des Faschismus-Begriffs oder gar der Unterstellung, er sei ein kommunistischer Begriff, wird automatisch auch der Begriff Antifaschismus diskriminiert. Wichtiger aber: Die strukturellen Zusammenhänge zwischen Kapitalismus und Faschismus werden ausgeblendet und damit eventuelle Kontinuitäten. Im Folgenden einige Thesen. Zu jeder dieser Thesen könnte ich eine ganze Seminarsitzung bestreiten – was ich als Lehrbeauftragter an der Uni Dortmund oder als Lehrer im 2. Bildungsweg auch oft getan habe.
Zur Vorgeschichte des Faschismus und warum er nicht verhindert wurde ein paar mir wichtige erscheinende wichtige Thesen:
- Das Deutsche Reich ist im Vergleich zu anderen europäischen Staaten hinsichtlich seiner kapitalistischen und imperialistischen Entwicklung bis zu seiner Gründung 1871 aus ca. 300 Klein- und Kleinststaaten eine „verspätete Nation“. Ich weiß, dass der Begriff umstritten ist, kann aber gerne erklären, warum ich daran festhalte. Der „Griff nach der Weltmacht“ und ein „Platz an der Sonne“ sollen im 1. Weltkrieg nachgeholt werden. Das neue Deutsche Reich versuchte den traditionellen kapitalistisch-imperialistischen Großmächten die Führungsrolle in Sachen land- und Menschenraub, genannt Kolonialisierung, also Rohstoffen, billigsten Arbeitskräften, strategischen Positionen und Einflusssphären, streitig zu machen. Gegen diesen Krieg wurde von den Arbeiterparteien in allen Ländern vor seinem Beginn protestiert. Als es den gesellschaftlichen Führungseliten unter Führung des Hohenzollern-Kaisers Wilhelm II. gelang, den Angriffskrieg als Verteidigungskrieg darzustellen, wird er von der überwiegenden Mehrheit in Deutschland begrüßt. Wir sind die Guten, die anderen sind die Bösen. Je positiver das Autostereotyp bei Kriegsvorbereitungen und in Kriegen dargestellt wird, desto negativer und sogar hoffentlich dämonischer erscheint im Heterostereotyp „der andere“, der Feind. Und gegen dämonische Feinde sind auch dämonische Waffen erlaubt und sogar notwendig! Die SPD inszenierte eine Zeitenwende und genehmigte die zur Kriegsführung notwendige Kriegskredite gegen die Bösen, heute heißt das Sondervermögen Bundeswehr und kostet uns 100 Milliarden Steuern für Mordinstrumente – ohne uns zu fragen…Aber die Führungsrolle soll das wie 1914 zumindest in Europa bringen. Damals wollte die SPD sich vom Stigma „Vaterlandslose Gesellen“ befreien und endlich politisch richtig mitmischen. Nach der Zeitenwende und 5 Jahre und 25 Millionen Toten später kapitulierte das Deutsche Reich.
- Die Niederlage im 1. Weltkrieg mündet 1918/19 in einer „halben“ Revolution oder bald unter Führung der SPD militärisch niedergemetzelten Revolutionsversuch. Am 9. November 1918 werden 2 Republiken ausgerufen. Philipp Scheidemann (SPD) ruft gegen den Widerstand anderer SPD-Oberen, u.a. dem Kanzler und späteren Reichspräsidenten Ebert, die parlamentarische Republik aus und Karl Liebknecht (USPD) die Freie Sozialistische Republik. Damit sind die Konflikte determiniert, die praktisch bis heute anhalten.
- Friedrich Ebert (SPD), der sozusagen von Kaisers Gnaden noch Reichskanzler wird, telefoniert am Abend des 9. November auf einer geheimen Leitung mit dem formalen Oberbefehlshaber der kaiserlichen Armee, General Groener. Es kommt zum Ebert-Groener-Pakt. Beide versichern sich, die Revolution wie die Pest zu hassen und alles zu unternehmen, um sie im Keim zu ersticken (Reichswehrminister Noske, SPD: Einer muss der Bluthund sein. Freikorps mit einer äußerst reaktionären bis zu 800.000 zu allen Morden bereiten Soldateska halfen gerne und mordeten, auch und vor allem bei den Kämpfen 1918/19 und bei Niederschlagung des Widerstandes z.B. der Roten Ruhr Armee im Zuge des Kapp-Putsches 1922. Allein in Bochum gab es ca. 100 ermordete Arbeiter, die in der Roten Ruhr-Armee kämpften, aber auch Sympathisant:innen wurden ermordet. Kapp steht stellvertretend für Kapitalfraktionen und Großgrundbesitzer, die Deutschland schon reif für diesen Putsch und eine Diktatur hielten.)
Die im Dezember 1918 gegründete Antibolschewistische Lige bekam von deutschen Großkapitalisten und –agrariern innerhalb kürzester Zeit 500 Millionen Reichsmark zur Bekämpfung von allem, was sie für links hielt – zum Kampf gehörten Auftragsmorde und Freikorpseinsätze. Deutschland wurde überflutet mit Flugblättern und Zeitungsanzeigen, in denen vor dem Sozialismus gewarnt wird, weil er alle Frauen zum Staatseigentum machen will und jederzeit jedem Mann zur Verfügung stehen muss. Der russische Bär greift mit seinen Pranken nach Westeuropa. Übrigens wurde in den ersten Wahlkämpfen der BRD von der CDU und FDP mit fast identischen Wahlplakaten geworben.
Zurück zur 1. Woche ohne Kaiser. Nach dem Ebert-Groener-Pakt kommt es am 15.11. 1918 zum Stinnes-Legien-Abkommen. Der Repräsentant des deutschen Großkapitals, Stinnes, und der Vertreter der Gewerkschaften, Legien, beschließen, dass die kapitalistische Produktionsweise auf keinen Fall eingeschränkt werden darf und dafür etliche Zugeständnisse an die Arbeiter*innen und Gewerkschaften gemacht werden müssen.. Implizit bedeutet das, dass die gescheiterten Pläne der Expansion nach Lebensraum im Osten, nach neuen Kolonien, nach dem Weltmachtstreben des deutschen Kapitals, also nach einer Zeitenwende hin zu einer Neuen Weltordnung, in der Deutschland eine führende Rolle haben wird, nicht ad acta gelegt wurden. Nein, diese Pläne kamen nur in die Schublade, um sie bei passender Gelegenheit, die ja auch bald kam, wieder herauszuholen.
- Am 9. November 1918 endete die 1007 jährige Geschichte von Kaisern, Königen, Herzögen, Grafen und Fürsten, die mehr als 1000 Jahre lang das Volk bzw. die Völker in Deutschland beherrscht, ausgebeutet und ausgeplündert haben: (1007, wenn man davon ausgeht, dass mit Konrad von Franken 911 ein deutscher König, ein „deutschen“ Staat, benannt wird. Dass heute ein Heinrich XIII aus dem Haus Reuß König werden will, ist vielleicht nur ein possenhaftes Nachspiel? Immerhin wurde schon einmal 1922 eine Prinzessin Hermine von Reuß aus den Haus Reuß 2. Ehefrau des Ex-Kaisers und unterschrieb immer mit Kaiserin. Der Ex-Kaiser unterschrieb weiterhin mit Imperator Rex, wurde in Doorn, seinem Exil, mit „Durchlaucht“ und „Kaiserliche Hoheit“ oder „allerdurchlauchtigster Kaiser und König“ von zahlreichen Besuchern angeredet.
- Der Kaiser floh,
die alten Machtapparate der Monarchie blieben unangetastet. Das Reich zerfiel, die Reichen blieben (Bernt Engelmann). Die gesellschaftlichen Führungseliten in der Wirtschaft, im Militär, in der Verwaltung, in der Justiz, in den Universitäten und Schulen, Polizei, Medien und Kirchen bleiben unangetastet und im Wesentlichen den alten Zielen und Ideologien verhaftet und warteten auf die Chance, die Errungenschaften der Arbeiterbewegung und die Anfänge einer demokratischen Entwicklung rückgängig zu machen. Welche Form ein neuer Staat haben sollte, war innerhalb der herrschenden Klasse lange Zeit umstritten: Parlamentarische Republik? Militärdiktatur? Präsidialkabinette? Hitler erwog noch im Sommer 1932 eine „geläuterte Monarchie“ mit ihm als Kanzler und vielleicht Wilhelm, dem Kronprinzen, als Monarchen? Oder eine faschistische Variante bürgerlicher Herrschaft? Ab 1928 setzten mit wachsender Zustimmung immer mehr Kapitalfraktionen auf die faschistische Version bürgerlicher Herrschaft?
6.. Die Hauptideologieelemente der Eliten im Kaiserreich, die auch in der Weimarer Republik als Jahrhunderte alte, gewachsene Mentalitäten weiterlebten, waren Militarismus und Antipazifismus, Antisemitismus („Die Presse, die Juden und Mücken sind eine Pest, von der sich die Menschheit so oder so befreien muß – I believe the best would be gas.“Wilhelm in einem Brief an seinen amerikanischen Freund Pouitney Bigelow am 15. August 1927) ..Antikommunismus und Antisozialismus, Antibolschewismus, Antimarxismus, Russophobie, Sozialdarwinismus, Obrigkeitsdenken, Wunsch nach Ruhe und Ordnung, Rassismus, Kampf gegen alles Undeutsche und Fremde, völkisches Denken, Chauvinismus, der Glaube an die Besonderheit der deutschen Volksgemeinschaft (am deutschen Wesen soll die Welt genesen), damit verbunden Kolonialismus und Imperialismus, ein Herrenrassendenken, das Menschen in Höher- und Minderwertige, in lebenswerte und lebensunwert einteilt. Homophobie, Männlichkeitskult (der Mann als soldatischer Held) und Anti-Feminismus (Frau als Mutter mit möglichst vielen Kinder (dafür gab es Mutterkreuze im Faschismus) und Heimchen am Herd (Lehrerinnen-Zölibat), Euthanasie und Rassenhygiene forderten führende Mediziner schon lange.
Erst 1974 wurde das „Erbgesundheitsgesetz“ außer Kraft gesetzt, was nicht bedeutet, dass auch in den Köpfen der Ärzt*innen und Bürger*innen die Ideologien außer Kraft gesetzt wurden, die einst bis 1974 zu dem Gesetz geführt hatten.
- Sofort nach 1918/19 bildeten sich konservativ-reaktionäre paramilitärische Verbände: Stahlhelm (Mitglieder wurden u.a. 3 Kaisersöhne!). SA (auch Hohenzollern einschließlich des Kronprinzen beteiligt), SS, Schwarze Reichswehr, Kyffhäuserbund („Für Gott, König und Vaterland – Gegen die Sozialisten“ war der Wahlspruch der in diesem Bund zusammengeschlossenen Kriegervereine mit über 2 ½ Millionen Ex-Soldaten). In Bochum-Werne am Kyffhäuser-Denkmal zelebriert der Kyffhäuserbund Bochum am ehem. Heldengedenktag, heute Volkstrauertag, seine Gedenkfeier, heute auch mit Frauen und wohl auch Sozialdemokraten als Mitglieder). Dazu kamen die Gruppe oder Freikorps Oberland, Wehrverband Reichsflagge, Arbeitsgemeinschaft der Vaterländischen Kampfverbände, alle möglichen anderen paramilitärischen Schützen- und Sportvereine, Vorläufer von Wehrsportgruppen, Verbände ehemaliger Soldaten, die gerne wieder Soldaten wären, Artillerie-Vereine (der von Werne/Langendreer gab erst zu Silvester 2022 sein traditionelles Silvesterböllern auf). alle möglichen Geheimorganisationen, die auch die Morde an den Ministern Rathenau und Erzberger durchführten. Verfolgt wurden Morde und Gewalttaten von Rechtsaußen einschließlich des Hitler-Putsches 1923, also vor 100 Jahren, durch eine auf dem rechten Auge blinde konservativ-reaktionäre Justiz, kaum. Links war die Justiz umso hellsichtiger. Schlicht: Klassenjustiz im Sinne der Herrschenden. Diese genannten Organisationen waren Zentren des Kampfes gegen die Republik.
- Revanche nach außen gegen die Siegermächte und nach innen gegen die Volksverräter bzw. Novemberverbrecher einte die konservativ-monarchistischen-reaktionären, faschistoiden Kräfte. Vor allem musste der von den Rechten so bezeichnete Schandvertrag von Versailles weg, der das deutsche Heer auf 100.000 Mann ohne schwere Waffen, Luftwaffe und Marine begrenzte und Deutschland 1/10 seines Staatsgebietes und die Kolonien wegnahm und hohe Reparationen für die von den Deutschen verwüsteten Länder verlangte. Am Eingang der Bochumer Christuskirche findet ihr noch alle Feindstaaten aufgeführt. Jede(r) musste sozusagen durch die Feindstaaten durch, wenn er/sie die Kirche betrat. Da wusste jede(r), wer für die 1347 toten Soldaten allein der Bochumer evangelischen Innenstadtgemeinde, deren Namen in der Eingangshalle rechts und links in güldenen Lettern an den Wänden stehen und zu einem blonden blauäugigen Christus aufblicken oder „auffuhren“, verantwortlich war und an wem Rache für diese Toten vollzogen werden musste. Pastor Thomas Wessel nannte das bei Besichtigungen immer christlichen Dschihadismus. Im Geiste waren „wir“ ja unbesiegt, wie der Löwe an der Königsallee verkündete und ca. 50 weitere Kriegerdenkmäler in Bochum, die übrigens demnächst restauriert werden sollen.
Exemplarisch für die Verhältnisse der WR sei Hauptmann Waldemar Pabst, der Verantwortliche für die Morde an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, genannt Die SPD-Zeitung Vorwärts brachte am 14. Januar 1919 ein Gedicht: »Vielhundert Tote in einer Reih Proletarier!
Karl, Rosa, Radek und Kumpanei es ist keiner dabei …« Am 15.1. wurden die beiden ermordet. Hauptmann Waldemar Pabst wurde nie angeklagt, sondern befördert, und machte eine Karriere als Direktor von Rheinmetall, in der BRD dann als Waffenhändler und als Sympathisant der NPD. Zu seinen Morden an Luxemburg und. und Liebknecht sagte er 1962; „Daß ich die Aktion ohne Zustimmung Noskes gar nicht durchführen konnte – mit Ebert im Hintergrund – und auch meine Offiziere schützen mußte, ist klar. Aber nur ganz wenige Menschen haben begriffen, warum ich nie vernommen oder unter Anklage gestellt worden bin. Ich habe als Kavalier das Verhalten der damaligen SPD damit quittiert, daß ich 50 Jahre lang das Maul gehalten habe über unsere Zusammenarbeit.“
Pabst starb 90jährig als reicher Mann 1970 in Düsseldorf.
Übrigens war Pabst auch 1931 der Gründer der Gesellschaft zum Studium des Faschismus, dem ein ausgewählter Kreis von 329 Repräsentanten aus Industrie, Finanzwelt, Großgrundbesitz, rechts-nationalistisch-völkische Journalisten. hohe Militärs angehörten. Mitglied war auch der Ex-Kronprinz Wilhelm und Hermann Göring, der auch Kontakte zum Ex-Kaiser unterhielt Man orientierte sich am italienischen Faschismus und überlegte, wie ein deutscher Faschismus aussehen könnte. Der Kronprinz hatte auf seinem Schreibtisch ein Foto von Mussolini stehen. Sein Bruder August Wilhelm war in Rom dabei, wenn Vertreter der NSDAP ihre Bewunderung für den italienischen Faschismus zum Ausdruck brachten. In Italien gab es Mussolini als politischen Führer und auch noch einen König,
- Andere antirepublikanische Zentren waren
.vor allem die protestantische Kirche, die mit dem Kaiser ihren summus episcopus. ihren Obersten Bischof, verloren hatte. Die prot. Kirche führte einen echten Kirchenkampf: Gegen die Republik Im Faschismus führte selbst die Bekennende Kirche einen Kampf um Besitzstandswahrung der Kirche. Keinen Kampf gegen den faschistischen Staat. „Wir sind Kirche im Staat, nicht gegen den Staat“. In der Weimarer Republik herrschte auch in der protestantischen Kirche die Sehnsucht nach einem neuen Führer.
In der protestantischen Kirche wirkten die Preußen- und Kaisermythen weiter und verband sich mit religiösen christlichen chiliastischen Vorstellungen vom 1000 jährigen Reich. (Xilia=1000=ewig), die wieder z.T. mit der Kyffhäuser-Saga zu verbinden war. .Brakelmann: In der evangelischen Pfarrerschaft hieß es: Wir sind neutral, wir wählen deutschnational. Von den Deutschnationalen war es nicht weit zu den Faschisten. .
Die katholische Kirche war zunächst fixiert auf „ihre“ Partei: Die Zentrums-Partei. Demokratie war der katholischen Kirche von jeher fremd. Vielen Katholiken wie auch Protestanten waren die radikalen Ideologieelemente Antisemitismus (Juden, die Gottesmörder, die nicht an Jesus als den Christus bösartigerweise glauben wollten, dazu Antimarxismus und Antisozialismus (Gott leugnende Weltanschauungen) sehr willkommen. Und Hitler beendete seine Reden oft mit Amen und präsentierte sich als eine Art Christus, den die Vorsehung zur Rettung des deutschen Volkes gesandt hat. Im Sommer 1933 schloss die Katholische Kirche mit dem faschistischen Deutschland einen internationalen Vertrag: Das Konkordat. Das war sozusagen die internationale Anerkennung des Faschismus durch den Stellvertreter Gottes auf Erden. Sooo schlimm kann der Faschismus also nicht sein. Frau/Man bedenke, was bis dahin alles schon an Terror und Morden passiert war!
Für die ev. Kirchen hatte Luther in seiner Schrift „Wider die Juden“ faktisch eine Gebrauchsanweisung zu ihrer Vernichtung geschrieben. Die Faschisten konnten sich auf Luther berufen.
- Wichtig waren auch studentische Verbindungen, Burschenschaften und dann ab 1928 der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund. Der NSDStB übernahm im Laufe der Zeit bis 1933 die Asten fast aller deutscher Universitäten. Ähnlich konservativ bis reaktionär waren deutsche Professoren, Dozenten und vor allem Gymnasiallehrer. Wieder nicht zu vergessen die Mediziner und Juristen! Gendern brauche ich nicht, da es fast keine Frauen da gab. Ich erwähne diese Gruppen besonders, weil meine Lehrer, Lehrerinnen gab es an der Goethe-Schule zu meinen Anfangszeiten nur eine, damals ausgebildet wurden oder ihre Karrieren begannen. 1968 haben wir in den Universitäten nach den Dissertationen und Habilitationen und Veröffentlichungen unserer Professoren bis 1945 gesucht und unsere Eltern gefragt: Was habt ihr damals gemacht? Viele Schriften gab es nur in der Überarbeitung nach 1945, anderes war ganz verschwunden. „Unter den Talaren, der Muff von 1000 Jahren“ wurde Professoren entgegengerufen .
- Solange die ökonomischen Verhältnisse in der WR einigermaßen stabil waren und die Mehrheiten im Parlament für eine kapitalfreundliche Politik sorgten einschließlich der Möglichkeiten geheimer Aufrüstung und militärischer Forschung wie z.B. beim Bochumer Verein, griffen die ökonomisch Herrschenden den bürgerlichen Parlamentarismus nicht frontal an. Staatsmonopolistischer Kapitalismus heißt, dass Staat und Monopole sich auch ideologisch und z.T. personell gegenseitig durchdringen und die Monopole den Staat zu ihren Gunsten nutzen und umgekehrt. Der Staat ist der ideelle Gesamtkapitalist. „Die moderne Staatsgewalt ist nur ein Ausschuß, der die gemeinschaftlichen Geschäfte der ganzen Bourgeoisklasse verwaltet“, hat ein bekannter Soziologe des 19. Jh. einmal gesagt. Inzwischen sind es in den kapitalistischen Ländern immer mehr die Oligarchen, Milliardäre oder BlackRockmanager, die direkt sich in höchste Ämter haben wählen lassen oder anstreben.
- Erst in der Weltwirtschaftskrise 1929, einer in der kapitalistischen Entwicklung immer wieder vorkommenden Krise, wurde das parlamentarische System zum Störfaktor. Faktisch schon diktatorisch regierten ab 1930 Präsidialkabinette unter den Kanzlern Brüning, von Papen und Schleicher. In dieser Zeit verloren nicht nur die bürgerlichen Parteien Stimmen an die NSDAP, die von einer Splitterpartei 1928 zur größten Partei bis 1932 wurde. Als der Trend sich in den Novemberwahlen 1932 nicht fortsetzte, die NSDAP statt 37 % bei den Juli-Wahlen 1932 im November nur noch 33 % der Stimmen erhielt, und die SPD Stimmen an die KPD verlor, die mit 17% fast so stark wie die SPD (20,4%) wurde, schrillten im deutschen Großkapital und in den Banken und bei den Großagrariern die Alarmsirenen. Sie schrieben einen Brief handschriftlich und in extra großen Buchstaben an den Reichspräsidenten von Hindenburg.(https://www.ns-archiv.de/nsdap/foerderung/eingabe-hindenburg.php) : Zusammengefasst wurde gefordert, jetzt endlich Hitler zum Reichskanzler zu machen, um endlich für das Großkapital und seine Verbündeten stabile Verhältnisse zu schaffen, einen vom Parlament und der ganzen demokratischen Wählerei unabhängig regierenden Reichskanzler Hitler einzusetzen. Der würde eine verheißungsvolle Zukunft herbeiführen und die Klassengegensätze in einer Volksgemeinschaft auflösen und in Deutschland endlich für Ruhe und Ordnung und stabile Verhältnisse sorgen..
- Kapitalismus in Krisensituationen kann zum Faschismus führen, wenn der herrschenden Klasse keine anderen Problemlösungen mehr effektiv zu sein scheinen. Jean Jaures hat einmal sinngemäß gesagt: Wie die Wolke den Regen führt der Kapitalismus den Krieg und den Faschismus und den Rassismus mit sich. Wer die Liste der Forderer im Brief an Hindenburg, getarnt als Bittsteller, durchgeht, stellt fest, dass viele Repräsentanten oder direkt Privateigentümer bei uns sog. Familienunternehmen waren, in anderen Zusammenhängen werden die Familienunternehmen auch Oligarchen oder Familien-Clans genannt. Wenn man/ frau sich die Liste der Lobbyisten mit sozusagen Gesetzgebungskraft im Bundestag anguckt, trifft immer noch auf die gleichen Namen.
- Die Wünsche in der Industrielleneingabe wurden bald erfüllt. Hindenburg hatte wohl weniger aus politischen, als vielmehr aus einem preußisch-protestantischem militärischem Standesbewusstsein heraus bisher gezögert, den österreichischen katholischen, seit 1925 sogar staatenlosen, Gefreiten, von dem sich ein protestantisch-preußischer Generalfeldmarschall nicht mal die Stiefel putzen ließ, zum Kanzler zu berufen. Hitler wurde erst im Februar 1932 in dem von NSDAP und DNVP regierten damaligen Freistaat Braunschweig deutscher Staatsbürger. 7 vorhergehende Versuche der Einbürgerung waren gescheitert. Ob Hindenburg auch wusste, dass Hitler zunächst in Salzburg 1914 wegen körperlicher Schwächen für wehruntauglich erklärt worden war, ist nicht bekannt. Das hätte Hitler in den Augen Hindenburgs noch mehr disqualifiziert. Für einen preußischen Generalfeldmarschälle begann der Mensch beim preußischen Leutnant.
Ein Grund für die Ernennung Hitlers könnte auch eine Mischung von Korruption, Bestechung, illegalen Finanztransfers für ostelbische Großgrundbesitzer einschließlich der Familie Hindenburg gewesen sein. Ein Kabinett Hitler würde den Skandal, in den auch die Familie Hindenburg verwickelt war, untern Teppich kehren.
Hitler und die Faschisten verstanden es, Massen hinter die faschistische Bewegung zu bringen: Wachsende finanzielle Unterstützung aus allen Kapitalfraktionen halfen. Im bayrischen Bürgertum und in Berlin (Familie Bechstein, Familie Wagner, Sir Henry Detering, Familie Bruckmann) war Hitler sehr bald bekannt und wurde schon 1920 als Redner durch die besseren Kreise gereicht. Auch beste Beziehungen zu General Ludendorff, General Hoffmann und anderen hochrangigen Militärs und zur Thule –Gesellschaft sind zu verzeichnen. Das alles brachte reichlich Spenden ein. Auch im Ruhrgebiet spendete Fritz Thyssen seit 1923 reichlich (I paid Hitler). Ab 1927 kam als Topmanager aus der Ruhrindustrie Emil Kirdorf dazu. Auch die Ruhrlade, ein exquisiter Club von 12 Ruhrindustriellen mit Fürsprache des Kronprinzen Wilhelm und des reaktionären einflussreichen Gutsherrn Elard von Oldenburg-Januschau und General von Blomberg begannen 1931 mit größeren Spenden. Eine mächtige finanzielle Unterstützung war ab 1. 1. 1931 der Kohlepfennig (5 Pfennig) , der von jeder verkaufter Tonne an die NSDAP abgeführt werden sollte. Reden Hitlers u.a. vor dem exquisiten Industrieclub in Düsseldorf im Januar 1932 wurden von den Industriellen begeistert begrüßt. Sie wussten von Hitlers Massenbasis, die für Wahlen wichtig waren. Die Massenbasis bestand aus Militärs, Groß- und Kleinbourgeoisie, nicht in der Arbeiterbewegung verankerte Arbeiter, vor allem auf dem Land, wo der Organisationsgrad niedrig war. Selbständige Bauern, Handwerker. Die Weltwirtschaftskrise hatte Massen in soziale Unsicherheit, materielle Not und Angst vor dem weiteren gesellschaftlichen Abstieg gestürzt. Die faschistische Partei stellte sich als „Partei des kleinen Mannes“ dar, die versprach, ihre Nöte auch durch Wiederaufrüstung und andere Wirtschaftsprogramme zu lösen. Versailles sollte vergessen werden. Eine Zeitenwende wurde versprochen. Die NSDAP vertrat eine besondere Aggressivität bei Themen wie Rassismus, Antisemitismus, Militarismus, Volksgemeinschaft, männlichkeitskulte – der Mann als Krieger, die Frau als Gebärerin möglichst vieler Kinder (je mehr, desto wertvoller wurden die zur Belohnung verteilten Mutterkreuze), Rassenhygiene, gegen moralischen Verfall und Sittenlosigkeit, für Ruhe, Ordnung, Sicherheit, gegen den Schandvertrag von Versailles, Antisozialismus, Antikommunismus, Antibolschewismus, Russophobie. Das machte sie vor allem in den neuen und alten Mittelschichten wählbar. Diese sahen sich ökonomisch in der doppelten Fontstellung gegen Großkapital und Proletariat, fürchteten sich vor der Proletarisierung und glaubten den antimonopolistischen Floskeln der NSDAP. Das zeigte ihre Abwanderung von den bürgerlichen Parteien hin zur NSDAP.
Hitler betonte dauernd seine Gottgläubigkeit und keine Propaganda-Veranstaltung der Nazis, z. B. in Bochum meist im Evangelischen Gemeindehaus Mühlenstr. stattfand. Keine der Propaganda-Veranstaltungen endete ohne Gebet, oft von Pfarrern gesprochen. Der faschistische Nachfolger des aus dem Amt gedrängten OB Dr. Ruer, Piclum, forderte die Bochumer Faschisten auf, falls sie aus der Kirche ausgetreten waren, wieder einzutreten. Alles war so fromm! Als die höchste kirchliche Instanz, der Stellvertreter Gottes als erstes Staatsoberhaupt im Sommer 1933 einen international viel beachteten Vertrag, das Konkordat, schloss, bekam der faschistische Staat trotz aller schon begangenen Verbrechen den kirchlichen Segen und damit die höchste moralische, sozusagen göttliche, Anerkennung.,
Es muss betont werden, dass die Faschisten ideologisch nichts Neues erfinden mussten! Sie banden die umherlaufenden herrschenden Ideologien zu einem bunten Strauß, radikalisierten den ein und anderen Aspekt. Niemand war gezwungen, 100%ig alle Ideologeme gleich wichtig zu nehmen. Jede/r) konnte die für ihn schönsten Blüten aus dem Strauß ziehen und nach 1945 behaupten, er sei kein Nazi gewesen, weil er ja nicht alle Blüten am Strauß gleich schön fand..
Die Grenzen von konservativen, reaktionären, faschistoiden und faschistischen Überzeugungen waren und sind fließend. Exemplarisch führt das gerade (Januar/Februar 23) der bis vor kurzem oberste Schützer vor faschistischem Gedankengut vor.
- Das Ergebnis des Faschismus an der Macht sind euch bekannt: Diese Zeitenwende bedeutete: Ein riesiges Aufrüstungsprogramm wurde gestartet mit den Folgen von Sozialraub in allen Bereichen, Merkmal aller Aufrüstungsprogramme (heute: Wumm und Sondervermögen für Kriegskredite), An diesem Aufrüstungsprogramm hatte auch z.B. der Bochumer Verein sofort seine Anteil. Diese Zeitenwende wurde eingeleitet, um an die Rohstoffe und an die Menschen in anderen Ländern als Sklavenarbeiter*innen und an strategische Positionen zu kommen. Also die alten Pläne von vor 1914 wurden aus der Schublade geholt. Das 100.000 Mann-Heer (Versailler Vertrag) wurde bis 1939 auf 7 Millionen Männer gebracht. Bis 1945 wurden insgesamt 18 Millionen Deutsche als Soldaten missbrauch, das sind von damals 79 Millionen (einschl. Österreich) 21 %. Und sie wurden bestens bewaffnet – zunächst jedenfalls…. Wenn aus einem 100.000 Mann-Heer mit leichten Waffen (Versailler Vertrag) innerhalb kürzester Zeit ein Heer von bis zu 7 Millionen Mann mit den besten auch schwersten Waffen einschließlich Luftwaffe und Marine wurde, lassen sich schnell 6 Millionen Arbeitslose von der Straße holen. Dieses faschistische Heer überfiel mit seinen Partnern die halbe Welt und war beteiligt an der systematischen Ermordung von mindestens 10 Millionen jüdischen Menschen, Sinti und Roma, Homosexuellen, Behinderten und vielen anderen (Besonders beeindruckte mich Achim Doerfer, „Irgendjemand musste die Täter ja bestrafen“, Die Rache der Juden, das Versagen der deutschen Justiz nach 1945 und das Märchen deutsch-jüdischer Versöhnung, Köln 2021).. Die halbe Welt lag 1945 in Trümmern, mindestens 60 Millionen Menschen waren tot, 30 Millionen verstümmelt, viele Millionen traumatisiert. (Man sollte immer wieder mal darauf hinweisen, dass ca. 30 Millionen Menschen allein in der damaligen Sowjetunion meist auf bestialische Weise umkamen)
Im Innern wurde die Arbeiterbewegung praktisch vom 1. Tag mit den Mitteln brutalsten Terrors zerschlagen und z.T. liquidiert. Bochumer Beispiele Husemann und Springer und Imbusch und die sofortige Einrichtung eines KZs auf dem Gelände der Zeche Gibraltar. In den Betrieben wurden den Arbeitern all die wenigen Rechte von 1918/19 wieder genommen. Die Unternehmer wurden zu Führern und die Lohnabhängigen zu Gefolgsleuten. Auf dem Kirmes-Platz an der Castroper Str. sollen am 1. Mai 1933 100.000 Bochumer*innen begeistert der übertragenen Rede Hitlers zugehört haben – erstes public hearing in Bochum. (Für die Jüngeren: Längst nicht jede Familie besaß ein Radio. Fernsehen gab es faktisch gar nicht.) Sofort wurde mit der offenen zunehmenden Verrechtlichung der Entrechtlichung der jüdischen Bürger*innen begonnen, mit Ausgrenzung. Diskriminierung, Kriminalisierung und schließlich Vertreibung oder Deportation und Vernichtung.
- Wie hätte ein antifaschistischer Widerstand aussehen können?
Am 4.2. bespricht Hitler seine zukünftigen Kriegspläne mit den wichtigsten Militärs, am 20.2. mit den wichtigsten 50 Repräsentanten der Kapitalfraktionen. Gestern Abend lief die Dokumentation „Die ersten 100 Tage“ angefangen mit dem 30. Januar. Der 4.2. und der 20.2. kamen nicht vor.
Schon am 11.3. fand die 1. Bücherverbrennung in Bochum statt. Am 1.4. 1933, kurz nach dem von den bürgerlichen Parteien (einschließlich Theodor Heuss, DDP) mit verabschiedeten Ermächtigungsgesetzes, fand ein inszenierter antisemitischer Terrorakt statt: Bei uns bekannt unter dem Namen „Judenboykott“. Die ca. 110 kleineren und ein größeres Geschäft (Alsberg) wurden boykottiert. Wie Clemens Kreuzer es für Bochum-Langendreer beschreibt, dürfte es überall so gewesen sein: Nicht die SA-Männer mit den Bulldoggenvisagen, sondern vor allem die „arischen“ Konkurrenten von nebenan boykottierten, und die Hausfrau von nebenan raubte was aus dem Geschäft, wenn die Scheiben zu Bruch gingen.
Im Land- und Amtsgericht bekam der Gerichtspräsident am 31.3. ein Telegramm, vom nächsten Tag an keine jüdischen Richter (4) und Anwälte (22) mehr Eintritt ins Gericht zu gewähren. Es klappte vorzüglich. Keiner der vielen Juristen am Gericht oder in Bochum erhob Einspruch. Der Gerichtspräsident in Bochum war – laut Hubert Schneider – kein Nazi. Er gehorchte nur beamtengemäß.
Der „Juden-Boykott“ war aber auch ein internationaler und nationaler großangelegter Test:
- Wie würde die Mehrheitsgesellschaft reagieren?
- Wie würde „das Ausland“ reagieren. Da fast keine Reaktionen erfolgten, konnten die antijüdischen Maßnahmen verschärft werden.
- Wie würden Kirchen, Parteien, Gewerkschaften… reagieren?
Das gilt auch für den 9.11.1938!
Das Ergebnis: Die Kirchen applaudierten, aus dem Ausland kam kein Protest, Gewerkschaften und Parteien schwiegen, die Mehrheitsgesellschaft leistete keinerlei Widerstand.
Was wäre eigentlich gewesen, wenn am 1.4. spätestens alle noch relativ frei agierenden Organisationen, die Justiz, die Medien, die Verwaltungen, die Unis…. „Nein“ gesagt hätten? Aber es gab keinen Widerstand. Der hätte natürlich in der WR schon beginnen müssen, spätestens 1928.
Erst der 1.4. machte der faschistischen Regierung klar, dass sie sich so ziemlich alles erlauben kann.
Vom 1.4. 1933 spätestens konnte später niemand mehr sagen: Ich habe das alles nicht gewusst. Alles fand öffentlich statt! Allzu viele waren begeistert!
Die Arbeiterparteien
Es gab vor 1933 die SPD mit der Eisernen Front und die KPD mit der antifaschistischen Aktion, die faschistischen Aufmärschen und der faschistischen Propaganda entgegentraten, aber sich auch untereinander bekämpften. Das gilt auch für den Rotfrontkämpferbund der KPD und das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold der SPD.
Ich denke, dass in der Situation ab 1933 es keinen kollektiven Widerstand der Organisationen der Arbeiterbewegung geben konnte.
SPD und KPD waren in vieler Hinsicht unheilbar zerstritten, obwohl sie zahlenmäßig gemeinsam immer mehr Wählerstimmen als die NSDAP hatten. Die Probleme waren schon vor der Zustimmung der SPD zu den Kriegskrediten und zum Krieg 1914 angelegt. Die SPD war nie eine revolutionäre Partei, sondern immer eine Partei mit teilweise revolutionärer Theorie und faktisch reformistischer Praxis. Als Regierungspartei musste sie immer offen gegenüber rechten Koalitionspartnern sein.
Die Oktoberrevolution in Russland wurde in SPD und der am 1.1.1919 gegründeten KPD, völlig diametral gegensätzlich eingeschätzt.
Die SPD beschimpfte die Kommunisten als Kommunazis und übergekehrt verunglimpfte die KPD die SPD vor allem ab 1928 als sozialfaschistisch.
Die Inflation des Faschismus-Begriffs machte den Begriff fast unbrauchbar. Immerhin hatte ein Berliner SPD-Polizeipräsident 1929 auf 1.Mai-Demonstrantinnen schießen lassen, wobei 33 Zivilisten erschossen wurden. Ein Beweis für die KPD: Sozialfaschismus. Terror gegen die Arbeiter. Auf Grund der von der SPD abgelehnten Zustände in der jungen Sowjetunion warf sie der der KPD rotlackierten Faschismus vor.
Die Kommunistischen Parteien waren seit Oktober 1919 in der Komintern, 3. Internationale, vereint, die die Aufgabe hatte, die junge Sowjetunion „abzuschirmen“ gegen Kritik und alles dort gutzuheißen. Die SPD war in der Sozialistische Arbeiterinternationale, gegründet 1923, die die Zustände in der Sowjetunion z.T. scharf kritisierte. (Hier begann praktisch die Totalitarismus-Theorie, ich würde sagen die Totalitarismus-Ideologie).
Die Aufrufe beider Parteien heute vor 90 Jahren machten ein Zusammengehen unmöglich. Die SPD rief faktisch zu Ruhe und Ordnung und zum Warten auf die nächsten Wahlen auf, war also streng an der Verfassung orientiert. Die KPD, die sich als einzige Arbeiterpartei bezeichnete, wollte eine Einheitsfront von unten (ohne die Führungsriegen der SPD) unter ihrer Leitung, weil sie auf Grund ihrer damaligen Faschismusanalyse eine revolutionäre Situation erwartete. Generalstreik und Revolution: Was beim Kapp-Putsch nur zum 1. Teil klappte).
Beide Parteien hatten sich nicht vorstellen können, was Faschismus an der Macht bedeutete und dass es nur wenige Wochen dauern würde, bis die Faschisten sogar mit Zustimmung des Parlaments die Diktatur errichten konnte /Ermächtigungsgesetz März 1933) und sofort mit dem Morden und sonstigem Terror anfing, in Bochum im März erste Bücherverbrennung auf dem Neumarkt, dann Mord an dem jüdischen Kaufmann Albert Ortheiler in Gerthe, Hegel-Schule. 5. Juli 1933. Dass über 100 Funktionäre der Parteien in Bochum schon im Februar 1933 in der Zeche Gibraltar in Stiepel an der Ruhr in einem rasch eingerichteten „wilden“ KZ gefoltert werden würden, hatte niemand geahnt. Jede(r) hätte es aber wissen können, wurden doch die KZs öffentlich angekündigt und als Erziehungsanstalten propagiert.
- „Die Hohenzollern und die Nazis“ sind ein Thema, das mir in meinem Studium und meinen vielen Lektüren zum Faschismus bisher kaum begegnete. Vielleicht geht es einigen hier ebenso. Aber auch in den Geschichtswissenschaften hat sich niemand so recht mit den Hohenzollern und den Nazis beschäftigt. Erst als der heutige Chef des Hauses der Hohenzollern Georg Friedrich Graf von Preußen viele Millionen Entschädigungen und Rückgabe von Gemälden, Skulpturen,, dauerndes Wohnrecht auf Schloss Cecilienhof in Potsdam u.ä. forderte, fragten sich auch Historiker*innen und Bürger*innen: Wofür wollen die entschädigt werden? Und einige Historiker*innen begannen sich intensiver vor allem mit dem Ex-Kaiser Wilhelm II. und Ex-Kronprinzen Wilhelm zu beschäftigen. Deswegen ein Exkurs dazu:
Die wichtigsten Hohenzollern waren der Ex-Kaiser in Doorn und sein Sohn, der Kronprinz Wilhelm, bis 1923 im Exil in Wieringen,, die 2. Frau des Ex-Kaiser Hermine und die Frau des Kronprinzen Cecilie.. Sie alle waren wichtige Verbindungsglieder in den deutschen Adel. Die betrieben ganze PR-Agenturen, um sich massenwirksam günstig darzustellen. Die SPD-Regierung schickte dem geflohenen Kaiser einen ganzen Eisenbahnzug mit 64 Waggons und dazu 140 LKWs mit wertvollen Kunstgegenständen, Möbeln u.a. nach Huis Doorn und als Entschädigung (wofür?) 76 Millionen Reichsmark. Die 2. Ehefrau des Ex-Kaisers, Hermine, Prinzessin aus dem Haus Reuß, unterschrieb immer mit Kaiserin. Der Ex-Kaiser unterschrieb weiterhin mit Imperator Rex, wurde in Doorn mit „Durchlaucht“ und „Kaiserliche Hoheit“ oder „allerdurchlauchtigster Kaiser und König“ von zahlreichen Besuchern angeredet. Aus dem Haus Reuß stammt übrigens Heinrich der XIII., der jüngst von den Reichsbürgern noch als König vorgesehen war.
Auch nach der gescheiterten Abstimmung über die Fürstenenteignung 1926, in dem die Heiligsprechung des Privateigentums eine große Rolle spielte, wurden die Hohenzollern mit 250.000 Hektar Land, einem Dutzend Schlösser, 2 Dutzend Landgütern und Villen da und dort, und noch mal 15 Millionen Mark abgefunden, weil einige wenige Teile des Gesamtvermögens ihnen nicht zur Verfügung gestellt wurden. Es ging da auch immer um die Frage, ob Staatseigentum oder Privateigentum im Sinne von Individualeigentum von den Hohenzollern beansprucht wurde. Und da der Kaiser des deutschen Reiches auch König von Preußen war, war manchmal unklar, was zu wem gehörte.
In Doorn, Exil-Ort des Kaisers und Wieringen, dem Exil-Ort des Kronprinzen, trafen sich alle möglichen kaisertreuen Generäle. Politiker, Medienleute, Wissenschaftler und überlegten, wie die Monarchie nach Deutschland zurückgebracht werden kann. Am 9.11. 1923 durfte Kronprinz Wilhelm durch heftige Mithilfe des monarchistisch gesinnten Kanzlers Gustav Stresemann, wieder nach Deutschland zurückkehren. Seine Frau Cecilie wohnte sowieso meist in Schloss Cecilienhof, mitten im 1. Weltkrieg gebaut, während die Bauarbeiter und ihre Familien hungerten
Da der Adel politisch nach 1918/19 formal seiner politischen Macht entkleidet worden war, informell machte er weiter, stand er immer auf Seiten der Reaktion und wollte seine Rechte zurück. Die Hohenzollern wurden seit 1918 von manchen ihrer Standesgenossen kritisch gesehen: Sie waren ja mit der Niederlage im Weltkrieg geflohen und nicht ehrenhaft auf dem „Feld der Ehre“ mit gezücktem Säbel hoch zu Ross im Krieg den Heldentod gestorben.. Von manchen wurden sie als Deserteure und Fahnenflüchtige eingestuft. Von dem Kronprinzen, der eine ganze Heeresgruppe im Weltkrieg führte, wurde erzählt, dass er weit hinter der Front mit Frauen sich ein süßes Leben machte und sich militärisch nicht kümmerte. Der Kaiser floh im Schlafwagen sozusagen bei Nacht und Nebel. Hermine von Preuß, die er nach dem Tode seiner Frau Auguste Viktoria heiratete, war 30 Jahre jünger und brachte 5 Kinder mit in die Ehe. Da die Wiederverheiratung schon nach einem Jahr 1922 stattfand, hielt man in konservativen Kreisen das für ehrenrührig und 30 Jahre Altersunterschied? Das gehörte sich nicht. Andere allerdings hielten die Flucht der beiden für einen schlauen Schachzug, um nicht in die gerichtlichen Klauen der anti-deutschen Sieger zu geraten
Im kollektiven Gedächtnis war die Kaiserzeit bei vielen Deutschen „die gute alte Zeit“, in der alles besser war. Kollektive Mentalitäten werden nicht durch einen Regierungswechsel verändert, sondern oft sogar stabilisiert. Das symbolische Kapital wird im Kampf gegen die Republik eingebracht. Für viele Bürger*innen erschien die Kaiserzeit als ein Ort der Stabilität und Sicherheit im Vergleich mit den von vielen so empfundenen Wirren der neuen Republik. Der Kaiser blieb im Gedächtnis meiner Omas, beide arme Bergmannsfrauen, als Figur eines glänzenden Deutschlands haften, die genau wussten, wann Kaisers Geburtstag ist. Meine Eltern teilten mir dann als Kind immer Führers Geburtstag mit. Dass viele Deutsche einen Faible für Adliges haben und ganze Zeitschriftenverlage davon leben, weiß jeder. Ich sage nur die Royals. Stirbt dort eine Prinzessin bei einem Autounfall oder eine Queen, wird das deutsche Fernsehprogramm viele Tage sofort geändert. Am 17.1. 23 widmete die WAZ 1/3 Seite zur Beerdigung eines Ex-Königs (Konstantin) und zählte auf, wie viele Könige, Prinzessinnen und angeblich Adlige dort zusammenkamen. Heinrich Heine hat einmal gesagt, Der Adel und der Teufel existieren nur bei denen, die daran glauben. Es gibt so viele Gläubige!
Die Hohenzollern bewegen sich mit dem ganzen, seiner politischen Herrschaft 1918/19 „beraubten“ Adels in antirepublikanischen, meist auch antisemitischen, reaktionären Zirkeln. Wilhelm II. fiel immer wieder durch massive antisemitische und die Demokratie verachtende Äußerungen auf. Und akzeptierte nie die Nieder im Krieg, sondern verfocht die Dolchstoßlegende. Das leistete selbstverständlich den Faschisten Vorschub, wenn es gegen die Republik und die Novemberverbrecher ging. Kollaborateure und Opportunisten und ganz viele Unentschiedenen konnten sich auf Grund des bleibenden Prestiges des Kaiserreichs an den Hohenzollern ein Beispiel nehmen. Der Ex-Kaiser zeigte gegenüber der faschistischen Bewegung eine schwankende Haltung. Weil es in der Bewegung auch antimonarchische Elemente gab, fand der an diesen natürlich viel auszusetzen. Diejenigen, von denen er Hoffnungen auf eine Rückkehr auf den Thron erfuhr, fand er politisch auf dem richtigen Kurs. Die Kompatibilität oder Nichtkompatibilität der Ziele der Faschisten mit seinen eigenen Zielen führten zu lobenden oder ablehnenden Aktivitäten. Aber noch 1941 ein Telegramm an Hitler: „Die Taten unserer tapferen Truppen sind herrlich, Gott gab ihnen den Erfolg. – Möge Er ihnen weiterhin zu einem Frieden in Ehren & zum Sieg über Juda & den Antichrist in britischem Gewand verhelfen.“ Wilhelm am 20. April 1941 – Adolf Hitlers Geburtstag – über militärische Siege der deutschen Wehrmacht unter anderem über Frankreich.
Die Hohenzollern haben ihr symbolisches Kapital immer wieder für ihre eigenen Interessen eingesetzt, nicht jedoch gegen den Faschismus.
Der sog. Kronprinz, 1923 nach seiner Rückkehr politisch in rechtsradikalen antidemokratischen Kreisen aktiv, rief öffentlich Anfang 1932 zur Wahl Hitlers zum Reichspräsidenten auf. Seine Rückkehr vermittelte der monarchistisch gesonnene Kanzler und spätere Außenminister Gustav Stresemann. Mehrmals besuchte der Kronprinz Mussolini, hatte auf seinem Schreibtisch ein Foto von ihm und strebte eine Monarchie à la Italien an: Ein Führer und ein König. Diese offene Stellungnahme für Hitler veranlasste wahrscheinlich viele Adlige, aber eben auch „normale Bürger“, auch für Hitler bei diesen und den nächsten Wahlen zu stimmen. Ob das so war, ist empirisch nicht nachweisbar, aber sehr wahrscheinlich. Der Kronprinz war – wie die übrige ex-kaiserliche Familie insgesamt – ein Brückenbauer zwischen verschiedenen Gruppen des rechten und konservativ-reaktionärem Milieus und der faschistischen Bewegung. Das Kaiserreich hatte – wie gesagt – für viele einen positiven Erinnerungswert und der Kronprinz war der erlebbare Repräsentant. Im Vergleich mit Armut und den Wirren der Republik, denen sich viele ausgesetzt sahen, waren Kaisers Zeiten „die guten alten Zeiten“.
Seine Leistungen als Brückenbauer zwischen Reichswehr, Stahlhelm, SA, SS, NSDAP, DNVP, Herrenklub, rechten Publizisten, Großgrundbesitzern, Adelsverbänden, Kriegervereinen, Traditionsverbänden, Jagdgesellschaften, Adelsbanketten sind wohl erheblich. Er traf sich mehrmals mit Hitler und hoffte, über Hitler doch noch auf den Thron zu kommen.
Wie bei vielen anderen Faschisten wurde nach 1945 sofort das Narrativ kreiert, nur mitgemacht zu haben, um Schlimmeres zu verhindern. Der Kronprinz wusste gar nicht mehr, wie er in die SA-Uniform mit Hakenkreuzarmbinde geraten ist, fand diese Uniform auch nie schön. Er war oft mit seiner politisch ebenfalls höchst aktiven Ehefrau Cecilie, seinen Brüdern und seinem ältesten Sohn in der 1. Reihe bei faschistischen Veranstaltungen, oft in der alten Husarenuniform mit Totenkopf an der Bärenfellmütze oder Totenkopf am Kragen der Husaren-Uniform (die Nähe zur SS-Uniform nahelegend)) oder eben in SA-Uniform, war aber eigentlich – so das Narrativ nach dem 8. Mai 1945 – in der „inneren Emigration“. Da befand er sich in Gesellschaft von ganz vielen Deutschen! Oder, wie er nach 1945 versuchte glauben zu machen: Die vielen Fotos in SA-Uniform und Hakenkreuzarmbinde seien Tarnung gewesen, um seine wahre Gesinnung zu verbergen.
Am Tag von Potsdam am 21. März 1933 wird feierlich in der Garnisonskirche der neu gewählte Reichstag eröffnet. Der Reichspräsident erscheint in der Uniform des Generalfeldmarschalls des Kaisers, Hitler im Cut. Ein anderes Foto zeigt Hitler und Wilhelm, den er ja aus verschiedenen persönlichen Treffen kannte, im vertraulichen (?) Gespräch. Aus Holland kam ein Telegramm: „Brieftelegramm Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin. (…) Unser ganzes Denken gilt dem geliebten Vaterlande und der gewaltigen Arbeit der Männer, die es aus tiefster Schmach gerissen haben!“ Telegramm von Wilhelms zweiter Gattin Hermine vom 17. Dezember 1931.
Wohl endgültig war 1934 die letzte Hoffnung des Kronprinzen auf die irgendwie geartete Rückkehr zur Monarchie verschwunden. Im Faschismus arbeiteten er und seine Brüder und Söhne immer wieder mit und für die Faschisten, besonders auch durch Auslandskontakte. Irgendeine Verbindung zum Widerstand weniger, auch adliger, Offiziere an 20. Juli 1944 ist nicht bekannt.
- 1945 enteignete die Sowjetische Militäradministration Immobilien der Familie samt zahlreicher Kunstgegenstände, weil die Hohenzollern und speziell der Chef des Hauses Kronprinz Wilhelm, gestorben 1951, den Verbrechen des Faschismus erheblichen Vorschub geleistet hatten. Nach der der sog. Wiedervereinigung oder dem Beitritt zur BRD gab es 1994 bundesdeutsche Entschädigungsgesetze. Wenn der Kronprinz den Faschisten erheblichen Vorschub geleistet hat, entfallen die Entschädigungen. Jurist*innen und Historiker*innen streiten, ob er oder ob nicht….Vor der Öffentlichkeit verborgen wurde schon lange verhandelt, ob die Hohenzollern entschädigt werden und wie. 2019 erst wurde das medienwirksam durch Jan Böhmermann öffentlich. Nun wurde öffentlich kontrovers diskutiert, ob die Hohenzollern ein Recht auf Entschädigung haben. Die Juristen-Crew der Hohenzollern bestreitet nicht, dass Vorschub geleistet wurde zur Herrschaft der Nazis, aber eben nicht erheblich. Sie versuchen, den Kronprinzen als eine Art Randfigur darzustellen. Juristisch ist das alles sehr umstritten, und ich bin kein Jurist. Aber eine politische Ethik sollte reichen. Juristisch wird wohl nicht gefragt, wer eigentlich alle Schlösser, Gemälde, Kronen, Juwelen usw. gebaut, gemalt, bezahlt hat: Haben die Hohenzollern jemals sooo viel gearbeitet? Schlösser gemauert und mit Gold und Edelsteinen ausgestattet? Und wo kamen Gold und Diamanten wohl her? Hatten die Hohenzollern Gemälde gemalt? Jan Böhmermann bringt das in seiner – mir manchmal unter die Gürtellinie gehenden Beitrag – gut zur Geltung: Das alles ist den Deutschen, aber auch ihren angeblichen Untertanen in Afrika und Asien und sonst wo einschließlich des 1. Völkermord in der Geschichte an den Hereros und Namas abgepresst und geraubt worden.
Überhaupt wird bis heute nie gefragt, wo eigentlich die Vermögensmassen und die Schatzkammern des sog. Adels (und der Kirchen) nicht nur in Deutschland herstammen. Bernt Engelmann hat in seiner Geschichte von unten die Frage beantwortet. Jahrhunderte lang wurde das Volk beraubt oder durch Kriege wurden neue Reichtümer und Länder erobert und unterjocht. In den Kriegen ließen die sowieso Armen ihr Leben für die durch das geraubte Leben und die geraubte Arbeitskraft ihrer Eltern und Großeltern sowieso schon Reichen. Und die Ausgebeuteten waren dankbar, wenn ein paar Almosen von den Reichen großzügig verteilt wurden wie in Heinrich Bölls „Die Waage der Baleks“, meinem Abiturthema.
„Nach 1945“, resümiert Ulrich Herbert die Aktivitäten der Hohenzollern, „schimmert im Versuch, sich als Teil des Widerstandes zu präsentieren, die in Jahrhunderten erlernte Fähigkeit zur Legendenbildung ein letztes Mal durch“.
„Aber wenn selbst die es nicht waren, die ‚Vorschub leisteten‘, dann war es eben keiner. Wie gehabt.“, sagt Ulrich Herbert zum Schluss.
Das Vermögen der Hohenzollern wird heute auf ca. 500.000 Millionen Euro geschätzt.
- Angesichts der singulären Verbrechen des deutschen Faschismus liegen nach der Befreiung von Faschismus eigentlich folgende Lehrer auf der Hand, die bis in einige bürgerliche Kreise verbreitet waren und auch von den alliierten Siegern festgeschrieben wurden. Entflechtung der Monopole und Konzerne (Demonopolisierung), die den Faschismus ermöglicht und gefördert hatten und direkt an Völkermord und Krieg und Zwangsarbeit beteiligt waren und ungeheure Profite daraus gezogen haben, Entmilitarisierung (Demilitarisierung), Entnazifizierung aller gesellschaftlichen Bereiche und Demokratisierung auch der bisher noch kapitalistischen Wirtschaft und Bestrafung aller an Mord und Totschlag Beteiligten (Denazifizierung). Die Demokratie durfte nicht am Werkstor enden (Demokratisierung)
Das Ahlener Programm der CDU sagt es ähnlich.
- Wie ging es weiter?
Der Tübinger Strafrechtler Jürgen Baumann: „Ein Täter (Hitler) und sechzig Millionen Gehilfen – das deutsche Volk, ein Volk von Gehilfen.“
Der Schriftsteller Horst Krüger: „Nachher“ waren alle dagegen!: „Das deutsche Volk – ein Volk von Widerstandskämpfern!“ Keiner hat da mitgemacht! Wir waren alle dagegen! Wir sind verführt worden und damit unschuldig! Wir sind doch alle Opfer ohne eigene Verantwortung! Aber der Faschismus hatte sehr wohl seine guten Seiten! (All diese Widerstandskämpfer konnten die 68ger oder z.B. die Hippies erleben, wenn am Rand von Demonstrationen gerufen wurde: „Unter Adolf hätte es so was nicht gegeben. Da wärt ihr alle vergast worden.“)
Die Deutschen waren unfähig zu trauern, stellten die Mitscherlichs schon Anfang der 1960ger Jahre fest.
Der alte Feind, „Russland“, blieb es außenpolitisch weiterhin der Feind, der innere Feind blieben die „Kommunisten“. Hatte Hitler nicht doch recht gehabt? Der globale Anspruch der USA, Weltsheriff zu sein, von Gott auserwähltes Gods own country, zur Missionierung der Bösen beauftragt, free enterprise, freedom and democracy auf den von den USA gegebenen Regeln (regelbasiert) durchzuführen, diesem Anspruch schloss sich der „freie Westen“, also auch die postfaschistische BRD an. Werteorientiert: Profitmaximierung, Kapitalakkumulation, Kapitalexpansion, Kapitalrentabilität sind die Werte, wie jede(r) VWL- und BWL-Student*in im 1. Semester lernt.
- Teil: Droht ein neuer Faschismus? Und wie lässt er sich verhindern?
Einige Diskussionsanregungen
Besonders in Kriegszeiten muss die Bevölkerung in Feindbildern denken. Dafür sorgen ganz große Koalitionen von Politik, Medien, Gewerkschaften, Kirchen… Die Demonstrations-, Meinungs- und z.B. Datenfreiheit muss da eingeschränkt werden.
Kann es einen neuen Faschismus geben? Wird er etwa so aussehen, wie Erich Fromm es mal beschrieb: Der einzelne schließt sich bei Video und Whiskey in seinem Wohnzimmer ein und nennt das Freiheit. Der/die 95 Prozentige, der/die so denkt, fühlt und handelt wie die übrigen 95%, lernt zu denken, fühlen und handeln, wie ihm/ihr das von klein auf beigebracht wird und denkt, fühlt und handelt schließlich so, wie er/sie es soll und muss, ohne noch zu merken, dass er/sie es soll und muss und nennt sich frei!
Zunehmend werden ganze Staaten von konservativ-reaktionären, faschistoiden oder faschistischen Regierungen übernommen – natürlich alles ordentlich per Wahl. Die direkt faschistischen Parteien sind die Lokomotiven, die den gesamten Parteienzug nach rechts ziehen.
Pierre Paolo Pasolini dachte sich einen neuen Faschismus als eine Technokratie. Durch Medien und Überwachungssysteme wird das geschaffen, was George Orwell in „1984“ beschreibt.
Hannah Arendt hat von der „Banalität des Bösen“ gesprochen, das alltägliche gleichgültige Weggucken.
Ralf Giordano, Die 2. Schuld
Zahlreiche Ministerien und sogar Geheimdienstorganisationen bestätigen inzwischen, dass (Ex?)-Faschisten in ihren Ämtern oft den Ton angegeben haben.
Martin Niemöller hat sich so beschrieben:
Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Kommunist,
als die Nazis die Sozialdemokraten holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Sozialdemokrat,
als sie Nazis die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter,
als die Nazis mich holten, war niemand mehr da, der etwas hätte sagen können..
Es lohnt, die Geschichte der Präsidenten des Verfassungsschutzes anzusehen. Von 1955–1972, Hubert Schrübbers, der als harter faschistischer Staatsanwalt 1938 auch ein kurzes Bochumer Gastspiel gab, trat erst zurück, nachdem seine faschistische Vergangenheit nicht mehr zu leugnen war.
Dass jüngst Hans-Georg Maaßen, bis vor kurzem noch oberster Verfassungsschützer, mit rassistischen Ausfällen ins Gerede gekommen ist, weiß ja jede(r). Der denkt bestimmt nicht seit gestern so.
AFD, NPD, Reichsbürger, Querdenker, faschistische Hooligans….Droht da was?
Kommt Faschismus von den Rändern oder aus der Mitte der Gesellschaft?
Ein paar Literaturhinweise:
Stephan Malinowski, Die Hohenzollern und die Nazis, Geschichte einer Kollaboration, 3. durchgesehene Auflage Berlin 2021
David de Jong, Braunes Erbe, Die dunkle Geschichte der reichsten deutschen Dynastien,3. Auflage Köln 2022
Reinhard Kühnl, Der deutsche Faschismus in Quellen und Dokumenten, 6. durchgesehene und erweiterte Auflage 1987
Achim Doerfer, „Irgendjemand musste die Täter ja bestrafen“, Die Rache der Juden, das Versagen der deutschen Justiz nach 1945 und das Märchen deutsch-jüdischer Versöhnung, Köln 2021
Die verschiedenen Bücher von Ulli Sander und Günter Gleising sind dringend zu empfehlen.
https://www.bing.com/videos/search?q=stephan+malinowski+die+hohenzollern+und&docid=608047995327623463&mid=5E04BF77E85848E490EA5E04BF77E85848E490EA&view=detail&FORM=VIRE
https://www.sueddeutsche.de/kultur/boehmermann-hohenzollern-neo-magazin-royale-1.4683275
Alle Gutachten zu den Entschädigungsforderungen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Entsch%C3%A4digungsforderungen_der_Hohenzollern
https://taz.de/Preussen-Historiker-Clark-rudert-zurueck/!5734272/
https://taz.de/Neues-vom-Hohenzollernstreit/!5792338/