Die Geschichte des zweiten Sonntags im September
- Einleitung
- Erstes Gedenken im September 1945
- Der antifaschistische Konsens zerbricht. Die Abkehr vom OdF-Tag
- Der OdF-Tag in der DDR
- Der Neubeginn
Einleitung:
Liebe Gäste, liebe Kameradinnen und Kameraden,
übermorgen in 8 Tagen haben wir den 2. Sonntag im September. Ich muss gestehen, obwohl ich inzwischen länger als 20 Jahre Mitglied der VVN bin, dass mir Begriffe wie „Der zweite Sonntag im September“ oder „Tag der Opfer des Faschismus“ noch vor einiger Zeit unbekannt waren.
Ich denke, einigen unter Euch wird es vielleicht ähnlich gehen.
Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass der zweite Sonntag im September zwar in der früheren DDR und seit der Wende 1989 in den neuen Bundesländern stets eine wichtige Rolle spielte, hier im Westen aber seit Ende der 50er Jahre im Bewusstsein der Menschen in Vergessenheit geraten ist.
Bei der Erstellung dieses Referates habe ich festgestellt, dass es kaum Literatur zu diesem Thema gibt, sodass sich meine Ausarbeitung im Wesentlichen auf die Broschüre von Hans Coppi und Nicole Warmbold „Der zweite Sonntag im September“ aus dem Jahre 2007 stützt.
Die Broschüre wurde herausgegeben vom Verlag der VVN-BdA.
Ein Hinweis vielleicht noch: In diesem Kurzreferat habe ich mehrmals die Abkürzung OdF für die Opfer des Faschismus benutzt, obwohl ich weiß, dass einige unter Euch diese Abkürzung zu Recht kritisieren und auch ich sie nicht für angemessen halte. Es ist lediglich aus zeitlichen Gründen geschehen, weil meine Ausführungen den Rahmen von ca. 20 Minuten nicht überschreiten sollen
1.) Erstes Gedenken im September 1945
Opfer des Faschismus:.
Die überlebenden Verfolgten und Opfer des Faschismus standen nach der Befreiung vor schweren Existenzproblemen. Insbesondere die Überlebenden des Holocaust waren nicht selten die einzigen Überlebenden ihrer Familie und nun ganz auf sich gestellt.
Auf Anweisung und mit Hilfe der Alliierten wurden schon in den ersten Wochen nach der Befreiung zahlreiche Maßnahmen zur Unterstützung der Opfer des Faschismus ergriffen. Diese Aufgabe wurde bald in die Hände der deutschen Verwaltungen übergeben.
Auf alliierte Anordnung entstanden in allen Besatzungszonen „OdF-Ausschüsse“, die den Sozialämtern angegliedert wurden. In ihnen arbeiteten häufig Verfolgte des Naziregimes.
In Berlin übernahm der „Hauptausschuss Opfer des Faschismus“ diese Aufgabe.
Aufruf der Überlebenden:
Als die Jahrestage der Ermordung Ernst Thälmanns, Rudolf Breitscheids und der Widerstandskämpfer des 20. Juli bevorstanden, ergriff der „Hauptausschuss Opfer des Faschismus“ Anfang August 1945 die Initiative zur Begründung eines Gedenktages für die Opfer des Faschismus . Der Berliner Magistrat nahm sich dieses Anliegen an und rief erstmals für den 9. September 1945 zum „Tag der Opfer des Faschismus“ auf.
Auch in zahlreichen anderen deutschen Städten und an vielen Orten wurden im September 1945 Gedenkfeiern für die Opfer des Faschismus vorbereitet. Mit Genehmigung der Besatzungsmächte unterstützten die neu zugelassenen Parteien, die jüdischen Gemeinden, die Kirchen und die Gewerkschaften den Gedenktag.
Erstes Gedenken:
Am frühen Nachmittag des 9. September 1945 bewegten sich in Berlin 30 Demonstrationszüge durch die Stadt. Ihr Ziel war das nach dem Arbeitersportler und 1944 hingerichteten Widerstandskämpfer Werner Seelenbinder benannte Neuköllner Stadion. Umrahmt von Fahnen der von Deutschland überfallenen Länder erhob sich in der Mitte des Platzes das Ehrenmal, dass der Berliner Baustadtrat Hans Scharoun entworfenen hatte.
Unter den Buchstaben „KZ“ stand der rote Winkel der politischen Häftlinge, der sich seither auf zahlreichen Plakaten, Aufrufen, Denkmälern, Publikationen und Abzeichen findet.
Hunderttausend Menschen, darunter 15.000 Oper des Faschismus, standen dichtgedrängt, als der Trauermarsch von Frederic Chopin erklang. Die Rednerinnen und Redner der Gedenkfeier verbanden Trauer und Gedenken mit dem Aufruf, den Nazismus mit all seinen Wurzeln zu beseitigen, wie es auch im Schwur von Buchenwald gefordert wird, und ein freies demokratisches Deutschland aufzubauen.
Vielleicht noch eine Anmerkung zu Hans Scharoun. Der international bekannte Architekt Hans Scharoun entwarf in den 60er Jahren u.a. die Neue Philharmonie in Berlin und die Staatsbibliothek in Berlin-Tiergarten, aber auch die Johanneskirche in Bochum-Altenbochum, die nicht weit entfernt vom Friedhof Freigrafendamm steht. Es ist der einzigste Sakralbau von Hans Scharoun, erbaut zwischen 1966 und 1968.
Das heimliche Deutschland:
Im Gedenken an alle Opfer des Faschismus waren die Kundgebungen in den ersten Nachkriegsjahren weitgehend überparteilich und überkonfessionell.
Die Gedenkveranstaltungen in vielen Städten Deutschlands mit Hunderttausenden von Teilnehmern förderten die beginnende Auseinandersetzung mit der nazistischen Vergangenheit. Sie rückten die Opfer des Faschismus und auch den Widerstand gegen das Nazi-Regime in das Bewusstsein der Bevölkerung.
Das „heimliche Deutschland“ war in der deutschen Bevölkerung aber auch im Ausland weitgehend unbekannt geblieben. Viele Deutsche leugneten jede Existenz von Widerstand, ist er doch ein Beweis dafür, dass es möglich war, „etwas dagegen zu tun“.
Das Erinnern an den Widerstand ist daher auch eine Anklage an die Mitläufer und schweigenden Zuschauer.
Die VVN:
Von 1946 bis 1948 gründeten sich in allen Besatzungszonen Kreis- und Landesorganisationen Der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN)“. Seit dieser Zeit gehörte die VVN zu den Trägern des OdF-Tages.
Personell und organisatorisch ging die VVN aus den kommunalen OdF-Betreuungsstellen hervor. Über die dort geleistete soziale Hilfe hinaus sollte eine unabhängige Organisation die politischen Interessen der Verfolgten des Nazi-Regimes vertreten.
Die Aufgaben der VVN umfassten den Kampf um Entschädigung erlittenen Unrechts, sammeln von Beweismaterial zur Verurteilung von NS-Tätern, Einsatz beim Wiederaufbau Deutschlands. Politisches Ziel war es, das Vermächtnis der Toten zu wahren, den Nazismus mit all seinen Wurzeln zu beseitigen, insbesondere die Jugend aufzuklären sowie den Widerstand zu dokumentieren und zu würdigen. Zu dieser Zeit war die VVN die einzige Verfolgtenorganisation. In ihr schlossen sich NS-Gegner der verschiedensten Weltanschauungen und Konfessionen und aus rassischen Gründen Verfolgte zusammen.
Überparteilichkeit und Überkonfessionalität gehörtren zu ihrem Grundverständnis.
Gedenken in ganz Deutschland:
Die internationale Länderkonferenz der VVN legte im März 1947 fest, den Gedenktag für die Opfer des Faschismus jährlich in ganz Deutschland am gleichen Tage zu begehen: am zweiten Sonntag im September.
Auch in Bochum und Wattenscheid fanden an diesem Tag Gedenkveranstaltungen statt. Klaus Kunold zitiert in der neuen Ausgabe der Antifaschistischen Bochumer Blätter aus einem Artikel der WAZ vom 14.9.1948 mit der Überschrift:
Tote mahnen Lebende zur Menschlichkeit. Gedenkfeier der Stadt Bochum für die Oper des Faschismus. Vor der hohen Sandstein-Kulisse der Haupthalle versammelten sich Sonntagvormittag auf dem Freigrafendamm-Friedhof zahlreiche Bochumer Bürger.
Die Stadt Bochum hatte sie zu einer „Totengedenkfeier für die Opfer des Faschismus“ eingeladen. Auf den flachen Stufen vor dem Rednerpult lagen die Kränze der Stadt, der VVN, der CDU und SPD, mit ihren bunten Bändern wie feierlich-ernste Grüße der Lebenden an die Toten…
Ablehnung der Opfer:
Der Wunsch nach Neubeginn um den Preis des Vergessens, Schlussstrichmentalität, Scham über eigene Schuld und Verantwortung, die Erfahrung von Bombardierung und Vertreibung markierten eine tiefe Kluft zwischen den überlebenden Opfern des Faschismus und der großen Mehrheit der Bevölkerung. Die Überlebenden der Shoah, die Widerstandskämpfer und Verfolgten stießen mehrheitlich auf Desinteresse, Abwehr oder jede eigene Verantwortung leugnendes Selbstmitleid. Offene Ablehnung äußerte sich auch in Schändungen von OdF-Denkmälern. Forderung nach Entschädigung und soziale Hilfe wurden von vielen Deutschen abgelehnt. Die Überlebenden der Konzentrationslager und Haftstätten spürten diese Abwehr. Nur selten sprachen sie von ihren Erfahrungen und ihren Leiden, gefragt wurden sie kaum.
2.) Der antifaschistische Konsens zerbricht. Die Abkehr vom OdF-Tag
Der antifaschistische Konsens zerbricht:
Als Reaktion auf die Einführung der DM in den Berliner Westsektoren sperrte die Sowjetunion am 24. Juni 1948 die Verkehrsverbindungen zwischen West-Berlin und Westdeutschland. (Stichworte: Berlin-Blockade und Luftbrücke) Nachdem die meisten Vertreter der Verfolgten des Nazi-Regimes trotz politischer Differenzen 1946 und 1947 noch an den gemeinsamen Gedenkfeiern festgehalten hatten, geriet der OdF-Tag 1948 zwischen die Fronten des Kalten Krieges.
Der antifaschistische Konsens zerbrach. Am 9. September 1948 fand eine große Manifestation gegen die Berlin-Blockade vor dem Reichstag statt. In der Folge wurde zum Boykott der VVN-Großkundgebung am 12. September 1948 im Lustgarten aufgerufen.
In einer Zeit, in der sich die politische Lage verschärfte, lehnte der Berliner Magistrat eine gemeinsame Gedenkfeier in der Staatsoper und eine Teilnahme an den von der BerlinerVVN geplanten Veranstaltung zum OdF-Tag ab. Der Berliner Magistrat richtete am 12. September 1948 eine eigene kleine Gedenkfeier in Plötzensee aus.
Die Berliner VVN rief wie geplant für den gleichen Tag, unterstützt von Kirchengemeinden, den Ostverbänden von CDU und LDP, von Kulturbund, FDGB und FDJ sowie der SED und der sowjetischen Militäradministration zur OdF-Kundgebung auf.
Über 300.000 Menschen versammelten sich im Lustgarten. Das Gedenken an die Toten verband sich in diesem Jahr mit Forderungen, in der angespannten Situation für den Frieden und die Einheit Deutschlands einzutreten.
Die Abkehr vom OdF-Tag:
Mit den deutschen Staatsgründungen teilte sich das Gedenken an die Opfer des Faschismus. Bis in die fünfziger Jahre fanden in der Bundesrepublik und Westberlin weiterhin Gedenkveranstaltungen am früheren OdF-Tag statt. In Berlin z.B. wurden aber seit 1952 in der neu eingeweihten Gedenkstätte Plötzensee am Zweiten Sonntag im September, unterstützt von Parteien, Kommunal- und Landesregierungen, Gegenveranstaltungen zu Kundgebungen der VVN ausgerichtet.
Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft:
In den fünfziger Jahren wurde der Volkstrauertag zum zentralen Gedenktag in der Bundesrepublik. Die Opfer des Faschismus werden nur noch als Teil des Gedenkens an alle Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft wahrgenommen.
Unter dem Motto, im Tod seien alle gleich, werden Opfer und Täter gleichgesetzt, Verbrechen verharmlost, aus ihrem historischen Kontext gerissen und als Schicksal umschrieben, für das niemand individuelle Schuld trage.
An den Widerstand gegen das Naziregime wird von der Bundesregierung seit 1952 jeweils am 20. Juli erinnert. Dabei konzentriert sich das Gedenken i.d.R. auf den bürgerlich-konservativen, christlichen und militärischen Widerstand und die Weiße Rose.
Der Widerstand aus der Arbeiterbewegung, vor allem von Kommunisten, wird häufig verdrängt oder gar diffamiert.
VVN-Verbote:
- 1951 wurden der gesamtdeutsche Rat der VVN sowie einzelne Landesvereinigungen mit der Begründung verboten, die VVN sei eine von KPD und SED gesteuerte kommunistische Tarnorganisation. Die Polizei durchsuchte und schloss VVN-Büros, beschlagnahmte Flugschriften, Kassen und Akten – auch über Wiedergutmachungsverfahren von Opfern des Faschismus.
- 1959 beantragte die Bundesregierung unter Bundeskanzler Konrad Adenauer beim Bundesverwaltungsgericht in Berlin, die Verfassungswidrigkeit der VVN festzustellen und das Verbotsverfahren einzuleiten. Daraufhin konstituiert sich ein Solidaritätsausschuss für die freie Betätigung der VVN, dem u.a. der Vater der Geschwister Scholl, die Mutter von Arvid Harnack und der ev. Theologe Martin Niemöller angehörten.
- 1962 platzte der Prozess gegen die VVN vor dem 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts wegen der Nazi-Vergangenheit des Senatspräsidenten. Die Verhandlung wurde vertagt, das Verfahren stillschweigend eingestellt.
Behinderung des OdF-Tages:
In den Jahren, in denen das Verbotsverfahren gegen die VVN lief, wurden auch von ihr organisierte Veranstaltungen kriminalisiert. Zahlreiche VVN-Gedenkfeiern zum OdF-Tag wurden unter Auflagen gestellt oder ganz verboten. Häufig wurde es untersagt, politische Reden zu halten, Kränze niederzulegen, oder es wurden kaum mehr als ein Dutzend Teilnehmer zugelassen.
Verbote und Auflagen wurden mit polizeilicher Gewalt durchgesetzt, Gedenkveranstaltungen behindert oder sogar aufgelöst, Kränze oder Kranzschleifen von Denkmälern durch Polizeibeamte entfernt. Teilnehmer von OdF-Veranstaltungen wurden verfolgt und verhaftet, und dabei wurde auch vor Verfolgten des Naziregimes nicht Halt gemacht.
Ich erinnere mich an eine Veranstaltung mit dem Rechtsanwalt und Buchautor Heinrich Hannover vor einigen Jahren im Bhf. Langendreer. Heinrich Hannover hat als Strafverteidiger in politischen Prozessen insbesondere zur Zeit „des kalten Krieges“ auch zahlreiche Opfer des Faschismus verteidigt.
Er berichtete, dass nicht wenige Verfolgte des Naziregimes in den fünfziger Jahren den gleichen Richtern oder Staatsanwälten erneut gegenüberstanden, die sie zur Zeit des Faschismus zwischen 1933 und 1945 schon einmal verurteilt bzw. angeklagt hatten.
3.) Der OdF-Tag in der DDR.
Frühe OdF-Tage in der DDR:
Die VVN führte in der DDR zunächst den OdF-Tag fort. Hunderttausende Menschen nahmen an den großen Kundgebungen in Berlin und anderswo teil. Er wurde nun als „Internationaler Gedenktag für die Opfer des faschistischen Terrors und Kampftag gegen Faschismus und imperialistischen Krieg“ begangen.
Die Auflösung der VVN:
1953 ordnete die SED-Führung die Auflösung der VVN an. Das neu gegründete „Komitee der antifaschistischen Widerstandskämpfer“ führte unter Anleitung der SED die Aufgaben der VVN fort und
gehörte nun neben der Nationalen Front und der SED zu den Ausrichtern des OdF-Tages in der DDR.
4.) Der Neubeginn
Neue Gedenktage:
Lange Zeit konnte die VVN ihre politische Isolation, die in der Bundesrepublik durch die Verbote und politischen Verfolgungen entstanden waren, nicht durchbrechen.
Das Ende des Verbotsverfahrens markierte jedoch auch den Beginn einer neuen Offenheit gegenüber der VVN. Demokratische Kräfte aus unterschiedlichen Lagern gingen auf die Organisation zu. Sie findet in der Friedensbewegung, bei Falken, Naturfreunden, Naturfreundejugend, Antifa-Gruppen und bei Gewerkschaftsmitgliedern Bündnispartner.
Zu dieser Zeit aber ist der OdF-Tag in der Bundesrepublik schon weitgehend vergessen.
Die Tage, an denen Antifaschisten hier der Opfer des Faschismus gedenken, verschieben sich mehr und mehr auf den 30. Januar, den 8. Mai, die Jahrestage der Reichpogromnacht und den Antikriegstag.
In nur wenigen Städten, wie Hamburg, Bremen und Berlin wird der OdF-Tag bis heute begangen.
In Bochum und einigen anderen Städten wurden am Volkstrauertag eigene Gedenkveranstaltungen der VVN durchgeführt. Klaus Kunold schreibt in den neuen Antifaschistischen Bochumer Blättern: „Jeweils am Volkstrauertag fand eine Gedenkveranstaltung auf dem Friedhof am Freigrafendamm am Ehrenrundplatz für die von den Nazis ermordeten Antifaschisten statt. Bündnispartner legten Kränze und Blumengebinde zu Ehren der Ermordeten nieder.“
Die meisten Landes- und Kreisvereinigungen der VVN in der Bundesrepublik haben weder den 2. Sonntag im September noch den Volkstrauertag als Gedenktag für die Opfer des Faschismus genutzt, sondern an den eben genannten Gedenktagen der Ermordeten gedacht.
In der früheren DDR übernahm nach der Wende1990 der Interessenverband der Verfolgten des Naziregimes die Nachfolge des „Komitees der antifaschistischen Widerstandskämpfer“.
Das Vermögen des Verbandes (1.700.000,– Euro = ca. 3.300.000,– DM) wurde 1991 von der Treuhandanstalt beschlagnahmt.
1990 rief der neugegründete „Bund der Antifaschisten“ gemeinsam mit 30 Organisationen aus Ostberlin und Westberlin auf, am zweiten Sonntag im September einen „Tag der Erinnerung, Mahnung und Begegnung“ zu begehen. Er knüpft an die überparteilichen Kundgebungen in den frühen Nachkriegsjahren an.
Im Oktober 2002 vereinigt sich die westdeutsche VVN-BdA in Berlin mit dem ostdeutschen Interessenverband der Verfolgten des Naziregimes sowie dem Bund der Antifaschisten und zählt nach dem Zusammenschluss rund 9.000 Mitglieder, zu dem auch der ehemals eigenständige Westberliner Verband VVN-VdA gehört.
In den neuen Bundesländern werden die Gedenkveranstaltungen der VVN-BdA für die Opfer des Faschismus nach wie vor am zweiten Sonntag im September begangen, während die Termine der Gedenkfeiern im Westen, wie oben beschrieben, eher uneinheitlich und individuell geregelt sind.
War schon seit einigen Jahren bei den offiziellen Gedenkfeiern am Volkstrauertag (ich spreche von den offiziellen Gedenkfeiern, nicht von denen der VVN.) immer weniger vom ursprünglichen Inhalt des „Nie Wieder“ zu spüren, so machte die Beteiligung deutscher Soldaten an den völkerrechtswidrigen Kriegen angefangen im ehemaligen Jugoslawien bis Afghanistan es für die Regierenden erforderlich, auch der aktuellen Kriegstoten zu gedenken.
Am Volkstrauertag 2006 fand nach der Kranzniederlegung in der Neuen Wache in Berlin im Bundestag die zentrale Gedenkveranstaltung des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge (VDK) statt. Dabei sprach Bundespräsident Horst Köhler erstmals das „traditionelle Totengedenken in einer erweiterten Fassung“ und gedachte dabei der Bundeswehrsoldaten und anderer Einsatzkräfte, die im Ausland ums Leben gekommen sind.
In der erweiterten Formel für den Volkstrauertag werden nun „die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung und die Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren“ einbezogen.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel … (ich zitiere wörtlich aus Spiegel online vom 19.11.2006. Was ich jetzt vorlese ist keine Satire, es ist ernst gemeint, sowohl von Frau Merkel, als auch von spiegel-online.)
„Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte dieses Gedenken an Bundeswehr-Soldaten in ihrer Ansprache im Bundestag aufgenommen. Als „Vermächtnis der Kriegstoten“ bezeichnete Merkel, dass Deutschland sich nicht seiner gewachsenen Rolle entziehen dürfe. Das Land müsse vielmehr auch deshalb Verantwortung in der Welt übernehmen.
Merkel verwies auch mit Blick auf die deutsche Vergangenheit auf die Verantwortung der Deutschen, zu Frieden und Völkerverständigung in der Welt beizutragen. Die CDU-Politikerin versicherte im Gedenken an die Opfer der „nationalsozialistischen Vernichtungspolitik“, die Deutschen stünden zu ihrer „daraus erwachsenen besonderen, immer währenden historischen Verantwortung“. Mit dem Gedanken an das furchtbare Leid vergangener Tage gehe die Mahnung einher, sich „immer wieder für Frieden einzusetzen und entschieden gegen Unfreiheit, Krieg, Gewalt und Terror vorzugehen“, fügte die Kanzlerin hinzu.“ – soweit Spiegel Online vom 19.11.2006.
Jetzt wissen wir es also: Gerade wegen ihrer Nazi-Vergangenheit sind die Deutschen verpflichtet, überall in der Welt mitzumischen.
Diese Äußerungen von Köhler, Merkel und weiteren Berliner Spitzenpolitikern am Volkstrauertag 2006 lösten bei den Kreisvereinigungen der VVN in den alten Bundesländern, die bisher, wie wir in Bochum, eigene Gedenkveranstaltungen am Volkstrauertag durchgeführt haben, Überlegungen und Diskussionen aus, ob es unter den gegebenen Umständen noch Sinn hat, am Volkstrauertag als Gedenktag für die Opfer des Faschismus festzuhalten. Oder ob es vor diesem Hintergrund nicht sinnvoll wäre, den zweiten Sonntag im September als historischen Gedenktag wiederzubeleben.
Wir als Kreisvereinigung Bochum haben im letzten Jahr diesen, wie ich finde, notwendigen Schritt vollzogen.
Die Einweihung des neu gestalteten Ehrenrundplatzes und damit verbunden das Gedenken an die ermordeten Antifaschisten, fand am Sonntag, den 14. September 2008 statt, am zweiten Sonntag im September.
Zuletzt möchte ich noch auf unsere diesjährige Gedenkveranstaltung für die von den Nazis ermordeten Antifaschisten hinweisen.
Sie findet am Zweiten Sonntag im September, also am 13. September 2009 um 11.00 Uhr statt. Treffpunkt ist der Haupteingang des Friedhofes am Freigrafendamm.
Es spricht: Dr. Klaus Piel, der langjährige Vorsitzende der Humanitären Cuba-Hilfe.
Es wäre schön, wenn ihr am 13.9, zahlreich dort erscheinen würdet.
Verwendete Literatur:
Für die Kreisvereinigung Bochum zusammengefasst und aktualisiert von Siegfried Evers.
September 8th, 2009 at 00:32
[…] Die Geschichte des zweiten Sonntags im September […]
September 8th, 2009 at 00:37
[…] Die Geschichte des zweiten Sonntags im September […]
September 8th, 2009 at 03:23
[…] Mit der Geschichte des zweiten Sonntags im September wird sich Siegfried Evers beschäftigen. Er wir… […]
September 13th, 2009 at 21:05
Tag der Opfer des Faschismus…
In den ersten Nachkriegsjahren war der zweite Sonntag im September der erste Gedenktag für die Opfer des Faschismus in Deutschland, bis der Kalte Krieg die Erinnerung in Ost und West auseinander dividierte. Überlebende der Konzentrationslager und and…
September 14th, 2009 at 14:19
[…] Die Geschichte des zweiten Sonntags im September […]
September 13th, 2010 at 21:48
[…] Die Geschichte des zweiten Sonntags im September […]