Ein Militarist ist kein guter Werbeträger
Der Geschäftsmann und sein „Moltkemarkt“
An dieser Stelle dokumentiere ich eine Pressemitteilung des Bochumer Friedens-
plenums, in dem seit Jahren auch MitgliederInnen der VVN-BdA mitarbeiten:
„Die Stimmung auf dem freitäg-
lichen Delikatessenmarkt auf dem
Springerplatz scheint zu kippen.
Die Marktbetreiber um Herwig
Niggemann, die die Stellplätze
vermieten, sind deutlich um
Schadensbegrenzung bemüht.
Sie nennen ihren Markt jetzt nur noch “Moltkemarkt auf dem
Springerplatz” und lassen den
Namen Moltkemarkt nirgendwo
mehr auf dem Platz als solchen
erscheinen. Die HändlerInnen an
den Ständen sind offensichtlich
genervt. Seit Wochen stehen die
Aktiven des Friedensplenums mit Verbündeten aus anderen Gruppen jeden Freitag vor
dem Markt und informieren die BesucherInnen über Helmuth von Moltke, nach dem
Herwig Niggemann den Markt wieder benannt hat. Moltke war der führende Militarist
des deutschen Kaiserreichs vor 130 Jahren. Im Kaiserreich und im Faschismus wurde
Moltke geehrt und der heutige Springerplatz trug früher seinen Namen.
Nach dem 2. Weltkrieg setzte der Bochumer Rat ein Zeichen und benannte den Platz
nach Karl Springer, einem ermordeten Bochumer Widerstandskämpfer gegen den
Faschismus. Immer mehr BesucherInnen fragen nun die HändlerInnen, wieso sie diesen
Markt nach einem exponierten Militaristen benennen.
Dass Argument, dass Herwig Niggemann sich damit an seinen Großvater erinnern will,
der den damaligen Markt in guter Erinnerung hatte, ist da nicht sehr überzeugend.
Am Infostand des Friedensplenums erzählen ganz alte BochumerInnen, dass der Platz
auch schon Jahrzehnte vor der Umbenennung im Volksmund nicht mehr Moltkeplatz
hieß. Das sei ein Bauernmarkt gewesen, den alle Molkemarkt genannt hätten.
Niemand hätte mit dem Namen den obersten Kriegsherrn der Preußen verbunden,
sondern alle hätten an ein Milchprodukt gedacht.
Seit 10 Tagen sammelt das Friedensplenum
Unterschriften gegen den Namen “Moltkemarkt”.
Das war nicht geplant, aber immer mehr
MarktbesucherInnen hatten das angeregt,
bzw. regelrecht gefordert. Sie möchten deutlich
machen, dass sie das Marktkonzept gut und den
Namen aber unerträglich finden.
Die Unterschriftenaktion wendet sich allerdings
nicht an Herwig Niggemann. Er hat sehr
deutlich gemacht, dass ihn kein Protest
beeindrucken kann. Er hatte eine Geschäftsidee
und an der hält er fest.
Die Unterschriftenaktion richtet sich an die
Oberbürgermeisterin und den Rat der Stadt.
Denn noch peinlicher als Herwig Niggemann
sind die OB und die Bochumer SPD, die sich
nicht trauen, einen einflussreichen Bochumer
Geschäftsmann in seine Schranken zu weisen
und ihn aufzufordern, einen Ratsbeschluss zu
respektieren. Der Rat hat 1947 schließlich beschlossen, dass Moltke nicht länger
mit einem “Moltkemarkt” geehrt werden soll.
Bemerkenswert für den Zustand der SPD ist, dass Uralt-Sozialdemokraten wie die
Professoren Faulenbach oder Brackelmann nicht das Standing haben, gegen die
Kleinmütigkeit ihrer lokalen Sozialdemokratie aufzumucken, wenn ein
einflussreicher Geschäftsmann Geschichtsrevisionismus in Bochum betreibt.
Sie schweigen.
Die Unterschriften richten sich daher vor allem an die neuen jüngeren SPD-
RatsmitgliederInnen. Es bleibt abzuwarten, ob es da jemanden gibt, die oder
der sich in einer anderen Tradition sieht, als der sich in einigen Wochen zum
100. Mal jährenden Zustimmung der SPD zu den Kriegskrediten und damit
zum 1. Weltkrieg.“