Neofaschistische Netzwerke und Parteien in Europa
Referat von Wolfgang Dominik bei der VVN-BdA Solingen am 21.4.2009)
-
Einige Bemerkungen zum Faschismus-Begriff
Aufgabe einer historisch-kritischen Geschichtswissenschaft ist, die Frage nach der Kontinuität oder Diskontinuität geostrategischer, geoökonomischer, geopolitischer Interessen und Rahmenbedingungen zu stellen.
Allzu oft wird uns von den Agenturen der ideologischen Massenschutzimpfungen (Schule, Uni, Medien…..) ein enthistorisiertes, entökonomisiertes, entpolitisiertes Bild von aktuellen und historischen Ereignissen geboten. Oft genug herrscht eine personalisierende, dämonisierende, psychologisierende, fetischisierende, ontologisierende Darstellung vor, die uns ein Mosaikdenken oder einen Tunnelblick beibringen soll. Auf keinen Fall sollen wir die sozio-ökonomischen Hintergründe bzw. Klassenverhältnisse begreifen oder danach auch nur fragen.
Dass jede Gesellschaftsordnung ihre Grundprägung durch die vorherrschenden ökonomischen Verhältnisse und den damit zusammenhängenden politischen Entscheidungen, die ideologisch massenwirksam begründet sein müssen, auf ökonomisch-ideologisch-politischen historischen Voraussetzungen beruht und auch direkt manifest gewaltsame neben anonymen strukturellen eher verborgenen Gewaltformen annimmt, ist evident.
Faschismus (von fascio, pl.: fasces=Rutenbündel mit Beil, altrömisches Symbol der exekutiven Gewalt, Bezeichnung für die ersten Ortsgruppen der Faschisten in Italien, danach wissenschaftlicher Sammelbegriff für unten Genanntes) ist eine bürgerlich-kapitalistische Herrschaftsform, die angewandt wird, wenn sich aus Sicht der Herrschenden, der Privateigentümer an den entscheidenden Produktionsmitteln, für die kapitalistische Krise keine anderen Krisenlösungsstrategien mehr anzubieten scheinen. Faschismus zeichnet sich aus durch
-
Zerschlagung und /oder Liquidierung der Arbeiterbewegung und ihrer Kader und Organisationen,
-
durch terroristische Unterdrückung jeder (auch bürgerlich-demokratischer ) Opposition,
-
durch terroristisch durchgesetzte Interessen großkapitalistischer Interessen, z.B. Aufrüstung nach innen und außen, Hier müsste in Blick historisch und aktuell auf den MIK (militarisch-industrieller-politischer Komplex) geworfen werden.
-
Zerschlagung oder Umfunktionalisierung des bürgerlichen Parlamentarismus,
-
militaristische Durchdringung der gesamten Gesellschaft durch Befehl-Gehorsam, Führerprinzip, also innere und äußere Uniformierung, aktuell: Alle Städte haben inzwischen das ZMZ , das Zentrum für zivil-militärische Zusammenarbeit, in der ein Oberstleutnant i.d.R. mit dem Bürgermeister, dem Polizeipräsidenten (und wem noch?) im Fall eines Großschadensereignisses als CBRN-Beauftragter Stadtkommandant (?) wird: Chemisch, biologisch, radioaktiv, nuklear heißt CBRN. Wie und wo ist das in Mülheim geregelt?
-
imperialistische Pläne zur ökonomischen, politischen, militärischen und ideologischen Expansion, um a.) an möglichst billige Rohstoffe und b.) an möglichst billige Arbeitskräfte und c.) an möglichst profitable Absatzmärkte (auch für Waffen) zu kommen und d.) strategisch günstige Ausgangsbedingungen für potenzielle militärische Absicherung oder Eroberung von a-c zu erlangen.
-
durch die Bündelung verschiedener in Teilen der Bourgeoisie, und des Feudaladels längst vorhandenen Ideologien zu einem Strauß, der keinerlei feststehende faschistische Ideologie kennzeichnet, der aber kollektive Mentalitäten der nachfolgenden Art ausdrückt und radikalisiert:
-
-
Antimarxismus, Antikommunismus, Antisozialismus,
-
In Deutschland seit der Russischen Revolution 1917: Antibolschewismus, Russophobie
-
Chauvinismus, Ethnozentrismus, Ethnopluralismus (bei den neofaschistischen Gruppierungen), radikalisierter Nationalismus
-
Rassismus, Antisemitismus, 1. biologistische ideologische Konstruktion von Rassen, 2. kulturalistische ideologische Konstruktion von Rassen, 3. geschlechtsspezifische Ideologien von Höher- und Minderwertigkeit, 4. ideologische Konstruktion von Höher- und Minderwertigkeit auf Grund verminderter Möglichkeiten der Verwertung der Arbeitskraft: Krankheit…. Hier spricht Wilhelm Heitmeyer von einer „Ökonomisierung des Sozialen“, d.h. immer mehr werden Nützlichkeitskriterien zum Maßstab der Beurteilung von Menschen. Hartz IV-EmpfängerInnen, Arbeitslose, SozialhilfeempfängerInnen werden verstärkt von der Mitte der Gesellschaft ausgegrenzt und abgewertet, z.T. durch Massenmedien kriminalisiert und verfolgt. Sie gelten als schuldig an der eigenen Misere, belasten die „Gemeinschaft“, sind überflüssig, 5. ideologische Konstruktionen von Abartigkeit auf Grund von sexuellen Präferenzen, 6. ideologische Konstruktion von Höher- und Minderwertigkeit gegenüber sonstigen Abweichlern, Minderheiten, Sozialdarwinismus
-
Herrenmenschenideologien, Untermenschenideologien
-
Sozialdarwinismus, Rassen“hygiene“, Vernichtung unwerten Lebens,
-
Militarismus, (eine besondere Rolle spielen und spielten dabei die Kirchen als wichtige Instanz der psychologischen Kriegsführung. Gerade hat der katholische Bischof Walter Mixa zu Ostern 2009 Faschismus und Kommunismus gleichgesetzt und als Militärbischof der Bundeswehr seit 2000 den Soldaten bei ihrem „Handwerk“ mal wieder ein gutes Gewissen gemacht und wieder mal Abtreibung mit dem Holocaust verglichen . Ständige Kampfbereitschaft gegen den Islam/Islamismus / überhaupt alles Fremde gehört immer dazu)
-
Imperialismus, neue Weltordnung unter entscheidender hegemonialer Einflussnahme Deutschlands, 1914 gescheitert, 1939 schon wieder gescheitert, bis 1990 international zwar imperialistisch-ökonomisch ein Riese, militärisch noch ein Zwerg, 2008 Verteidigung Deutschland am Hindukusch, am Kongo und in weiteren ca. 12 Kriegsgebieten.
-
Antipazifismus,
-
Antiparlamentarismus,
-
Antidemokratische Ideologien,
-
Volksgemeinschaftsideologien,
-
In Deutschland nach 1918 und dann wieder nach 1945: Revanchismus,
-
Obrigkeitslehren,
-
Antiintellektualismus,
-
Spießertum,
-
Romantizismus: Glorifizierung der guten, alten Zeit,
-
Law and order – Mentalitäten,
-
Männlichkeits- und Mütterlichkeitsideologien.
-
Nur die faschistische Bewegung versprach, mit den o.g. Ideologien und politisch-ökonomisch-militärischen Zielen auch Ernst zu machen. Und sie machte Ernst!
Faschismus ist der wissenschaftliche Begriff für die genannten Charakteristika. Selbstverständlich werden unterschiedliche Ideologieelemente auf Grund der sozio-ökonomischen Situation der Rezipienten unterschiedlich intensiv verfolgt. Es gibt – einfach ausgedrückt – einen Strauß von Angeboten an Ideologieelemente, aus denen sich jede(r) herausnehmen kann, was ihm in seiner Situation nützlich zu sein scheint. Einen sozusagen 100%igen Faschisten gibt es kaum, weil jede(r) an bestimmten Elementen auch Abstriche vornehmen kann. Jedenfalls konnten sich die Nazi-Verbrecher nach 1945 z.T. von bestimmten Ideologieelementen oder auch Verbrechen distanzieren. Nicht allen Verbrechen haben sie zugestimmt! In Italien werden z.T. andere Ideologieelemente betont als im faschistischen Ungarn (Horty-Regime 1920), Bulgarien ((Zankov-Diktatur 1923), Spanien, Deutschland, Portugal oder später Griechenland oder Chile. Ein deutscher Großkapitalist wird z.B. einen anderen Rassismus. Antisemitismus, Sozialdarwinismus oder einen anderen Anti-Sozialismus „pflegen“ als der Bäcker an der Ecke oder der arbeitslose Arbeiter in ländlichen Gebieten.
Das Gesagte gilt selbstverständlich auch für großkapitalistische Kreise. Ein historisches Beispiel: Ob die „Ruhrlade“, ein geheimer Zusammenschluss von verschiedenen Ruhrgebietsindustriellen am Ende der Weimarer Republik, unterstützte zeitweise die NSDAP und Hitler, durchweg als faschistisch zu bezeichnen ist, ist schon deswegen fraglich, weil zumindest 2 der Großindustriellen, Silverberg und Reusch, „Juden im Stammbaum“ hatten.
Das Klasseninteresse, Antisozialismus, Antimarxismus, Imperialismus, also bessere Ausbeutbarkeit der Lohnabhängigen und „neue Weltordnung“ war allemal wichtiger als z.B. der Antisemitismus. Religiöse Überzeugungen oder rassistische Überzeugungen traten hinter das kapitalistische Klasseninteresse zurück je nach dem. Wenn die kapitalistischen „Geschäfte“ reibungslos laufen, ist es egal, ob Katholik, Protestant, Jude oder Muslim die kapitalistischen Partner sind. Wenn die Geschäfte stimmen, interessiert jeden kapitalistische Staat nicht, wie z.B. die saudi-arabischen Wahhabiten oder die Regierungen in Afghanistan und Pakistan, die offiziell die Scharia als „Rechtsbuch“ haben, etwa mit den Menschenrechten umgeht. Jüngst wurde ja bekannt, dass von denen, die wir ja zu befreien beanspruchen von der Frauenunterdrückung durch die Taliban, die Vergewaltigung in der Ehe als gesetzlich legal erklärt wurde.
Wenn Parteien „ganz zivil“, ohne irgendwelches Rabaukentum oder Straßenkämpfer (historisch die SA oder heute „Freie Kameradschaften“), das kapitalistische Klasseninteresse vertreten, wenn keinerlei Gefahr von einer eingebildeten oder tatsächlich drohenden sozialistische Entwicklung „droht“, ist es auf jeden Fall für die Sicherung von Massenloyalität besser, liberal-demokratische politische Herrschaft auszuüben.
Wenn immer wieder gesagt wird, dass der italienische Faschismus sich doch vom deutschen Nationalsozialismus oder Drittem Reich unterscheidet, dann muss
-
darauf hingewiesen werden, dass Nationalsozialismus und Drittes Reich faschistische Propagandabegriffe in der Zeit der prä-, faschistischen und postfaschistischen Zeit waren, die aus wohlverstandenen Gründen unkritisch in die junge und alte Bundesrepublik von denen transportiert wurden, die zumeist begeisterte Mitmacher waren und
-
muss man bedenken, dass in den ökonomischen Strukturen, in den ökonomischen und politischen Zielen und in den Praktiken gegenüber Dissidenten, Abweichlern, Widerständlern überwiegend Identität herrschte. Das ging soweit, dass der Führertitel „Duce“ von Hitler zusammen mit dem „römischen Gruß“ sehr früh übernommen wurde, dass weiterhin z.B. die SA so hieß, weil auch die Squadre d`Azione Sturmabteilung mit der Abkürzung SA hieß, dass in den Schriften des deutschen Großkapitals der italienische Faschismus als Vorbild für den deutschen gepriesen wurde. Als die Faschisten in Deutschland an die Macht kamen, konnten sie auf ein Jahrzehnt faschistischer Diktatur in Italien zurückgreifen.
In der alten BRD wurde zwar offiziell kein direkter Antisemitismus, eher ein Philosemitismus gepflegt, die sonstigen Ideologien überlebten mehr oder weniger ausgeprägt. Gerade heute lassen sich diese Ideologien auch in jüngsten Untersuchungen mit zunehmenden politisch-ökonomischen Krisen, Armut, Sozialraub, Militarisierung der Gesellschaft auch im Inneren, in der Mitte der Gesellschaft immer ausgeprägter finden. Aber selbstverständlich blieben die lange eingeübten antisemitischen Ideologieelemente erhalten und äußerten und äußern sich in häufigen Straftaten.
Exkurs
Ein Extra-Thema wäre die europaweite Islamophobie, die nicht erst seit dem 11.9.2001 in der sich selbst so nennenden „zivilisierten Welt“ herrscht. Jürgen Todenhöfer, einst eine Art antiislamischer Kreuzritter hat in den letzten Jahren ein paar Bücher zum Thema geschrieben, die man als populärwissenschaftliche Bestseller ernst nehmen muss. Das letzte: „Warum tötest du, Zaid?“, München 2008) enthält eine radikale Kritik am kapitalistischen „Westen“. „Der Westen ist viel gewalttätiger als die muslimische Welt. Über vier Millionen arabische Zivilisten wurden seit Beginn der Kolonialisierung getötet.!“ (S. 163) Muslime wurden grundsätzlich nicht als Menschen, sondern als „Hyänen, Schakale und räudige Füchse gejagt.“ (163).
Allein im Irak sterben seit dem 1. us-amerikanischen-britischen Überfall monatlich 6000 Menschen, bisher zusammen 1,2 Millionen. Mehr noch sind verstümmelt, körperlich schwerst geschädigt, psychisch traumatisiert (vgl. 167). Hochgerechnet hat es unter Saddam Hussein in 23 Jahren vielleicht 290 000 Tote gegeben. 4. 500. 000 Menschen (von ca. 25 Millionen Gesamtbevölkerung) sind nach den US-Kriegen gegen den Irak gegenwärtig auf der Flucht, mindestens 100 Bombardements, Razzien u.ä. muss die Bevölkerung täglich durch die USA erfahren. Die Politik des Westens bringt die Terroristen hervor, die er nachher wieder bekämpft. Aber – so Todenhöfer – im Irak gibt es gar keine Terroristen zu bekämpfen. Die USA bekämpft terroristisch die Bevölkerung, Verzweifelte wie Zaid wehren sich und werden praktisch durch Notwehr zu Terroristen.
„Dem Westen ging es im Nahen und Mittleren Osten nie um Menschenrechte und Demokratie. Er kämpfte und kämpft ums Öl.“ (171).
„Die mediale Produktion von Bösewichten ist eine Spezialität westlicher Außenpolitik.“ (170) (Eine böse Anmerkung: Todenhöfer muss wissen wovon er redet, ist er doch seit Jahren stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Burda-Konzerns, der bisher durch aufklärerische Publikationen nicht bekannt wurde.)
„Die meisten Medien nahmen auch das, was er (Todenhöfer – W.D.) unter erheblichen Gefahren zusammentrug, bisher kaum wahr.“ (Joachim Guilliard, Wider das Informationsmonopol des Pentagon, in: Ossietzky 7/2008, S. 247ff)
„Warum tötest du, George W.?“, ist Todenhöfers fett gedruckte letzte Frage. Kein Führer der westlichen Welt hat das den USA-Präsidenten jemals gefragt.
Eigentlich müssten auch Details aus dem Buch
Achim Wohlgethan, Endstation Kabul, Als deutscher Soldat in Afghanistan – ein Insiderbericht, 3. Aufl. Berlin 2008 berichtet werden. Aber dieses Buch ist 1. mehr eine Art Landserbericht, 2. müsste das meiste interpretiert werden. Wohlgethan erzählt von einer Menge ungeheurer Skandale, wobei er als Soldat der Bundeswehr vieles zwar immanent kritisiert, grundsätzlich aber seine militärische Arbeit in Afghanistan nicht in Frage stellt (immerhin weist er darauf hin, dass 93 Euro täglich ( Gefahrenzulage) steuerfrei nach 6 Monaten „ein stolzes Sümmchen“ geben (S. 12), bei seinem Lebenslauf (S. 277) auch durchaus verständlich. Da 80 % der deutschen SoldatInnen aus ihren befestigten Bundeswehrlagern in Afghanistan gar nicht rauskommen……..
Wohlgethan sieht z.B. „abgestumpft“ zu, wenn ISAF (International Security Assistance Forces !!) – Soldaten Äpfel in potenziell minenverseuchte Felder werfen, um hungernde Kinder zu veranlassen, hinterherzulaufen, um zu testen, ob im Feld Minen liegen. Er kann das auch gut entschuldigen, hatten sich doch die KollgInnen „aus nachvollziehbaren Gründen entschieden, dass niemand aus ihrer Mitte wegen explodierender Minen zu Tode kommen sollte und dass die Apfel-Methode dafür gut geeigenet war.“(78f)
Zu den Landser-Geschichten gehört aber auch z.B. ein allgemeines Besäufnis im Camp der Deutschen, nach dem jeder das Lager ohne Gegenwehr hätte einnehmen können (46f).
Wenn Gefechtsfeldtouristen aus Deutschland einfallen (PolitikerInnen, hohe Offiziere), wird eine monkey-show veranstaltet.(50). Eine heile Welt wird inszeniert, um schöne Bilder fürs Fernsehen zu liefern. Auch die Zusammenarbeit oder Überwachung mit und von ISAF und allen möglichen Geheimdiensten einschließlich BND und illegalerweise bis 2006 auch MAD (dann wurde das MAD-Gesetz schnell geändert) wird erzählt (z.B. S. 104) Dass ISAF und OEF (Operation Enduring Freedom) praktisch zusammen“arbeiten“, liegt zumindest sehr nahe.
-
Einige Bemerkungen zum Neofaschismus
Aktuell lässt sich (s.o. vor Exkurs) am Kreuzzug gegen den Islam anknüpfen: Im September 2008 sollte auf Einladung von Pro Köln in Köln der neofaschistische Kongress gegen den Islam stattfinden. TeilnehmerInnen aus halb Europa hatten zunächst zugesagt. Das Netzwerk der Veranstalter, die z.T. enge Kontakte auch zur NPD haben, reicht über alle möglichen neofaschistischen oder faschistoiden Parteien und Gruppen. Dass der Kongress wohl nicht zustande kam, ist der schon Wochen vorher einsetzenden antifaschistischen Kampagne zu verdanken. Ein ganz breites Bündnis, bei dem mir persönlich nicht ganz wohl ist, stellte sich Pro Köln und der Konferenz entgegen.
Aber auch hier ist zumindest für die BRD auch ein Rückblick vonnöten.
In der alten BRD hat es nach 1945 erst allmählich, ab 1949 immer schneller einen Restaurationsprozess gegeben. Strukturell wurde das kapitalistische Wirtschaftssystem restauriert. Mit der ökonomischen Restauration war selbstverständlich die personelle, ideologische und militärische Restauration verbunden. Der alte böse Feind war immer noch der gleiche, nur diesmal hatte er – aus der BRD-Perspektive – jetzt auch noch das halbe Deutschland besetzt. An unserer Seite stand nun aber die NATO, mit der USA und ihrem globalen Missionarismus. Christlich-kapitalistischer Universalismus war die Botschaft.
Der CDU /CSU gelang nach 1945 eine bewundernswürdige Leistung: Unter ihrem Dach konnten ehemalige NSDAP-Größen wieder zu Amt und Würden kommen, von den 14.000.000 NSDAP-Mitgliedern entdeckten viele nach 1945, dass sie doch recht eigentlich Christdemokraten waren ( Helmut Kohl, Interview in RN vom 31.8.1978: 10 Millionen NSDAP – Wähler suchten bei der CDU eine neue Heimat (zumindest als Wähler). Auch die Mitglieder der DNVP, Hitlers Koalitionspartner 1933, und der DVP und z.T. DDP wurden, wenn sie wollten, in die Großfamilie CDU aufgenommen. Dazu das Zentrum (das Spektrum reichte von katholischen Fundamentalisten bis zu Vertretern der christlichen Soziallehre mit sozialistischen Tendenzen) und viele, die sich versprachen, in der Adenauer-Monokratie Karriere machen zu können.
Immer wieder sollte aber auch daran erinnert werden, dass es einmal im Ahlener Programm der CDU von 1947 hieß: „Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund auf erfolgen. Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Wirtschafts- und Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein. Durch eine gemeinwirtschaftliche Ordnung soll das deutsche Volk eine Wirtschafts- und Sozialverfassung erhalten, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht.“
Sehr schnell aber waren die kapitalistischen Grundprinzipien wieder in Kraft gesetzt worden:
-
Ziel des wirtschaftlichen Handelns ist die ständige Kapitalakkumulation, mit
-
der Methode der Profitmaximierung,
-
der ständigen Kapitalexpansion und
-
Kapitalrentabilität.
Erst als sich die CDU spätestens 1966 in der Großen Koalition auf die SPD und tendenziell damit auf die Anerkennung der Nachkriegsgrenzen zu bewegte, aus Sicht von Faschisten und Neofaschisten also das Dogma des Antikommunismus und Antisowjetismus und hinsichtsichtlich der SPD den Antisozialismus milderte, begann die NPD, entstanden 1964 aus dem Zusammenschluss verschiedener altfaschistischer und neofaschistischer Gruppen, ihren Aufstieg. Zunächst kam der Großteil ihrer Funktionäre aus der Deutschen Reichspartei (DRP). Mit Stimmenanteilen bis zu 10 % zog sie in 7 Landtage ein!
Selbstverständlich hätte die Bundesregierung, der Bundestag oder der Bundesrat einen Verbotsantrag beim Verfassungsgericht einreichen können. Aber war eigentlich völlig ausgeschlossen, dass sie von rechts eventuell als Koalitionspartner gegen links hätte gebraucht werden können? Aber alle rechten Parteien wirkten vor dem Parteienzug wie Lokomotiven, die den Zug nach rechts zogen. Franz-Josef Strauß, schließlich 1980 Kanzlerkandidat der skrupellosesten Kapitalfraktionen, war auch für NeofaschistInnen Erfolg versprechender als die Wahl der NPD.
Strauß scheiterte – jedenfalls bei der Wahl 1980.
Weil die CDU/CSU in den achtziger Jahren nur teilweise das Rechtsaußen-Programm zu ihrem eigenen machen konnte und die ökonomische Krise sowie die Zahl der Asylbewerber z.B. immer mehr wuchs, kamen auch nach 1990/1 DVU, REPs, NPD zu erstaunlichen WählerInnenzahlen.
NeofaschistInnen kommen heute nicht unbedingt in Springerstiefeln und glatzköpfig daher. Viele tragen inzwischen den Nadelstreifenanzug oder sind die netten Nachbarn (WAZ 13.8.: Die netten Neonazistinnen). Bezogen auf Frauen und Neofaschismus wurden immer schon ganz besondere Affinitäten festgestellt, heute können es auch die nette Juristin oder Lehrerin sein, stellt die Sozialwissenschaftlerin Köttig fest.
-
Demokratie, nein danke oder Wir Demokratiefeinde
Das sind die Schlagzeilen der WAZ vom 8.7.2008 und der FR vom 19.6.2008.
Referiert werden in diesen Artikeln neuere Untersuchungen zu politischen Einstellungen der Deutschen. Wenn wir einen Blick auf die oben genannten Ideologieelemente des faschistischen „Straußes“ von Mentalitäten werfen, die übrigens – ich kann das gar nicht oft genug betonen! – nicht von den deutschen Faschisten stammen, sondern von denen nur gebündelt wurden, stellen wir in den Untersuchungen folgendes fest:
Wir hatten eine Schönwetterdemokratie in der alten BRD. Wirtschaftswachstum, von denen die Lohnabhänigen etwas abbekamen, und weitgehende Vollbeschäftigung machte den Glauben an Demokratie aus. Oskar Negt hat einmal gesagt, dass ab 1990/91 die Fesseln, die den Kapitalismus in der alten BRD (und anderen europäischen Ländern und darüber hinaus) etwas disziplinierten, gefallen sind. Alle Beißhemmungen sind beseitigt. Seit dem gelten auch in der BRD die Wolfsgesetze des Kapitals uneingeschränkt.
4. Neofaschismus und Neoliberalismus – zwei Seiten einer Medaille
Unter dem Terminus Neoliberalismus versteht man, dass die gesamte Gesellschaft nach dem Modell von Markt und Leistungskonkurrenz umzugestalten ist. Der Wettbewerb findet zwischen den Menschen uneingeschränkt statt. Zunehmend spricht man allein in Deutschland von ca. 7 Millionen Mobbing-Opfern. Ungefähr genauso viele Menschen sind ohne Arbeit und verzweifeln und quälen sich mit Hartz IV rum. Der Kampf jeder gegen jeden betrifft die Menschen, die Betriebe, Unternehmen, Regionen, Nationen, kurz: Wirtschaftsstandorte kämpfen gegeneinander. Der Staat als ideeller Gesamtkapitalist mit dem Kanzler oder der Kanzlerin als oberster Lobbyist des deutschen Kapitals dealt mit Arbeitskräften. Und das weltweit – Globalisierung. Menschen werden ausschließlich als profitbringende, verwertbare Waren angesehen, als homines oeconomici. Nicht umsonst sprechen auch Medien und PolitikerInnen von der „Generation der Überflüssigen“, wenn es um Ältere, wenig Ausgebildete, Kranke, Menschen mit Migrationshintergrund geht.
Jede(r) hat als Ich-AG sich selbst bestmöglich zu vermarkten, seine Haut im wahrsten Sinne des Wortes so teuer wie möglich zu verkaufen oder von staatlichen Almosen zu leben. Mit der Auflösung solidarischer Beziehungen z.B. durch gemeinsame Gewerkschaftsangehörigkeit, der zunehmenden Atomisierung, Isolierung, Verinselung wird ein interindividueller Wettbewerb zum Normalfall. Wir spielen Monopoly im Dschungel des Kapitalismus – jeder sein eigener Monopolist. Die Deregulierung (euphemistisch Liberalisierung) bringt auch eine Deregulierung der Köpfe mit sich. Privatisierung zerstört Solidarität – bedeutet „Geiz ist geil“, also ich –ich – ich.
Die Antworten auf die zunehmenden Krisen führen – wie gesagt – nicht zu solidarischem Handeln, sondern zum Kampf um die letzten Ressourcen oder zur Rache für tatsächliche oder scheinbare Unterprivilegierung oder allgemein zu kurz gekommen zu sein. Ein bekannter Sozialwissenschaftler hat das schon vor 160 Jahren so formuliert: Die Bourgeoisie hat „kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch übrig gelassen als das nackte Interesse (an der Verwertbarkeit der Arbeitskraft), als die gefühllose `bare Zahlung`.“
Solche Krisen machen sich (auch die europäische) faschistoiden und neofaschistischen Bewegungen zu eigen, kopieren linke Terminologie, linkes Outfit (Che Guevara auf T-Shirts), linke „Sprüche“ und versuchen auch so Krisengewinnler zu werden. Leider wandern Massen in vielen Ländern Europas nach rechts. Dazu kommen die zahlreichen jungen Menschen, die auf der Suche nach Familienersatz bei der extremen Rechten finden, was ihnen ein Stück scheinbarer Identität verleiht. Dieser Prozess findet in ganz Europa statt.
Bei Europäischen Wahlen muss man/frau ja nicht gleich nach ganz Rechtsaußen gehen, weil vorher die bürgerlich konservativen Parteien und auch die Sozialdemokraten z.B. in Deutschland sich rechte Parolen und Forderungen zu eigenen machen, um ja keine Wähler nach rechts zu verlieren. Die faschistoiden und faschistischen Parteien wirken als Lokomotiven, die den Parteienzug hinter sich her nach rechts ziehen. (Ein Paradebeispiel war die gesamte Entwicklung in der „Asyl-Frage“. Auch die SPD hat dann ab 1991 Gesetzen zugestimmt, die als neofaschistische Parolen wenige Jahre vorher auch noch so bezeichnet wurden!
Das gilt natürlich für ganz Europa!
Viele haben Dokumentation gesehen oder gelesen, die zeigten, dass in dem NATO-Mitglied Spanien bis zum Nato-Neumitglied Albanien Menschen aus rassistischen Gründen gejagt werden.
Oft – muss vermutet werden – findet eine Ethnisierung des Sozialen statt. Offiziell wird Ethnopluralismus gepredigt, klingt zunächst positiv, ist aber zumeist von Rechten ethnozentrisch, rassistisch gemeint (Öko-Faschismus!). Wie in der Natur jedes Tier seinen Biotop hat…..
Die Normalisierung von Rassismus, Ausgrenzung und anderen der oben genannten Ideologeme des Faschismus ist in ganz Europa allmählich durchgesetzt (wie auch die Militarisierung der Außenpolitik). Für Heitmeyer und andere Sozialwissenschaftler ist der Zusammenhang solcher Ideologieentwicklungen mit sozialen Desintegrationserscheinungen offensicht.
Als Lokomotive für Westeuropa kann eine kleine wiederum faschistische Partei wie die AN (Alleanza Nazionale) dienen, die mit ihrem Anführer Gianfranco 1994 und 2001 mit Silvio Berlusconi, der in der Literatur ernsthaft nicht als überzeugter Demokrat bezeichnet wird, sondern als ein Monokrat übelster antisozialistischer und damit antidemokratischer Sorte, eine Regierungskoalition einging. CDU/CSU und die FAZ jubelten und priesen Italien als Vorbild und hofften auf das Ende der sozialdemokratischen Regierungen in der EU. Kohl bereitete Berlusconi den ersten Staatsbesuch 1994 und feierte den historischen Augenblick in Italien.
„Noch deutlicher wurde der Chefredakteur von `Capital`, Johannes Groß, der schrieb, angesichts `wachsender Funtionsschwäche der traditionellen Demokratien bleibt der Faschismus eine der Möglichkeiten der Politik.“ (vg. Gerhard Feldbauer, Die verkannte Gefahr, in: Mitteilungen der KPF….4/2009 S. 26).
Wenn die Parteien der extremen Rechten gegen den Raubtierkapitalismus, gegen die (jüdisch geführten) internationalen Konzerne sich empören, treffen sie auf eine Wahrnehmung, die in großen Teilen der Bevölkerung verbreitet ist und in der Mitte der Gesellschaft von Frau Merkel und dem Papst geteilt wird.
(Ein eigenes Referat müsste sich hier den antikapitalistischen Forderungen der Rechten beschäftigen und wie wir damit umzugehen haben – vgl. Sevim Dagdelen, Globalisierungskritik von rechts. Neofaschismus und die soziale Frage, in: Rundbrief 1/09
Der AG Rechtsextremismus…..s.o.)
Klaus Ahlheim nennt „die Fremdenfeinde eine große Volkspartei“. Ausländerfeindliche Ressentiments, Antisemitismus, MigratInnen diffamierende Vorurteile finden sich inzwischen in allen gesellschaftlichen Gruppen – das gilt unter dem jegliche Form von Solidarität endgültig vernichtenden Neoliberalismus weltweit. Mit wachsender Armut oder sich verschärfender Verteilungskämpfe wird das demokratische System z.B. in Deutschland immer mehr einer alarmierenden Geringschätzung ausgesetzt. Ein Drittel der Westdeutschen und über die Hälfte der Ostdeutschen glaubt nicht, dass die Demokratie die ökonomischen Probleme lösen kann. Nach einer Untersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung sehnten sich 26 % der Befragten nach einer Volksgemeinschaft, 15 % halten die Deutschen allen anderen Völkern als „von Natur aus überlegen“, über 15 % wollen wieder einen Führer haben, der mit starker Hand regiert. In einer Studie der Uni Leipzig heißt es: „Rechtsextremismus gedeiht auf dem Boden von Angst- und Ausgrenzungserfahrungen.“ Die Befragten haben Angst, ausgegrenzt zu werden, arbeitslos zu werden, und verschieben, projizieren diese Angst auf schon Arbeitslose, die als Asoziale, Drückeberger o.ä. disqualifiziert werden. Das Wort vom Sozialschmarotzer in der sozialen Hängematte stammt ja von einem früheren Bundeskanzler. In der neuen Heitmeyer – Studie kann frau/man nachlesen, dass 60 % der deutschen Eingeborenen meinen, dass es zu viele AusländerInnen im Land gibt, 35 % der Befragten bejahen „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“ (gehört ja sowieso zum Bestandteil des staatlichen Rassismus). Genauso viele oder mehr äußern deutliche Aggressionen gegen Muslime und Obdachlose. Bis zu 45 % stimmen dem Satz zu, dass AusländerInnen nur hierher kommen um den Sozialstaat auszunutzen. 26 % meinen, dass eine starke Partei her muss, die die Volksgemeinschaft der Deutschen verkörpert.
Herbert Schui u.a. haben schon 1997 ein Buch geschrieben: Wollt ihr den totalen Markt? In dem Buch wird auf die Zusammenhänge von Neoliberalismus und Neofaschismus vielfach hingewiesen (H. Schui u.a., Wollt ihr den totalen Markt?, München 1997). „Beggar your neighbour ist die neoliberale Devise. Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.
Nur mal eine Zahl für NRW: Ca. 100 000 Jugendliche und junge Menschen zwischen 16 und 24 sind arbeitslos, 10 % davon landen über kurz oder lang bei faschistoiden und faschistischen Ideologieelemente (s.o), von diesen 10 000 landen wieder ungefähr 10% , also 1000, in neofaschistischen Kameradschaften, bei neofaschistischen Parteien..
Jetzt rächt sich, dass der deutsche Faschismus immer noch nicht adäquat analysiert worden ist. Die Forscher sprechen, eigentlich wie schon die Mitscherlichs 1964, von dem „Wirtschaftswunder“ als einer narzisstischen Plombe, die auf das emotionale Loch gesetzt wurde, das durch das Scheitern des Faschismus gerissen wurde. Eine Plombe, „die in der Zeit gestiegener ökonomischer Unsicherheiten seit den 1990er Jahren ihren Halt verloren hat und den Blick freigibt auf antidemokratische Einstellungen nah an der Wurzel!
5. Der Radikalismus- und Totalitarismus – und Extremismus-Begriff und warum Antifaschisten sie vermeiden sollten
Radikalismus ist zunächst einmal etwas Positives. Jeder möchte, dass z.B. Krankheiten an der Wurzel therapiert werden und nicht an den Schmerz-Erscheinungen. Radix heißt auch schlicht „die Wurzel“. Der Begriff Rechtsradikalismus ist eine bizarre Verdrehung von politischen und sozialen Traditionen. Auch den Begriff Linksradikalismus gibt es eigentlich nicht, da zumindest antikapitalistische Linke, die vom (pluralen!!) Marxismus etwas begriffen haben, den kapitalistischen Verhältnissen an die Wurzel gehen müssen. Anders sieht es aus mit den Begriffen „Extreme Rechte“ und „radikale Linke“, wenn man damit assoziiert, dass es unterschiedliche rechte bzw. linke Ansätze zum politischen Handeln gibt.
Der Extremismus-Begriff ist ein Propaganda-Begriff, ein Kampfinstrument aus der Sprachregelung der „politischen Mitte“ und dann der Geheimdienste. Jedenfalls in der BRD wird er seit 1949 so gebraucht, um in einem Atemzug Links- und ganz nebenbei auch den Rechtsextremismus zu verurteilen.
Historische Wurzeln gehen hier ins 19. Jahrhundert zurück: Die aufstrebende und allmählich in Europa die politische Macht neben der meist schon vorhandenen ökonomischen Herrschaft übernehmende Bourgeoisie empfand sich immer von rechts und links bedroht. Das Bürgertum befand sich in der Mitte, rechts stand die alte Feudalaristokratie, die ihren Kampf um die Macht (und Herrschaft) nicht so ohne weiteres verlieren wollte, links das aufstrebende Proletariat, das zunehmend lauter nach politischer und ökonomischer Mitbestimmung verlangte oder gar die Demokratie ausdehnen wollte auf die Volksherrschaft über die Produktionsmittel, also die sozialistische Revolution propagierte. Alle, auch das Kleinbürgertum der kleinen Eigentümer , fühlten sich bedroht von links (noch heute kann man ja Wahlkämpfe machen, in dem man 1. Privateigentum an Produktionsmitteln und 2. persönliches Eigentum an Gebrauchsgütern schlicht miteinander vermengt und im Falle 1 jede Tante Emma mit ihrem Laden sich zu den Besitzenden zählt, die Angst vor Enteignung hat und dann die Partei der eigenen Enteigner wählt (Emma Klein, Lied von Hannes Wader). Im Fall 2: Arbeiter, die Sozis wollen dir deine Villa im Tessin wegnehmen! Freiheit oder Sozialismus! – Klaus Staeck)).
Bis heute wird der politische Raum der Mitte vom Bürgertum und seinen bürgerlichen Parteien beansprucht und jede(r), der daran rührt, wird zum Verfassungsfeind erklärt – denn in der Interpretation der Bourgeoisie scheint trotz anderer GG-Art. und Art. der Landesverfassungen das Privateigentum an Produktionsmitteln Verfassungsrang zu haben.
Der liberale Verfassungsstaat, der den Kapitalismus also als irgendwie von Gott oder von der Natur gegeben sanktioniert, wird zur Norm. Wirklich bedroht fühlt sich das Bürgertum von allem, was es unter links versteht. Die Vergangenheit auch in Europa hat gezeigt, dass von rechts zwar die Abschaffung der Demokratie, aber keineswegs die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln droht, ganz im Gegenteil!! Alle faschistischen Regierungen haben sich als Formen bürgerlicher Herrschaft in Krisensituation oder um vor links zu schützen als ganz hervorragend geeignet erwiesen, werden doch Arbeiterparteien und – organisationen als erstes mal zerschlagen, verboten, ihre Führer vom faschistischen Deutschland bis Spanien und Chile liquidiert.
Zwar ist es immer einfacher, durch z.B. vierjährige Akklamationsveranstaltungen, genannt Wahlen, sich die bürgerliche Macht bestätigen zu lassen. Wenn Wahlen wirklich etwas ändern würden, wären sie schon längst verboten.
Selbstverständlich müssen Linke die parlamentarischen Möglichkeiten voll ausnutzen, dürfen nur ein sozialistisches Ziel nicht aus den Augen verlieren.
Hier müsste jetzt ein Kapitel hin über
Medien und ihre Funktionen bei der Stabilisierung kapitalistisch-imperialistischer Macht und Herrschaft.
Sieht man sich allein für Deutschland an, wer führend in der Propagierung des Extremismus-Begriffs ist, sollte man ihn erst recht vermeiden! Hier stößt man immer auf zwei Namen, die bei allen konservativen und rechten Parteien einen guten Ruf genießen: Eckart Jesse und Uwe Backes. Ganz in Kürze deren „Argumentationsmuster“: Der Faschismus-Begriff ist eigentlich ein linker Begriff. Antifaschistisch ist also eine linke Angelegenheit. Das GG ist nicht antifaschistisch, sondern antitotalitär. Der Totalitarismus-Begriff wendete sich zwar zunächst gegen den Faschismus, aber in den 20er Jahren des 20.Jh. wurde er auch schon gegen die junge (linke) Sowjetunion gebraucht. Folglich wurde die Weimarer Republik von links und rechts bedroht. Manche Epigonen der beiden Totalitarismus-Extremismus-Propagandisten würden Aktionseineinheit gegen die NPD mit der VVN-BdA ablehnen, weil diese selbst extremistisch, nämlich links ist. Nicht umsonst tauchte die VVN auch genau so in zahlreichen Verfassungsschutzberichten auf. Jesse machte jüngst von sich reden, weil Carmen Everts, die SPD-LT-Abg., die die Wahl von Andrea Ypsilanti zur MP verhinderte, stolz verkündete, bei Jesse promoviert zu haben: Thema: Politischer Extremismus. Theorie und Analyse am Beispiel der REP und PDS. Ergebnis: REP und PDS sind auf Grund „struktureller Analogien totalitärer Herrschaft linker und rechter Provenienz „ zuzurechen und unter dem Verdikt extremistisch gleich gefährlich. (vgl. Der rechte Rand, Nr. 116, Jan./Febr. 2009, S. 16ff und einige Beiträge aus Rundbrief 4/08 der AG Rechtsextremismus/Antifaschismus beim Bundesvorstand der Partei Die Linke). Gerade hat in seiner Osterpredigt 2009 der katholische Militärbischof der Bundeswehr und Bischof von Augsburg Walter Mixa Kommunismus und Faschismus wieder einmal gleichgesetzt. Dass für ihn Muslime auch ein ständiges Bekämpfungsobjekt darstellen, ist klar.
Entscheidend ist, dass Jesse und Backhaus den gesamten Diskurs auch in den Medien und in Parteien diktieren – selbst Die Linke hat ein Büchlein über Rechtsextremismus gemacht. Der Totalitarismus-Begriff beherrscht auch seit den 50er Jahren die Schulgeschichtsbücher. Mit Totalitarismus im Unterschied zu Extremismus werden vergangene oder gegenwärtige reale politische Regime bezeichnet, während Extremismus auf Bewegungen und Parteien angewandt wird, die in Opposition zum bürgerlich-liberalen Verfassungsstaat stehen. Faschismus und Sozialismus werden als „wesensgleich“ unter dem Totalitarismus-Begriff subsumiert, während unter dem Begriff Extremismus z.B. aus Sicht der bürgerlichen Mitte NPD und DVU (REP sind seit 2 Jahren raus aus dem Verfassungsschutzbericht, weil die jetzt wohl zur bürgerlichen Mitte gezählt werden) und Die Linke oder gar die DKP laufen. Darunter läuft selbstverständlich auch der Anarchismus. Die logische Schlussfolgerung wäre, dass die mörderischen Faschisten und ihr Staat genau so totalitär war wie die Widerstandskämpfer gegen diese faschistische Verbrechen und die zu Hunderttausenden von den Faschisten ermordet wurden.
Grundsätzlich wird nicht inhaltlich argumentiert, also welche Ziele auf Grund welcher Theorien AntifaschistInnen und FaschistInnen verfolgen, sondern oberflächlich formal. Was haben totalitäre Staaten gemeinsam? Sechs Punkte wurden von Carl Joachim Friedrich und vom damals jungen Zbigniew Brzezinski(!!) in den frühen 50er Jahren genannt: Ein Führerstaat, ein Ein-Parteien-System, eine verbindliche Ideologie, eine terroristische Geheimpolizei, staatliches Monopol an Kommunikationsmitteln, staatliches Waffenmonopol, zentral gelenkte Wirtschaft. (Schon bei der Analyse des Faschismus stimmt das so nicht – falls man das nicht auch auf den Vatikan z.B. anwenden will). Aus Sicht der Totalitarismus/Extremismus-Ideologen sind Rassismus, Antisemitismus, völkischer Nationalismus, autoritäre Ordnungsvorstellungen, Militarismus, Sexismus, Sozialdarwinismus und andere Ideologieelemente des Faschismus wesensgleich mit dem jeweiligen Gegenteil. (vgl. Gegen jeden Extremismusbegriff, in: Rundbrief 3/08, hg. v. der AG ).Selbst der sonst eher DDR-kritische Wolfgang Wippermann schreibt, dass Totalitarismus und Extremismus zu Staatsideologien der BRD geworden sind. Mit diesen Ideologien konnte man sich gut wenigstens formal (alles Strukturelle und Inhaltliche wurde ausgeklammert) vom Faschismus distanzieren und gleichzeitig die sozialistischen Länder , in der alten BRD vor allem die DDR, dämonisieren. (vgl. Wolfgang Wippermann, Dämonisierung durch Vergleich – DDR und Drittes Reich, Berlin 2009). Ideologie- und wissenschaftsgeschichtlich ist dann festzustellen, dass mit der zunehmenden Anerkennung der DDR auch die Totalitarismus- und Extremismus-Forschung verblasste und die DDR wurde jetzt „autoritär“ genannt. Mit 1990 war der Spaß dann aber vorbei und heute wird aus allen Medien und von allen Unis intensiv, wenn auch nicht uni sono) wieder das alte Lied gesungen. Es geht ja um die völlige Delegitimierung der DDR und überhaupt der sozialistischen Idee und Utopie. “Rechtsextremismus/Antifaschismus beim Bundesvorstand der Partei Die Linke, S. 14ff und www.inex.blogsport.de und initiative_gegen_extremismusbegriff@gmx.de). Wie sehr die oben genannten Ideologieelemente weit in die Mitte der Gesellschaft ragen, ist empirisch gut belegt. Der „Extremismus der Mitte“ aber wird nicht kritisiert, sondern gehört irgendwie in die Normalität der Mitte. Koch kann seine Kampagnen gegen Ausländer guten Gewissens machen. Gerade in der vergangenen Woche (14.-17.4. 2009) sind ja Studien erschienen, dass immer noch Leute glauben, die DDR hätte auch gute Seiten gehabt. In der WAZ schrieb der Chefredakteur einen langen Artikel mit dem Tenor: Bloß kein gutes Haar an der DDR lassen, sonst kommen noch Leute auf die Idee, sie zu verklären (WAZ 15.4.09). Auf der Titelseite darf sich einen Tag später ein im Impressum genannter Reporter über die „DDR“ (wieder in Anführungsstrichen wie seit 1970 nicht mehr) die totale Indoktrination in der DDR beklagen, den total fehlenden Rechtsstaat und anderes mehr. Jetzt , im 20. Jahr des DDR-Untergangs (ohne Anführungsstriche) muss man endlich auf alles Schlimme in der „DDR“ hinweisen.
Besonders virulent wird das Gesagte für Verfassungsschützer beim „Ausländerextremismus“: Rechte, linke, nationalistische, faschistische und islamistische Gruppen werden hier einfach zusammengefasst. Die „Förderation demokratischer Arbeitervereine“ DIDF wird so auch als extremistisch eingeschätzt, weil sie sich einen anderen Staat in der Türkei (NATO-Partner!!) vorstellen kann. Dass DIDF nichts von der NATO und den Islamisierungstendenzen in der Türkei und dem Krieg gegen Kurden hält, macht sie sehr verdächtig oder gleich extremistisch.
Antifaschisten sollten den Faschismus genau so nennen, auch nicht Nationalsozialismus oder 3. Reich! Letztere sind faschistische Propaganda-Begriffe, die wie vieles aus dem Faschismus bruchlos in die BRD übernommen wurde: Ökonomische, politische, ideologische, militärische, personelle Restauration. Faschistoid ist die Bezeichnung für den Übergang von rechts-konservativ zu faschistischen Positionen. Aber zwischen dem rechten Konservatismus und Faschismus gibt es zahlreiche Grau- und Braunzonen.
Hinsichtlich des Europaparlaments wird in der von Gabi Zimmer für die Fraktion GUE/NGL (Confederal Group of the European United Left/ Nordic Green Left – Groupe Confédéral de la Gauche Unitaire Européenne / Gauche Verte Nordique) in Auftrag gegebene und von Carsten Hübner, Rechtsextreme Netzwerke und Parteien in Europa, Eine Bestandsaufnahme vor der Europawahl 2009, verfasste Studie folgende Typisierung der faschistoiden Parteien von Richard Stöss zitiert:
-
Typ I: gibt es gemäßigt nationalistische und fremdenfeindliche Parteien der extremen Rechten, die z.T. mit liberalen und rechtskonservativen Parteien paktieren.
-
Typ II :gibt es Parteien, die nationalistisch-völkisch du – so meine Worte – ein Stück faschistoider sind, die aber nicht mit liberalen und rechtskonservativen Parteien ein Bündnis suchen und sich (oft nur verbal) von Typ 3 und 4 abgrenzen.
-
Typ III: Neofaschistische bzw. rassistische Parteien, die gewisse Affinitäten zu Typ 2 haben und
-
Typ IV: – so ergänzt Hübner – Neonazistische oder offen rassistische, antisemitische, gewaltbereite Parteien mit Kontakten in die faschistische Terrorszene, die sich von Typ 1 und 2 abgrenzen, aber zu Typ 3 Kontakte haben.
6. Netzwerke neofaschistischer Parteien in Europa:
Rechte Netzwerke wurden in der Vergangenheit immer wieder versucht, aber entweder wurden die formalen Bedingungen für eine Fraktion im EU-Parlament nicht erfüllt oder die Parteien zerstritten sich heillos.
Seit Jan. 2007 bis Nov. 2007 gab es im Europa-Parlament eine offen neofaschistische Fraktion: IST = Identität, Tradition, Souveränität. Diese hatte mehr als 20 Mitglieder aus Belgien, Italien, Österreich, Frankreich, GB, Bulgarien und Rumänien (seit 1.1.2007 im Europa-Parlament nach EU-Beitritt). Wegen interner Zwistigkeiten (Frau Mussolini giftete gegen die Rumänen im Zusammenhang mit einem rumänischen Roma, der in Italien unter Mordverdacht festgenommen wurde: „ Rauben ist für die Rumänen zu einem Lebensstil geworden“ und verlangte, den Botschafter Rumäniens als unerwünscht des Landes zu verweisen)) ist das Bündnis zerbrochen. Der Anführer der PRM, selbst ein Romahasser, giftete zurück, dass rumänische Patrioten sich und ihr Land auf diese Weise nicht beleidigen lasse. PRM steht für übersetzt Partei Großrumäniens, ihr Anführer, Corneliu Vadim Tudor, nennt sich selbst „Tribun“.
Aber die Neofaschisten haben sich zurückgemeldet. In Italien, Dänemark, Slowakei, Litauen, Bulgarien, Polen, Österreich saßen die neofaschistischen oder faschistoiden Parteien ja auch schon in Regierungen oder haben sie durch Tolerierung gestützt. Aber der Versuch, bis zum 15.11.2008 eine „Europäische Rechtspartei“ zu gründen, ist bisher nicht gelungen. Neben Ataka (Bulgarien), Vlaamse Block, FPÖ und FN erfüllt man nicht die EU-Bedingungen: Parteien aus 7 EU-Staaten, die entweder Abgeordnete im europ. Oder nationalen Parlament haben oder bei der letzten EU-Wahl 3% der Stimmen bekam. Das Ziel, eine „Europäische Freiheitspartei“ oder eine „Europäische Patriotische Partei“ zu gründen, wird wohl bis Juni kaum noch erreicht.
Anmerkung:
Der jetzige (seit 4.4.2009) NATO-Generalsekretär Andres Fogh Rasmussen ließ sich als rechtsliberaler Ministerpräsident seit 2001 von der Dansk Folkeparti, einem faschistoiden Sammelbecken, tolerieren.
Gegenwärtig ist ein Teil der Extremen Rechten in der Fraktion UEN, Union für das Europa der Nationen, insgesamt 44 aus 6 Ländern. Die UEN gibt es seit 1999. Mehrheitlich waren diese Rechtsparteien schon an nationalen Regierungen beteiligt, sie gehören zum Parteientyp I und II. Sie lehnen zwar den Lissabon- und andere europ. Verträge ab, sind aber für die NATO, eine begrenzte Politik mit den USA, vor allem für rechtskonservative und neoliberale Politik durchaus offen.
Alliance for Europe of the Nations (AEN) ist die Europapartei der UEN. 16 nationalkonservative und extreme rechte Parteien gehören dazu, unterschiedlich groß, aber durch etablierte Parteistrukturen haben sie Zugang zu Herrschaftswissen und Geld. Regelmäßige Kongresse und Schulungen sowie Konferenzen ermöglichen gegenseitige Informationen, Absprache von Strategien und Taktiken. Zur AEN gehört auch:
ID oder IND/DEM (Independence / Democracy) ist die kleinste Fraktion mit heterogenster Zusammensetzung. Die extreme Rechte spielt eine Minderheitenrolle. Allerdings sitzt mit der UKIP (United Kingdom Independence Party) und zeitweise der Lega Nord auch deutlich rassistische Propagandisten im ID.
Europäische Nationale Front (ENF) hat keinen Fraktionsstatus, sitzt gegenwärtig auch nicht im EU-Parlament: Eigentlich von der spanischen neofaschistischen Partei La Falange (FE) und Udo Voigt, Vorsitzender der NPD, 2004 aus der Taufe gehoben am Schreibtisch des Führers der Falangistenbewegung der 30er Jahre Primo de Rivera. Osteuropäische Neofaschisten haben sich bis auf die rumänische „Noua Dreapta“ zurückgezogen wegen Querelen mit der NPD. Ein „Europa der Nationen“ wird auch von der tschechischen Narodni Strana (NS) verfolgt. Ebenfalls in Tschechien die Delnicka Strana (DS), wie die NS militant, unterhält eigene paramilitärische Verbände. Die machen zusammen mit der NPD aus Sachsen und Sachsen-Anhalt gemeinsame Demonstrationen und Veranstaltungen. Die ENF ist die europäische Plattform der neofaschistischen Parteien Typ III. Neben der deutschen NPD, Falange, Noua Dreapta, Forza Nuova (Italien), Renouveau Francais und Hrisi Avgi (GR). Die Bulgarski Nationalen Soius ist Beitrittskandidat.
Durch das ganze Jahr hindurch trifft man sich auf Festen, Kongressen, Gedenkfeiern, Parteitagen, Trauermärschen, Demos und tauscht intensiv die Meinungen aus. Auf längere Sicht will man eine Europapartei gegen multinationales Kapital, gegen die US-Doktrin von der Neuen Weltordnung, gegen kulturelle Globalisierung, Überfremdung, zerstörerischen Separatismus, gegen kapitalistische und „marxistische“ Wirtschaftssysteme schaffen.
Ziel aller rechten Parteien ist es, im Europa-Parlament 2009 „eine große europäische Rechtsfraktion zur Vertretung der Völkerinteressen nach Straßburg zu schicken“ – heißt es. Schon im Vorfeld zur Europawahl 2009 wurden Udo Voigt (NPD), Gerhard Frey (DVA) Rolf Schlierer (REP) und Markus Beisicht (PRO-Bewegung) vom FPÖ-Abgeordneten Schmölzer nach Straßburg eingeladen, um Absprachen mit anderen rechten Kameraden zu treffen. Ob die Flexibilität der chauvinistischen Parteien ausreicht, ideologische Probleme beiseite zu lassen, scheint fraglich. Sofort nach der Unterschrift der 4 unter eine gemeinsame Erklärung zerbrach das Bündnis. Die unterschiedlichen Nationalismen, die man sehr wohl auch national noch einmal unterschiedlich interpretieren kann, haben national unterschiedliche Traditionen, die in der Vergangenheit oft genug Krieg gegen „die anderen“ provozierte. Selbst in der deutschen Rechten ist es umstritten, ob man sich eher auf ehemalige deutschnationale Traditionen oder eher auf nationalsozialistische Denker berufen soll. Direkte Bezüge auf das faschistische Deutschland lösen bei anderen europäischen Rechten doch Irritationen aus. Die Vorstellung der NPD vom „Europa der Nationen“ klingt in den rechten Parteien anderer europäischer Länder zu sehr nach „Europa der Nationen unter deutscher Führung“.
Um ein Beispiel zu nennen: die polnische klerikal-faschistoide PiS kann sich mit der NPD einigen, dass „Afrika das Weiße Haus erobert hat“ oder dass Obama das „Ende der Zivilisation des weißen Mannes“ bedeutet. Aber ob man sich in Polen auf die Gebietsforderungen der NPD nach Deutschland mindestens in den Grenzen von 1937 einlassen wird, scheint mehr als zweifelhaft!
Oder: Gegen weitere Einwanderungen nach Europa sind alle Parteien der extremen Rechten. Nur beim „Anti-Islamismus“ fängt schon der innerdeutsche wie auch innereuropäische Krach an: Schon der NPD-Vorsitzende Udo Voigt motzt gegen Pro-Köln, weil die in anti-islamistischer „Verblendung“ mit Israel gemeinsame Sache „mit dem jüdisch beherrschten israelischen Staat“ machen will. Die NPD denkt da an Zeiten zurück, in denen die Deutschen gemeinsame Sache mit Gläubigen des Islam gegen Juden machte: Im Faschismus gab es immerhin islamische SS-Divisionen. Der Mufti von Jerusalem, Amin el-Husseini, wurde 1941 von Hitler in Berlin offiziell empfangen, erhielt Waffen und Geld von den Faschisten, weil er gegen die Briten und vor allem gegen die Juden kämpfen wollte. Nicht nur im Kosovo gab es eine SS-Division mit muslimischen Soldaten (SS-Division „Skanderbeg“), sondern auch in Jerusalem.
Oder: Nach der Europawahl 1989 konstituierte sich die „Technische Fraktion der Europäischen Rechten“ (DR) Damals waren 6 REPs aus Deutschland dabei. Es gab Krach: Die ital. MSI konnte sich mit den REPs nicht über das Südtirolproblem einigen, die REPs lehnten die Führung der Fraktion durch die Front National (FN) ab, die war in sich so zerstritten, dass die Mehrzahl auf die konservative Fraktion setzte statt auf die der Rechten. Allerdings musste diese Fraktion sich sowieso auflösen, weil es keine „technische“ Fraktionen geben darf im EU-Parlament.
Im Hass gegen islamische Einwanderer äußert sich auch die ansonsten antisemitische BNP (British National Party) pro-israelisch. Immerhin hat Israel ein europäisches Erbe und Israel wird vom weißen Mann regiert.
Die Ablehnung von Homosexualität, Einwanderung, z.T. Abtreibung, gegen Einwanderung (ganz besonders aus islamischen Ländern), Betonung der je eigenen Nationalität braucht nicht diskutiert zu werden, aber was bedeutet das dann für die Vlaamse Belang, die gern eine Trennung von Belgien möchte. Auch für spanische Separatisten stellt sich das Problem und damit für alle nationalistischen Parteien. Berufung auf gemeinsame christliche Traditionen, christliche Werte und „Erbe der Kulturen“ birgt potenziellen Sprengstoff. Elsass, Schlesien, Ostpreußen, Siebenbürgen oder der Banat sind ja Teile des deutschen Kulturkreises. Südtirol selbstverständlich auch. Aber was denken die „Partner“parteien aus diesen Ländern: Jedenfalls ganz anders! In der Praxis diktiert die nationale Brille den Blick.
Rassismus, Militarismus, Anti-Marxismus, Anti-Sozialismus, Sexismus ist allen Rechten gemeinsam – diese Ideologieelemente reichen aber weit ins bürgerliche Lager und darüber hinaus z.T. ins sozialdemokratische!
7. Sonstige Netzwerke außerhalb des Parlaments
-
Blood & Honour ist ein in Deutschland seit 2000 verbotenes, aber auf den Webseiten wohl funktionierendes Netzwerk. Blut und Ehre war eingraviert auf den Fahrtenmessern der Hitlerjugend und nimmt Bezug auf die Nürnberger Rassegesetze von 1935 (federführend Dr. jur. Hans Globke, später Schattenkanzler neben Adenauer oder doch als Kanzleramtsminister äußerst wichtig). In den Gesetzen ging es „um den Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“. Auf deutschen Neo-Nazi-T-Shirts und –Jacken prangt oft die Zahl 28 (B und H als 2. und 8 Buchstabe im Alphabet), oft noch mit dem Schriftzug „Ich lasse mich nicht verbieten“. B&H, so das Organisationskürzel, vertreibt neofaschistische Musik, veranstaltet entsprechende Konzerte und ist zumindest indirekt vertreten in Nazi-Läden und –Versandgeschäften.
-
Altermedia /Syndikat Z Ruft man www.alexa.com auf, dann erhält man als Ergebnis der „Anklicker“, „Aufrufer“, „Leser“ von www.altermedia.de für die letzten Tage ca. 30.000 Aufrufe (Einer davon war ich allerdings). 43 % der Aufrufer kamen aus Deutschland, 40 % aus Belgien. Aus anderen europäischen Ländern und den USA kam der Rest. Österreicher, Tschechen und Rumänen sollen sonst hinter Deutschen rangieren. Altermedia ist orientiert an der Aufmachung des linken Internet-Infonetzwerkes www.Indymedia.de. Altermedia ist wohl das wichtigste internationale Kommunikationsnetzwerk der Neo-Nazis. Kommentare, Bilder, Artikel, Videos und Stellungnahmen von Parteien kann jeder Interessierte lesen und – falls er von den örtlichen Aktivisten „durchgelassen“ wird, auch selbst veröffentlichen. Die Domain soll zum Internetangebot des US-Neofaschisten und ehemaligen Ku-Klux-Klan-Aktivisten David Duke gehören. Es gibt gegenwärtig neben der US-Hauptseite 20 nationale Unterseiten. Außer Kanada ausschließlich westeuropäische Länder (vgl. Studie Zimmer, S. 43, Anm. 67). www.Syndikat.Z.de hat nicht so viele Anwahlen, erfüllt aber den gleichen Zweck wie Altermedia. Rassistische Hetze, vor allem Antisemitismus und Hetze gegen Roma und alle Farbigen, Glorifizierung der ewigen Leistungen kultureller Art des weißen Mannes, Dämonisierung des Islam und andere neofaschistische Themen werden lang und breit „abgehandelt“. Wenn man bedenkt, dass die Zahl der neofaschistischen Webseiten eigentlich nur zwischen 5000 und 50.000 zu schätzen ist und die Anbieter über den Globus verstreut sind, stellt man auch ein tiefbraunes Stück von Globalisierung fest.
-
Synergies Européenne/Euro-Synergies ist die Bezeichnung für einen internationalen faschistoiden Theoriezirkel von europäischen Wissenschaftlern (am bekanntesten Alain de Benoist on Frankreich und Pierre Krebs in Kassel/Deutschland. In Kassel sitzt das „Thule-Seminar“. Generalfeldmarschall Ludendorff, Hauptbeteiligter am „Hitler-Putsch“ 1923, war ein bekannter Vertreter der damaligen Thule-Gesellschaft, einem rassistischen „Germanen-Verehrungs-Verein“, der wichtig für die junge faschistische Bewegung in Deutschland ab 1919 war. In zahlreichen europäischen Ländern ist Euro-Synergies aktiv. In 7 Sprachen wird auf einer website www.euro-synergies.hautefort.com Ideologisches angeboten, in Deutschland auch durch die Zeitschriften „Elemente“ und „Zeitenwende“.
-
Euro-Rus ist ein Ableger von Synergies und propagiert wie Synergies eine geopolitische eurasische Achse Paris-Berlin-Moskau. Es geht gegen die schändliche Judenherrschaft über die „Achse der Unterdrückung“ Washington-Brüssel-Tel Aviv. „Weiße Menschen der ganzen Welt – Vereinigt euch!“ ist der Schlussaufruf unter ein Manifest von Euro-Rus. Jährlich findet ein Kongress statt, zuletzt im belgischen Dendermonde, bei dem Rechts-Intellektuelle u.a. ein Gegenstück zur UNO als „Organisation der völkischen Nationen“ entwerfen.
-
Kontinent Europa Stiftung oder kurz KES wurde von dem schwedischen Kapitalisten Brinkmann 2004 gegründet. Auch hier geht es um die geopolitische Option Eurasien und gegen Juden und die von ihnen dominierte USA. Wenn Brinkmann damals schon gewusst hätte, dass in den USA auch noch ein Farbiger Präsident wird…. Brinkmann verlegte im Jahre 2008 seinen Wohnsitz nach Berlin, weil er der NPD näher sein wollte. Er soll sich auch an Immobiliengeschäften der NPD beteiligt haben. In der Führungsriege von KES sind Neofaschisten aus Russland, Frankreich, Deutschland, Spanien, Italien und Schweden vertreten.
-
World Union of National Socialists/Sektion Europa (W.U.N.S. Europe) geht zurück auf ein schon 50 Jahre altes Netzwerk der American Nazi Party /ANP). Vermutlich ist das der Sturmtrupp (Gert Heidenreich) der Faschisten, der auch an entsprechenden Terroranschlägen beteiligt ist. In Europa gehören sechs faschistische Parteien aus 5 Ländern zur W.U.N.S. (USA/Rumänien/Italien/Frankreich/Schweden/Norwegen), dazu kommen weitere Gruppen aus Bulgarien, Russland, Ukraine, Serbien, Spanien, Portugal, Großbritannien, Italien und Griechenland.
8. Die Probleme der europäischen extrem Rechten aus extrem rechter Sicht
Curd-Thorsten Weick, Redakteur der extrem rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ beschreibt die Probleme wohl recht zutreffend: „Der Haussegen in der europäischen Familie der `Rechten` – wenn es ihn denn je gab – hängt seit Jahr und Tag schief. Man ist sich untereinander nicht grün und begegnet sich, zur Freude der europäischen Konkurrenz, öffentlich mit vielen Vorbehalten…….Der eine verweigert sich einer Zusammenarbeit mit den `Extremisten`. Dem anderen passt die ideologische Richtung des anderen nicht. Ein anderer verfolgt patriotische Spezialinteressen. Für den einen ist es das größte Unglück der politischen Karriere, mit den anderen in einen Topf geworfen zu werden, und bei den beiden charismatischen Parteiführern X und Y ist die persönliche Animosität einfach unüberbrückbar. Zu guter Letzt kommt dann noch ein brisantes Gemisch der vielfältigen historischen Belastungen dazu und die Situation ist völlig irreparabel…… Außer zu halbherziger und, wenn es hoch kommt, äußerst formaler Zusammenarbeit ist sie bis dato nicht hinausgekommen. Und es stellt sich die Frage, ob sich die so genannten rechten Parteien Europas in naher Zukunft auf eine gemeinsame Linie einigen können. Ob sie überhaupt ein in sich geschlossenes europäisches Politik-Konzept auf den Tisch legen können, das ihnen zudem nicht die eigenen national gespeiste Identität raubt?“ (zit. bei Zimmer, S. 47). Oder Franz Schönhuber, Gründer und langjähriger Frontmann der REPs klagte, dass die „völkische Substanz“ und die Unverletzbarkeit des nationalen Territoriums im Vordergrund“ steht. „Die Situation ist umso grotesker, als die Programme der feindlichen Brüder oft nahezu identisch sind.“ (bei Zimmer, aaO).
9. Gegenstrategien
In vielen Ländern Europas, ganz besonders in den neuen Mitgliedsländern Osteuropas, sinkt die Wahlbeteiligung bei Wahlen stetig. Eine Reihe von Ländern (Slowakei, Polen, Estland, Slowenien, Tschechien, Rumänien, Bulgarien) erreicht nicht mal 30 % Wahlbeteiligung bei den EU-Wahlen 2004 bzw. Rumänien/Bulgarien 2007. Viele WählerInnen sehen, dass sich durch Wahlen nichts verändert. Sie resignieren. Nationalistische und extrem rechte Parteien profitieren davon. (Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wollen in Deutschland 43 % der Wahlberechtigten zur EU-Parlament-Wahl gehen).
Die sozialen Sicherungsgesetze sind durch Deregulierung, Privatisierung, Globalisierung weggebrochen. Die kapitalistische Entwicklung kennt keine Beißhemmungen. Bei Rentnern, Kranken, Arbeitslosen herrscht sogar blanker Hunger. Defizite im Bildungs- und Gesundheitssystem treffen weite Kreise der Bevölkerung. Physische, seelische und geistige Selbstverwirklichung wurde nach der Niederlage der wie auch immer sonst eingeschätzten staatssozialistischen Länder im Kalten Krieg versprochen, Elend hat sich eingestellt. Das gilt aber nicht nur für Osteuropa, sondern in Teilen Deutschlands und anderer Länder gibt es diese Elendsgürtel ebenfalls.
Antidiskriminierungsgesetze sind wichtig, sie wirken nur nicht, wenn die kapitalistisch-ökonomische Realität sie zerstört.
Es sind ja nicht nur die neofaschistischen Parteien, sondern Diskriminierung von Menschen anderer Hautfarbe oder Religion oder sexueller Orientierung reicht ja weit in die so genannten christlich-demokratischen, europäischen Volksparteien und in die liberalen Fraktionen, wenn nicht auch in die sozialdemokratischen Fraktionen.
Für Linke stellt sich aber auch die Frage, ob die verschiedenen Kapitalfraktionen gegenwärtig in Europa eigentlich ein Interesse an der extremen Rechten haben. Wenn es richtig ist, dass „die moderne Staatsgewalt …nur ein Ausschuß (ist), der die gemeinschaftlichen Geschäfte der ganzen Bourgeoisklasse verwaltet“, dann ist festzustellen, dass die bürgerlich-liberale Demokratie gegenwärtig mehr Vorteile als politische Herrschaftsform bietet als etwa eine irgendwie geartete faschistische Diktatur. Gerade in der sog. Finanzkrise zeigt sich doch, dass die bürgerlichen Parteien einschließlich der SPD ihre Funktion als Arzt am Krankenbett des Kapitalismus hervorragend erfüllen. Dazu kommt, dass kleine faschistoide oder faschistische Parteien auch ausreichen, um den Parteienzug weiter nach rechts zu ziehen. Z.T. übt das Gr0ßkapital in den USA oder in Europa mehr oder weniger direkt die politische Herrschaft aus – auch personell (Man erinnere sich an die Familie Bush und ihre Kabinette der Milliardäre oder blicke nach Italien.)
Die ökonomische Herrschaft des Kapitals ist gegenwärtig durch nichts in Frage gestellt. Die monopolistische Bourgeoisie arbeitet hervorragend mit der nichtmonopolistischen Bourgeoisie zusammen. Auch in eigentlich allen imperialistischen Zielen, zeigte der jüngste NATO-Gipfel und das G-20-Treffen, herrscht im Wesentlichen Einigkeit.
Alle Analysen der kritischeren SoziologInnen zeigen, dass – wie Richard Sennett es für die USA unter Bush nach dem 11.9. 2001 formulierte – ein sanfter Faschismus allemal besser ist als einer mit Knüppeln und KZs. Erich Fromm hat schon vor –zig Jahren formuliert, dass es doch nicht schwer zu erreichen ist, dass die BürgerInnen sich Abend für Abend freiwillig im eigenen Wohnzimmer bei Whiskey und Video einschließen. Oder Pier Paolo Pasoline hat schon vor Jahrzehnten vom Konsumfaschismus gesprochen. Man gucke sich doch nur die Einkaufszentren an den immer häufiger werdenden „verkaufsoffenen Sonntagen“ an! Herbert Marcuse hat einmal von einem Techofaschismus gesprochen: Die Überwachungsmöglichkeiten werden immer perfekter und – ich ergänze – mit ein paar gezielten Berufsverboten bringe ich ganze Generationen zum Schweigen!
Oder kürzer: Ein Land das freie kapitalistische Medien hat, braucht keine Zensur!
Es gilt das alte Wort von Max Horkheimer: Wer vom Faschismus spricht, darf vom Kapitalismus nicht schweigen. Sozialismus oder Barbarei – ist die globale Perspektive.
Der in jüngster Zeit hoch geehrte Eric Hobsbawm hat gesagt, dass die Zukunft dunkel sein wird, wenn wir so weiter machen wie bisher.