Referat von Wolfgang Dominik: Waren die Kirchen Vorbereiterinnen und Mittäterinnen des Faschismus in Deutschland?
- Die Kirchen in der vorfaschistischen Zeit
- Die Evangelische Kirche:
Es fand nach 1918 in der ev. Kirche eine nostalgische Klage über die verlorene Einheit von Thron und Altar statt. Thron, das waren der Staat und der (protestantische!!) Altar; die evangelische Kirche fühlte sich als Teil des Staates, der patriarchalisch die Untertanen, das Volk, zu beaufsichtigen und zu erziehen hatte. Der Kaiser war als König von Preußen auch der summus espiscopus, der oberste Bischof der evangelischen Kirche und der Kaiser war – in den Augen vieler Monarchisten und Konservativer – geflohen, statt sich soldatisch aufzuopfern! Z.T. wurde das auch als schlauer Schachzug beurteilt, um von den Siegern nicht angeklagt zu werden und später wieder auf den Thron zurückgeholt zu werden. Aber er war halt erst mal der verlorengegangene oberste Kirchenführer! Niemals wurde von den Kirchen ein Gedanke an die 20 Millionen Tote, die der vom Kaiserreich angezettelte Weltkrieg mit dem Ziel Griff nach der Weltmacht kostete, nach 1918 verschwendet oder gar ein Gedanke hinsichtlich einer Mitschuld erwogen. Dabei hatten so gut wie alle Pfarrer und Priester zwischen 1914 und 1918 zum Krieg aufputschende Predigten gehalten. Der Kirchenkampf gegen die junge und sofort verhasste Republik begann mit dem 9.11.1918, der Kapitulation. Aber es wurde auch ganz anders der Toten gedacht: Im Eingangsbereich der Christuskirche in Bochum stehen 28 Feindstaaten rechts und links an der Türwand, die – so die Botschaft – für den Tod von 1358 zerfetzten, verreckten Soldaten allein der Innenstadtgemeinde verantwortlich waren. Die Namen der 1358 stehen rechts und links an der Wand in der Eingangshalle. Die Seelen der im Krieg Gemordeten bewegen sich auf einen blauäugigen, blondgelockten Jesus an der Stirnwand der Eingangshalle zu. Rache und Revanche war die Botschaft. Und Bochum war überall!! Es gab 28 Landeskirche: Je nach Glaubensrichtung des Königs, Fürsten… Landesherrn hatten die Einwohner*innen die gleiche Konfession zu haben. Die Pfarrer hat dem Landesherrn einen Treueid zu leisten und waren faktisch staatliche Beamte. Diese Kirchenverfassung sorgte für eine direkte Staatsnähe. Und da nach Luthers Interpretation von Röm. 13,1 jede Obrigkeit von Gott war, galt es der Obrigkeit unbedingt gehorsam zu sein. Eine nach einer Revolution, die sowieso nur vom Teufel war, oder nach demokratischen Wahlen zustande gekommene Regierung der Weimarer Republik konnte keinen Gehorsam verlangen und musste bekämpft werden.
Ein Wort direkt zum Antisemitismus: Für den Antisemitismus der Ev. Kirche ist Wilhelm II. ein gutes Beispiel. John Röhl: Wilhelm II. redete lange vor Hitler, Goebbels, Göring, Himmler von den Juden als „Pest“, „Giftpilze“ oder „Schmarotzer“, die „vom deutschen Boden vertilgt und ausgerottet werden.“ In Wilhelms II. Jugendzeit wirkte der Hassprediger gegen Juden, Adolf Stoecker, in Berlin als Hofprediger. Stoecker und der einflussreiche Historiker Heinrich von Treitschke lehrten und predigten nachhaltig chauvinistisch-völkische und antisemitische Ideologien.
Ein Beispiel für die Nachhaltigkeit der beiden: Bischof Wurm, sowohl in der Weimarer Republik im Widerstand gegen die Demokratie, dann führend in der Zeit des Faschismus und nach 1945 wieder in den obersten Führungsgremien der Ev. Kirche, berief sich noch nach der Reichspogromnacht auf Treitschke und Stoecker und dass der Staat das Recht hätte, sich gegen „die zersetzende Wirkung des Judentums auf religiösem, sittlichem, literarischem, wirtschaftlichem und politischem Gebiet“ „kämpfend“ zur Wehr zu setzen. (zit. Nach Hans Prolingheuer, Wir sind in die Irre gegangen, Köln 1987, s. 33). Wurm war Mitglied der „Bekennenden Kirche. „Wurm protestierte (nach 1945-W.D.) gegenüber den Siegermächten gegen die Härte der Entnazifizierung. In Briefen an die Hauptankläger der Nürnberger Prozesse wandte er sich gegen die angebliche Anwendung von „verbrecherischen Methoden und abscheulichen Quälereien“ zur Erpressung von Aussagen und Geständnissen.[13] Wurm war im Gründungsvorstand der Stillen Hilfe, eines 1951 gegründeten Vereins unter der Leitung von Helene Elisabeth Prinzessin von Isenburg, der publizistisch, juristisch und materiell flüchtige, inhaftierte und verurteilte Nazi-Täter unterstützte.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Theophil_Wurm) Dass Wurm 1951 auch das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern erhielt spricht eigentlich Bände….
Das Trauma der Abdankung des Kaisers ließ schnell den Traum vom „1000jährigen Reich“ beginnen (Chiliasmus: Im Feudalismus erwarteten Christen immer wieder mal das Ende der Welt und dann ein 1000 jähriges, Metapher für ewiges, Gottesreich ( gr. Chilii= tausend).
Die meisten Pfarrer gehörten der äußerst rechts stehenden DNVP an: „Wir sind neutral und wählen deutsch-national“. Teile der DNVP hofften auf die Rückkehr des Kaisers. Auch Hitler ließ die Frage nach der Rekonstitution des Kaisertums propagandistisch bewusst offen, auch wenn er die Rückkehr des Kaisers nie plante. Dennoch blieb die Hoffnung:
Eine Rückkehr in die guten alten Zeiten, in denen die Ehe von evangelisch-lutherischen Thron und evangelischem Altar auch personell feststand, war der dringende Wunsch der Mehrheit der ca. 20.000 evangelischen Pfarrer und ihrer Gemeinden. Gegen die Weimarer Verfassung und ihre „Systemparteien“ aus Sozialisten und Ultramontanen, also Katholiken (Zentrum) und DDP wetterten evangelische Pfarrer einschließlich ihrer Kirchenleitungen seit dem 9.11.1918 unaufhörlich. Oberkirchenrat und Pfarrer Otto Dibelius, DNVP, koordinierte den Kampf gegen den „organisierten Vaterlandsverrat“ (Prolingheuer, Kleine politische Kirchengeschichte, Köln 1984, S. 18.) Während der Weimarer Republik verbündeten sich mehr als 80 % der evangelischen Pfarrer mit der DNVP und verkündeten natürlich auch von der Kanzel ihre politisch reaktionären Anschauungen (Hartwig Hohnsbein, Umgelogen, in: Ossietzky 3/2013, S. 73-76, hier S. 74). Dennoch hieß es: „Wir sind neutral und wählen deutschnational.“ I.d.R. kam der evangelische Pfarrernachwuchs aus Pfarrhäusern, Offiziersfamilien oder anderen großbürgerlichen oder adligen streng nationalkonservativen, meist monarchistisch gesinnten Familien. Die Pfarrer gehörten in aller Regel zu den konservativ-reaktionären Eliten, denen jede Demokratisierung der Gesellschaft Teufels Werk war. Auch unter den höchsten „Würdenträgern“ der Katholischen Kirche gab es erstaunlich viele Adlige.
Geprägt waren die Ev. Kirche durch Antisozialismus, Antimarxismus, seit 1917 Antibolschewismus, Antimodernismus, Antiliberalismus, Antisemitismus, Antikatholizismus, Nationalismus oder Chauvinismus, Militarismus. Kaiser Wilhelm II. verkörperte diese Ideologien beispielhaft. Aber das ließ sich dann auf eine Art Ersatzkaiser, auf den von der Vorsehung gesandten Führer, übertragen. Der Kampf gegen Juden und Kommunisten/Sozialdemokraten wurde zusammengeführt im „jüdischen Bolschewismus“, der auch mitverantwortlich war für den Dolchstoß in den Rücken des siegreichen Heeres, der zum Ende des Weltkrieges führte und zur Schmach von Versailles.
1.2 Die Katholische Kirche hatte bis auf die typisch antikatholischen Teile der genannten Ideologien die gleichen politischen Einstellungen. Die Demokratie der Weimarer Republik wurde wegen ihrer vermuteten sozialistischen und überhaupt demokratischen Tendenzen abgelehnt. Es herrschte aus Sicht beider Kirchen ja so was wie Sodom und Gomorrha: Sittliche Verkommenheit auf Grund eines – wie behauptet – unchristlichen gottlosen jüdisch-bolschewistisch beeinflussten Staates.
Die Kirche hatte allerdings mit dem Papst eine zentrale religiöse Herrschaftsinstanz. Bismarck führte einen Kulturkampf gegen die Katholische Kirche und versuchte, sie aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen. Der Ultramontanismus der Kath. Kirche fixierte sie auf den Papst, der mit dem Dogma der „Unbefleckten Empfängnis Marias“ 1854 dem aufkommenden Rationalismus diametral widersprechende Unglaublichkeiten für unzweifelhaft erklärte und mit dem „Syllabus Errorum“ 1864 Sozialismus und Liberalismus verdammte. Die Minderheit der Katholiken im Reich (ca. 1/3 der Bevölkerung) und die relative Staatsferne und extremer Konservatismus beruhte auch auf ihrer sozialen Zusammensetzung. Entsprechend weniger Katholiken als Protestanten waren an der kapitalistischen Entwicklung beteiligt, an der wissenschaftlichen Entwicklung in den Universitäten und fast gar nicht in den begehrten Offizierslaufbahnen des preußischen Heeres. Dem ganzen wurde 1870 in der Unfehlbarkeitserklärung des Papstes (Pius IX.), wenn er ex cathedra, sozusagen die Krone aufgesetzt.
Der Antisemitismus der beiden Kirchen war fast 2000 Jahre alt: Die Juden waren die Gottesmörder, die Juden glauben nicht an die Dreieinigkeit, die Juden glauben nicht, dass Jesus der verheißene Messias= Christus war, die Juden glauben nicht an die Jungfrauengeburt und an die Vergebung der Sünden durch den Leib und das Blut Jesu (Abendmahl). Juden wurden alle möglichen Ritualmorde nachgesagt und sie wurden oft als Sexmonster dargestellt, die junge christliche Frauen begehren. Das war der traditionelle Antijudaismus, ein Begriff, der verharmlosend für Judenfeindschaft gebraucht wird, der häufig zu Pogromen gegen jüdische Menschen geführt hatte, immer aber zu einer latenten, oft offenen Diskriminierung.
Für die evangelischen Christen haben die Faschisten immer wieder Martin Luther zitiert, der in seiner Schrift „Wider die Juden“ faktisch eine Art Shoah schon entworfen hat. Die Juden sind verstockt und lassen sich nicht bekehren.
Am Karfreitig, für die Nicht-Gläubigen der Zuhörer*innen, am Tag der Kreuzigung Jesu, beteten Pfarrer und Priester, z.B. noch Papst Benedikt XVI. aus Bayern, dafür, dass die Juden ihre Verstocktheit endlich aufgeben.
Dazu kam Mitte des 19. Jh. der biologistische Rassismus. Vor dem Anti-Judaismus gab es vielleicht durch die christliche Taufe noch einen Ausweg. Vor dem Rassismus, einer biologistischen Ideologie, nicht mehr. Jüdisches Blut ist verderbt und krank. Der biologistische Rassismus ließ sich in der Alltagsmentalität, dem Stammtisch-Antisemitismus, leicht verknüpfen mit dem sog. Antijudaismus.
Mit der Zentrumspartei hatte die Kath. Kirche eine eigene Partei und sammelte regelmäßig auch die meisten katholischen Stimmen ein. Vor der Machtübergabe an die Faschisten war es Katholiken verboten, die NSDAP zu wählen. (Das gleiche galt durch eindeutige Kanzelabkündigungen allerdings auch für SPD, KPD…).
Am 24. März stimmte das Zentrum, das über seinen reaktionären streng katholischen Vorsitzenden, Prälat, also Priester, Kaas und den päpstlichen Staatssekretär Pacelli, dazu angeleitet wurde (vgl. D. Verhofstadt,, Pius XII. und die Vernichtung der Juden, Aschaffenburg 2013, S. 97) für das Ermächtigungsgesetz. Hitler wurden alle politischen Vollmachten gegeben. Fünf Tage später verkündete die deutsche Bischofskonferenz in Fulda, dass die Katholiken am neuen Staat engagiert mitarbeiten werden. Ab sofort durften Katholiken in auch in faschistischen Uniformen am Gottesdienst teilnehmen. Damit billigte das Zentrum und die Bischofskonferenz die faschistische Diktatur. Am 5. Juli 1933 löste das Zentrum sich selbst auf und ruft dazu auf, „ihre Kräfte und Erfahrungen unter Führung des Herrn Reichskanzlers stehenden nationalen Front zur positiven Mitarbeit …. rückhaltlos zur Verfügung zu stellen“. (R. Kühnl, Der deutsche Faschismus in Quellen und Dokumenten, 6. durchgesehene und erweiterte Aufl. 1967, S. 229).
Brüning und von Papen waren 2 der letzten Reichskanzler, beide vom Zentrum. Von Papen ebnete Hitler den Weg zur Reichskanzlerschaft. Beide regierten ohne parlamentarische Mehrheit als Vorsitzende von Präsidialkabinetten. Die Deutschen wurden an das Leben in der Diktatur ab 1930 eingeübt. Von Papen führte den Preußenschlag durch, entmachtete die SPD-Landesregierung und wurde Hitlers Vizekanzler bis 1934.
Am 14.7. 1933 wurden alle Parteien verboten. KPD und SPD gab es als erlaubte Parteien da schon vorher nicht mehr. Am 20. 4. 1933 wurden an den Kirchen beider Konfessionen zu Ehren von Hitlers 44. Geburtstag die Fahnen gehisst und die Glocken geläutet. Vorher war Hitler in fast allen Städten schon zum Ehrenbürger ernannt worden (und blieb es in Bochum offiziell bis 1984). Zum 50. Geburtstag passierte das gleiche und Dankgottesdienste wurden gehalten und dem Führer ein langes Leben gewünscht. Sogar nach dem 20 Juli 1944 wurde Gott gedankt, den Führer vor einem verbrecherischen Anschlag gerettet zu haben.
Ideologisch hatten Faschismus und die beiden christlichen Kirchen ein solides gemeinsames Fundament: Antikommunismus, Antisozialismus, Antimarxismus, Antiliberalismus, Militarismus, Antisemitismus. Katholische wie evangelische Kirche hielten von Demokratie gar nichts und bekämpften sie als unchristlich. Eine Regierung musste von Gott eingesetzt werden (Röm. 13,1). Z.B. entwarf der sehr einflussreiche Bischof, später Kardinal Faulhaber, schon 1925 ein positives Führer-Bild von Hitler, den die Vorsehung gesandt hatte. Für beide Kirchen wurde Hitler zu einer Art Messias, griechisch Christus. Beide Kirchen hielten die Weimarer Republik für eine Gottlosenrepublik. (bpb Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat im nationalsozialistischen Deutschland) (Interessant der letzte Satz: Christlicher Widerstand gegen den verbrecherischen Krieg, gegen die Euthanasiemaßnahmen, gegen die Judendeportationen und den Holocaust blieben in beiden Konfessionen die eher seltene Ausnahme von mutigen Einzelpersönlichkeiten wie Dietrich Bonhoeffer, Helmut Hesse oder Elisabeth Schmitz auf protestantischer und Clemens August Graf von Galen, Bernhard Lichtenberg oder Gertrud Luckner auf katholischer Seite.).
Und das wurde vor 1933 regelmäßig von fast allen Kanzeln, im Religionsunterricht usw. gepredigt.
Es gab nur wenige in den Kirchen, die vor dem Faschismus warnten. Sie waren die absoluten Ausnahmen, auf die die Kirchen sich nach der Befreiung vom Faschismus plötzlich beriefen und so taten, als wären die Kirchen insgesamt gegen den Faschismus gewesen.
Die Kirchen während des Faschismus
Die evangelische Kirche einschließlich der Bekennenden Kirche (BK) verstand sich Kirche im „Nationalsozialismus und nicht gegen den Nationalsozialismus“.
Dass ich nicht die faschistischen Propagandabegriffe „Nationalsozialismus, 3. Reich oder 1000jähriges Reich“ benutze, versteht sich als Antifaschist von selbst.
Es sei darauf hingewiesen, dass es durchaus tausende Christen gab, die gegen faschistische Maßnahmen protestierten. Hunderte wurden auch von den faschistischen Behörden gemaßregelt, bestraft, 18 evangelische Christen wurden von den Faschisten ermordet (Märtyrerbuch der EKD: Liste der 18 bei Prolingheuer, Kleine politische Kirchengeschichte, S. 190, Anm. 186). Für Katholiken gilt in etwa das gleiche. Von den ca. 1800 in Dachau festgesetzten polnischen Priestern wurden ca. 870 ermordet. Es ging den Faschisten darum, die polnische Intelligenz auszurotten. Die Zahl der deutschen und österreichischen Priester und Ordensleute, die im Laufe der Zeit in die Priester- und Pfarrerbaracke des KZ Dachau eingeliefert wurden, belief sich auf ca. 450, von denen 94 ermordet wurden oder auf Grund der Bedingungen der Lagerhaft starben. Antifaschist*innen gab es kaum darunter.
Zum Vergleich: In den ersten 2 Jahren der faschistischen Herrschaft wurden ca. 2000 Kommunisten ermordet, 20-30.000 waren es wohl bis 1945. Für Sozialdemokraten und Gewerkschafter gibt es ähnliche Zahlen. Von den 300.000 Mitglieder der KPD 1933 kamen im Laufe der Zeit 150.000 in die KZs.
Was meine ich, wenn ich von Widerstand gegen den Faschismus spreche?
Widerstand gegen den Faschismus soll bedeuten, dass nicht nur hier und da gegen einzelne Maßnahmen lokal begrenzt, zeitlich begrenzt, sektoral begrenzt protestiert wurde, Eingaben gemacht wurden, Widersprüche oder Einsprüche kamen, sondern der Faschismus insgesamt mit all seinen Ideologieelementen, Methoden, Zielen und natürlich Ursachen bekämpft wurde. Die Faschisten reagierten auch auf Detailkritik, auch wenn insgesamt der Faschismus anerkannt oder sogar bejubelt wird. Aber diese Detailkritik war immer systemstabilisierend. Oft hieß es: Wenn das bloß der Führer wüsste… oder der Führer weiß davon bestimmt nichts. Partielle Abweichungen in bestimmten Teilgebieten hat es gegeben. Das Ganze wurde oft bejubelt oder doch akzeptiert, einzelne glaubten staatliche Maßnahmen korrigieren zu können. Manches, was später als Widerstand dann eingestuft wurde, waren begrenzte Proteste, Widersprüche, Reibereien zwischen Partnern. Dabei soll partielle Verweigerung oder Protest keineswegs abgewertet werden. Die Proteste Bischof von Galens gegen das sog. Euthanasie-Programm der Faschisten waren wichtig. Allerdings wurde da schon ein Jahr lang gemordet, 70.000 Behinderte und Kranke waren schon ermordet. Von Galen blieb in Münster mit seinem Protest allein. Die Bischofskollegen und Kardinäle machten da nicht mit. Die Kriegspredigten von Galens gingen aber weiter. Dass die Bischöfe auch ihrem Kollegen Bischof von Preysing aus Berlin die Unterschriften verweigerten, als der eine Petition gegen die Juden-Deportationen an Hitler schicken wollte, passt in dieses Bild. Von einem gläubigen Christen sollte man/frau eigentlich erwarten, dass er an das Gebot „Du sollst nicht töten“ erinnert. Adenauer hat später einmal in einem privaten Brief 1946 gesagt: Was wäre eigentlich am 1. April 1933 passiert, wenn alle Bischöfe und Pfarrer und Priester und der Vatikan laut „Verbrecher an der Macht“ gegen die faschistische Führung gerufen hätten. Das hätten sie schon einen Monat nach der Machtübergabe tun können, als nach dem Reichstagsbrand 15.000 Kommunisten und Sozialdemokraten verhaftet wurden und z.B. in Bochum ein paar hundert in die Zeche Gibraltar an der Ruhr gebracht wurden und dort gefoltert wurden. Beide Kirchen schwiegen bzw. befürworteten diesen Terror, beide Kirchen schwiegen zum 1. April 1933 (sog. Judenboykott), sie schwiegen zum Gesetz über die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933, also dem Ausschluss von Juden aus dem Staatsdienst, sie schwiegen zu den Rassegesetzen 1935 (mitverfasst und kommentiert von dem antisemitischen Katholiken und Dr. iur. Hans Maria Globke, später 2. Mann in der Adenauer-Regierung,) sie schwiegen zur Reichspogromnacht – falls diese Ereignisse nicht sogar verständnisvoll begrüßt wurden als notwendig zur „Wiedergeburt der Volksgemeinschaft“. Gerade durch das Verhalten der Kirchen seit 1933 sahen sich die Faschisten zu ihren weitergehenden mörderischen Verbrechen ermutigt.
Beide Kirchen waren durch Hitler und seine Gottgläubigkeit schwer beeindruckt.
Hitler forderte im Frühsommer 1933 städtische und staatliche Beamte und Angestellte, wenn sie aus den Kirchen ausgetreten waren oder nie drin waren, auf, wieder in die Kirchen einzutreten (Wagner, Hakenkreuz über Bochum, 365, Brief von Piclum).
In manchen Städten gab es kirchliche Massenhochzeiten von SA-Männern, die wieder in die Kirchen eintreten mussten, falls sie ausgetreten waren.
Hitler wurde nie müde, seine Gottgläubigkeit lauthals zu betonen! Viele Reden endeten mit Hinweis auf Gott oder die Vorsehung und Amen. (vgl. D. Peukert/Jürgen Reuleucke, (Hg.), Die Reihen fast geschlossen, Wuppertal 1981, S.136 u-ö.).
Ab 1933 war man sich eigentlich quer durch beide Kirchen (eben bis auf wenige Ausnahmen) einig, dass Hitler ein von Gott gesandter Retter der Nation vor der Machtergreifung der jüdischen Bolschewisten ist. Wenige Außenseiter waren die ganz wenigen religiösen Sozialisten oder in Bochum Pastor Hans Ehrenberg oder Dietrich Bonhoeffer. Aber sonst galt: Endlich praktiziert einer den Kampf gegen Aufklärung, Pazifismus, Liberalismus, Individualismus, Demokratismus, Sozialismus, Kommunismus, macht Schluss mit den Versailler Schandverträgen, tritt aus dem Völkerbund aus und rüstet uns endlich wieder auf. Es wurde eine gerade Linie gezogen von Luther über Friedrich den Großen zu Bismarck, Hindenburg und Hitler. Diese Reihe steht auch gegen alles Verderbliche: Französische Revolution, Demokratie, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, die jeweils halben deutschen Revolutionen von 1848/49 und 1918/19 und die Moral-, Sitten- und zucht- und ordnungslose verkommene Zeit nach 1918. Da war es den Prostestant*innen auch egal, dass Hitler katholisch war. Noch im Juni 1933 hat z.B. die Kreissynode Bochum der Ev. Kirche von dem „reinigenden und befreienden Gewitter“, das über Volk und Vaterland begonnen hat, gesprochen.
Beeindruckend für viele kirchlich Gebundenen war auch, dass jetzt oft genug bei irgendwelchen NS-Festen…. alles mit einem Gottesdienst eröffnet wurde! Das hatte es seit Kaisers Zeiten nicht mehr gegeben!!
Aber auch vor 1933: Die NSDAP hält ihre Versammlungen und propagandistischen Veranstaltungen (1931 mit Goebbels) gewöhnlich im Ev. Vereinshaus an der Mühlenstr. ab. „Und kaum eine Feier ohne Pfarrer, das Kollegium der Christuskirche predigte begeistert mit.“ (s.o. Thomas Wessel, Christuskirche)
Und bei antisemitischen Veranstaltungen: Für evangelische Christen der Hinweis auf die Weisheit Luthers und für Katholiken die Lehren der Päpste seit Urzeiten!
Weil die Faschisten immer direkter in die Belange der Ev. Kirche eingriffen, bildete sich im Herbst 1933 der Pfarrernotbund. Es ging um das Juden ausschließende staatliche Beamtengesetz vom April 1933, das im Sept. 1933 auch von der evangelischen Kirche zum Kirchenrecht gemacht wurde. 30-50, 0, 3% von ca. 20.000 Pfarrern waren getaufte Juden, sog. Judenchristen; sie hießen später getaufte Nichtarier, blieben aber laut Rassegesetzen Juden. Die Kirche beschloss, dass entsprechend dem Beamtenrecht zu verfahren ist. Diese christlichen „Judenpfarrer“ wurden z.T. in den Ruhestand versetzt oder sollten höchstens noch mindere Gemeindearbeit machen. dürfen. In Bochum wurde Pfarrer Ehrenberg von seiner Kirche gezwungen, keine öffentlichen Reden mehr zu halten und sich ganz in die seelsorgerliche Gemeindearbeit zurückzuziehen. „Hans Ehrenberg war einer der wenigen deutschen evangelischen Theologen auch innerhalb der Bekennenden Kirche, die sich deutlich und öffentlich gegen den Antisemitismus der Nationalsozialisten wandten und für Juden eintraten. Er forderte dieses auch vehement von seiner Kirche. Er kritisierte auch den christlichen Antijudaismus und betonte die Gemeinsamkeiten von Judentum und Christentum.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Ehrenberg_(Theologe))
So um 1935 wurde ev. Pfarrhäusern Verjudung vorgeworfen, weil ein einziger Pfarrerssohn eine Jüdin geheiratet hatte. Daraufhin reagierte die ev. Kirche äußerst empört und wies nach, dass das ev. Pfarrhaus empirisch nachweisbar die beste arische Erbmasse in allen Gesellschaftsschichten hat. (Letzteres das Ergebnis einer kirchlichen Untersuchung). (Hans Prolingheuer, Die Schuld der evangelischen Kirche an den Juden, in: Neue Stimme, 1/87, S. 23ff
Für sog. Judenchristen oder getaufte Nichtarier ohne kirchliche Ämter wie den Oberbürgermeister Bochums Dr. Ruer rührte sich kein evangelischer Pfarrer, aber auch kein Gemeindemitglied. 1934 ging der Pfarrernotbund weitgehend in die im April gegründete Bekennende Kirche (BK) über.
Es ging dem Pfarrernotbund und der BK nie um getaufte Juden allgemein noch um jüdisch glaubende Menschen. Karl Barth bedauerte noch 30 Jahre nach der sog. Bekenntnissynode in Barmen, dass die BK die jüdischen Bürger*innen nicht in dem „Barmer Bekenntnis’“ erwähnt.
Das Büro Grüber war eine im September 1938[ vom Pastor Heinrich Grüber gegründete Organisation der BK. Die Organisation leistete Hilfe, um in erster Linie rassisch verfolgten evangelischen Christen die Auswanderung, besser: Flucht, zu ermöglichen. In der staatlichen Anerkennung als Organisation zur Förderung der Auswanderung der als Juden verfolgten Deutschen erscheint das Büro unter dem Namen Hilfsstelle für nichtarische Christen. Die BK förderte die Flucht in erster Linie „christlicher Nichtarier“. Die sog. Auswanderung war durchaus im Sinne des faschistischen Staates, fiel doch das gesamte Vermögen der Fliehenden in die Hände des Staates.
Pfarrer aus der Bekennenden Kirche konnten in der SA oder SS sein. Ein Beispiel: Der Pfarrer Lenz der BK war SS-Oberscharführer und diente als Bekenntnispfarrer im KZ Hersbruck. Die Diakonie betrieb aber auch ein eigenes KZ. Briefkopf: Landesverein der Inneren Mission, Abteilung Konzentrationslager Kuhlen“. Ich zitiere aus dem Bericht der FR vom 2.2.1988: „Der damalige Präsident des Zentralausschusses der Inneren Mission, Pfarrer Horst Schirmacher, forderte auf einem Diakonentreffen: “Wir grüßen Euch alle als die SA Jesu Christi und die SS der Kirche…. evangelische Diakonie und Nationalsozialismus gehören in Deutschland zusammen.“ Diakone seien „in Scharen der SA beigetreten“. Einzelne diakonische Einrichtungen hatten einen eigenen SA-Sturm gestellt, der scherzhaft „heiliger Sturm“ genannt worden sei. Diakone seien auch als Wachmänner in KZs geschickt worden. (s. Ernst Klee, Die SA Jesu Christi, 1993) Es gab nie eine Unvereinbarkeitserklärung der BK für Pfarrer in der NSDAP, SA, SS oder in Diensten eines KZ (Prolingheuer, Kleine…., S. 191, Anm. 186).
Dietrich Bonhoeffer wurde als Antifaschist nicht in die Fürbittengebete der Bekennenden Kirche aufgenommen- das war ja politischer Widerstand.
Ich habe mein Referendariat bei Dr. Gerhard Niemöller am Helmholtz-Gymnasium in Dortmund gemacht. Niemöller hatte seine Dissertation über den sog. Kirchenkampf geschrieben. Da wir politisch auf einer Linie lagen, hat er mir bei privaten Besuchen so manches über seine Onkel Martin erzählt. Ich war in der 68ger-Bewegung aufgewachsen in der Verehrung des Widerstandskämpfers Martin Niemöller, den ich auch noch selbst im Zusammenhang mit dem Krefelder Appell kennenlernen durfte. Aber:
Der Weg zum Krieg wurde von der Ev. Kirche allgemein gutgeheißen, ging es doch darum, die Schmach von Versailles zu tilgen und Rache für den Dolchstoß von 1918 zu üben. Der damals schon bekannteste Vertreter der BK, Martin Niemöller, hat noch als Privatgefangener (Sondergefangener) Hitlers versucht, doch endlich wieder als Marineoffizier wie im 1. Weltkrieg U-Boot-Kommandant zu werden. Und das nicht irgendwann, sondern nach dem 1.9.1939! 1935 durfte Niemöllers Buch „Vom U-Boot zur Kanzel“ immerhin weiterhin erscheinen, obwohl da Niemöller schon zur 1934 offiziell gegründeten BK gehörte. Niemöller, während des Kapp-Putsches Freikorpsführer im Kampf gegen die Rote Ruhr Armee, begrüßte den Austritt aus dem Völkerbund, die massive Aufrüstung, den Überfall auf Polen und die Sowjetunion! Andere Teile der NSDAP-Politik gefielen ihm besonders gut: Vor allem die Familienpolitik: Frauen gehören als Mütter vieler Kinder in die Familie und an den Herd und sollten politisch den Mund halten.
Niemöller wurde seine „deutschnational-faschistische und rassistische Einstellung vor seiner KZ-Haft und seine politische und militaristische Auffassung noch während der Haft“ (vgl. Prolingheuer, Wir sind in die Irre gegangen, S. 182) nach 1945 lange vorgehalten. Er wurde aus der VVN ausgeschlossen und als er eine USA-Reise gerade als Vorzeige-Widerstandskämpfer ab Dezember 1946 für mehrere Monate machte, wurde er z.T. als „hässlicher Deutscher“ und „unglaubwürdiger Kirchenmann“ (aaO) bezeichnet. Aber unter Adenauer wurde allmählich er ein antifaschistischer und antimilitaristischer Gegenspieler Adenauers. Als die VVN 1962 als angeblich kommunistische Tarnorganisation verboten werden sollte, trat Niemöller an ihre Seite und wurde ins Ehrenpräsidium aufgenommen. Wir hatten nun einen weltbekannten Kirchenpräsidenten an der Spitze.
Da es hierhin passt: der katholische Priester, Kaplan Dr. Joseph Rossaint war schon vor dem Faschismus ein antifaschistischer Widerstandskämpfer. Zusammen mit jungen Katholiken und Kommunisten klärte er über den drohenden Faschismus auf. Das ging nach 1933 so weiter. 1936 wurde er deswegen zu 11 Jahren Zuchthaus verurteilt. Durch Hilfe des Gefängnispersonals überlebte er die Mordaktionen von Gestapo und SS in den letzten Tagen vor der Befreiung vom Faschismus. In NRW gehörte er 1946 zu den Gründern der VVN. Seit 1961 gehörte Rossaint dem Präsidium der von ihm mitbegründeten „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN, ab 1971 VVN-BdA) an, von 1971 bis 1990 war er deren Präsident.“ Als Rossaint 1936 verurteilt wurde, trat Kardinal Schulte aus Köln ihm in keiner Weise zur Seite, auch richtete der Kardinal kein Gnadengesuch an die faschistischen Behörden. Ebensowenig kümmerte sich der Nachfolger Schultes (gest. 1941) Kardinal Frings um seinen inhaftierten Kaplan. Nach der Befreiung allerdings forderte Frings von Rossaint, alle Beziehungen zu Kommunisten abzubrechen. Rossaint tat das nicht und musste den kirchlichen Dienst verlassen.
Festzuhalten bleibt: Die VVN als angeblich kommunistische Tarnorganisation wurde von wichtigen Evangelischen und Katholischen Geistlichen geleitet.
Ein besonderes Kapitel ist der Kampf beider Kirchen gegen das Neuheidentum.
1930 erschien das Buch von Alfred Rosenberg „ der Mythos des 20 Jahrhunderts“.
Rosenberg propagierte eine Abkehr vom jüdisch-christlichen Glauben hin zu dem Glauben der germanischen Vorfahren. Aus christlicher Sicht also Heiden. Es gab zahlreich deutsch-gläubige, am Germanentum orientierte Sekten. Am bekanntesten ist wohl „der Bund für Deutsche Gotteserkenntnis des ehemaligen kaiserlichen Generalfeldmarschalls Ludendorff und seiner Frau Mathilde. (Dieser Bund existiert bis heute!). Da im Programm der NSDAP steht, dass die Partei ein „positives Christentum“ vertritt, beriefen sich alle Kirchenvertreter auf das NSDAP-Parteiprogramm, um die Gläubigkeit an germanische Götter strikt zu verurteilen, gerade auch weil diese Germanen-Anhänger sich „gottgläubig“ nannten. In seiner Regierungserklärung vom 23.3.1933 hatte Hitler auch ausdrücklich die beiden christlichen Konfessionen als wichtig für die Erhaltung des deutschen Volkstums genannt. Er wusste natürlich, dass gerade die ev. Kirche „zahllose „Alte Kämpfer“ der NSDAP aufzuweisen (hatte), die maßgebenden Anteil an der Beseitigung des verhaßten Weimarer „Systems““ hatten (Prolingheuer, Wir sind in die Irre gegangen, S. 39).
„…Hitler dachte auch nicht im Traum daran, die Rosenbergsche Weltanschauung des kirchenfeindlichen „Mythus“-Glaubens als die NS-Weltanschauung – womöglich als nationalsozialistische Staatskirche –anzuerkennen.“ (Prolingheuer, aaO, S. 54). Angeblich war es (Bischof –W.D.)) Bischof Conrad Gröber, der Hitler schon 1925 vom völkisch-religiösen Kurs abgebracht hat hin zum „positiven Christentum“. (G.Denzler, in: Die Zeit, 3.9.1982, SS-Spitzel mit Soutane, Wie die katholischen Bischöfe im Dritten Reich mitschuldig wurden). Gröber war auch nach 1933 ungebrochen der Meinung, eine friedliche Koexistenz zwischen Kirche und Faschismus sei möglich. Er führte in seiner Diözese Freiburg den Deutschen Gruß auch im Religionsunterricht ein. Er war bis 1938 „Förderndes Mitglied der SS“. Wegen Liebesbeziehungen o.ä. zu verschiedenen Frauen, unter denen ausgerechnet auch eine Jüdin gab, riet Himmler zum freiwilligen Austritt aus dem Förderkreis.
Heinrich Himmler verfolgte eigene Ansichten, wie die germanische Religion ausgesehen haben könnte. In der Wewelsburg bei Paderborn huldigt er z.B. der Schwarzen Sonne. Hitler nannte das „ heidnischen Unfug“, ließ aber Himmler sein Steckenpferd.( https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_Sonne#Das_Ornament_in_der_Wewelsburg)
Der sog. Kirchenkampf im Faschismus galt auch diesem sog. Neuheidentum.. Die Gottgläubigen hatten 1939 2,7 Millionen Anhänger*innen, die sich bei einer Volkszählung als „gottgläubig“, gemeint waren germanische Götter, bezeichneten.(Prolingheuer, aaO, S. 53).
Teile der „Bekennenden Kirche“ versuchten, die Grenzen zwischen den Deutschen Christen und den „germanischen Sekten“ zu verwischen. (Das tat im Grunde dann auch die Papst-Denkschrift „Mit brennender Sorge“, in der es weniger um den Faschismus ging, als vielmehr um den zu bekämpfenden und auszurottenden Bolschewismus und die Sorge, dass auch katholische Christen “germanisch“ werden könnten. Dazu wurden vermutliche oder tatsächliche Verletzungen des Konkordats durch die faschistische Regierung festgestellt. Das faschistische Regime wurde dabei nicht angegriffen, sondern partikular die eine oder andere Behörde als leider übergriffig kritisiert.
Die katholische Kirche
Für die Katholische Kirche und ihre aktiven Mitglieder galt zumeist bis Beginn 1933, dass sie dem Zentrum treu zu bleiben hatten und auf keinen Fall NSDAP wählen dürften. Das war in manchen katholischen Kreisen durchaus umstritten.
Am 28. 3.1933 und dann am 8. Juni 1933, revidierte die katholische Kirche in Deutschland öffentlich ihre kritische Haltung gegenüber der nationalsozialistischen Regierung. In einem Hirtenbrief verkündeten die in Fulda tagenden Bischöfe und Kardinäle: „Es fällt deswegen uns Katholiken auch keineswegs schwer, die neue, starke Betonung der Autorität im deutschen Staatswesen zu würdigen und uns mit jener Bereitschaft ihr zu unterwerfen, die sich nicht nur als eine natürliche Tugend, sondern wiederum als eine übernatürliche kennzeichnet, weil wir in jeder menschlichen Obrigkeit einen Abglanz der göttlichen Herrschaft und eine Teilnahme an der ewigen Autorität Gottes erblicken ( Röm. 13,1 ff.)“ Die katholischen Bischöfe und Kardinäle erklärten, dass sie mit den Zielen der Nazis übereinstimmen:
„Auch die Ziele, die die neue Staatsautorität für die Freiheit unseres Volkes erstrebt, müssen wir Katholiken begrüßen. Nach Jahren der Unfreiheit unserer Nation und der Mißachtung und schmachvollen Verkürzung unserer völkischen Rechte muß unser deutsches Volk jene Freiheit und jenen Ehrenplatz in der Völkerfamilie wieder erhalten, die ihm auf Grund seiner zahlenmäßigen Größe und seiner kulturellen Veranlagung und Leistung gebühren.“ (http://religionsfrei-im-revier.de/2013/06/07/8-juni-1933-vor-80-jahren-verkundet-die-katholische-kirche-ihre-unterwerfung-unter-die-nazi-diktatur/).
Dankbar vollzog die katholische Kirche den Schulterschluss mit den Nazis im Kampf gegen den „mörderischen Bolschewismus“:
Im Sommer 1933 schloss der Vatikan einen internationalen Vertrag mit dem Deutschen Reich, also der faschistischen Regierung in Deutschland: das Konkordat. (Wir sollten immer daran denken, dass bis dahin eigentlich kein Tag ohne faschistische Verbrechen verging. Der Vatikan war bestens über die staatskriminellen Vorgänge in Deutschland informiert.) Der katholischen Kirche wurden im Konkordat, was den innerkirchlichen Raum anging – was anderes wollte sie sowieso nicht – erhebliche Zugeständnisse gemacht, die dann im Laufe der Zeit von den Faschisten auch wieder uminterpretiert wurden. Im Zusammenhang mit dem Konkordatsschluss fand Kardinal Faulhaber jedoch deutliche Worte zur Haltung von Papst Pius XI. zu Hitler und Nazideutschland: „In Wirklichkeit ist Papst Pius XI. der beste Freund, am Anfang sogar der einzige Freund des neuen Reiches gewesen. Millionen im Ausland standen zuerst abwartend und mißtrauisch dem neuen Reich gegenüber und haben erst durch den Abschluß des Konkordats Vertrauen zur neuen deutschen Regierung gefaßt.“[1] Wikipedia a, 5.1.24
Verhandlungsführer war der frühere Nuntius (Botschafter) des Vatikan in Berlin. Dr. theol. und Dr. iur. Eugenio Pacelli. Er wusste selbstverständlich über alles bestens Bescheid, was in dem „neuen Deutschland“ passierte. Das hinderte ihn, inzwischen Staatssekretär, und den Vatikan in keiner Weise am Konkordat. Dieses Konkordat hatte für das faschistische Deutschland einen äußerst hohen Stellenwert: War es doch die 1. international bedeutsame Anerkennung Deutschlands durch den Vatikan, in den Augen vieler Menschen weltweit der höchsten moralischen Instanz der Erde, weil ihr Papst ja Stellvertreter Gottes auf Erden war. Wenn sogar der Papst als erste Regierung der Erde Verträge mit den Faschisten schließt, können die sooo schlimm nicht sein!
Pacelli hielt nach der in seinen Augen Gottes Willen zuwider laufenden Revolution nach 1918/1919 Reden und Predigten gegen die jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung. Tatsache scheint zu sein, dass der Apostolische Nuntius früh in der Weimarer Republik mit solchen Reden Antikommunismus und Antisemitismus förderte. Allerdings waren das sowieso vor allem in bürgerlichen oder gar aristokratischen und militärischen Schichten solide verwurzelte, lange gewachsene Stammtisch- oder Allgemein- oder Kollektivideologien, die nicht besonders gefördert werden mussten. Wenn es der Vertreter des Papstes, Stellvertreter Gottes auf Erden, dennoch tat, umso besser. 1937 verdammte der Vatikan in der Enzyklika „Mit brennender Sorge“ den „Atheistischen Sowjetkommunismus“ – auch eine frühe Rechtfertigung der Faschisten, die Sowjetunion vom „atheistisch-kommunistischen Joch“ zu befreien. Auch die Vergöttlichung einer Rasse wurde als gotteswidrig genannt. Konkrete Einzelheiten wurden vermieden. Juden wurden nicht erwähnt. In der Enzyklika werden Konkordatsverletzungen durch die faschistische Regierung festgestellt.
„Diese Enzyklika wird oft fälschlich als Beweis für die Abneigung der Kirche, Pacellis oder Pius’ XI. gegen den Nationalsozialismus angeführt oder als radikale Verurteilung des Nationalsozialismus dargestellt. Tatsächlich wandte sich die Enzyklika klar und volltönend gegen Verletzungen des Konkordats […].“[ (Wickipedia) Mit zu bedenken ist ja immer, dass der Papst zum italienischen Faschismus beste Beziehungen hatte. Von Mussolini verlangte er u.a., dass bestimmte Bücher nicht erscheinen durften und dass Frauen in schicklicher Badebekleidung an Stränden rumlaufen sollten – falls sie überhaupt sich dort zeigen müssten. Faschistische Jugendgruppen wurden von Priestern betreut. Der Staat bezahlte zahlreiche katholische Aktivitäten.
In Spanien tobte der Kampf der Faschisten General Francos gegen die Republikaner und Kommunisten. Da unterstützte der Vatikan die Faschisten, wo immer es ging. Faschistische militärische Einheiten aus Deutschland (am bekanntesten wohl die Legion Condor) und Italien griffen in Spanien gegen die demokratische Bewegung ein.
Eine irgendwie geartete Kollaboration mit dem Faschismus war nicht nur nicht verboten – anders als mit kommunistischen Bewegungen, sondern z.B. in Spanien sogar ausdrücklich Pflicht. In Italien klappte die Zusammenarbeit mit Mussolini ebenfalls.
Pacelli wurde 1939 Pius XII. Seine Rolle gegenüber den deutschen und italienischen sowie spanischen Faschisten ist oft diskutiert worden.
Was die Judenpolitik des Vatikan angeht, muss immer bedacht werden, dass erst auf dem 2. Vatikanischen Konzil 1962-1965 den lebenden Juden das Attribut „Gottesmörder“ nach langen heftigen Diskussionen nicht mehr offiziell zugesprochen werden sollte. Auf Mord stand ja allemal die Todesstrafe. Irgendeine Reue oder ein Schuldbekenntnis der Kath. Kirche hinsichtlich ihrer Beteiligung an Judenverfolgungen war auch nach der Befreiung vom Faschismus nicht zu erkennen. Bis vor kurzem (Karfreitagspredigt 2008) warb auch Papst Benedikt XVI. für die Mission der Juden, damit die endlich den richtigen Glauben annehmen. Auch wenn eine judenfeindliche Quasi-Gesetzgebung durch das Konzil offiziell abgeschafft wird, bedeutet das natürlich nicht, dass jetzt die Ideologie weg ist.
Die Kirchen nach 1945
Für beide Kirchen bedeutete der 8. Mai 1945 keineswegs den Tag der Befreiung, sondern wie für die meisten Deutschen eine Niederlage, Untergang, Ende, Katastrophe…Beide Kirchen wandten sich gegen die Nürnberger Prozesse, beide Kirchen setzten sich massiv für Nazi-Massenmörder ein. Pius XII. intervenierte persönlich für Otto Ohlendorf, Oswald Pohl, Hans Eisele, Arthur Greiser, Hans Frank, Victor Brack: Alles hochrangige Faschisten und Massenmörder. Das, was die Juden vorher nicht erführen, päpstliche Interventionen, erlebten nun die Mörder. Auch von Galen wandte sich gegen die Nürnberger Prozesse, die übrigen Bischöfe und Kardinäle auch und alle Kirchenführer der EKiD. Für Millionen Ermordete hatten die Kirchen nicht so engagiert wie jetzt für die Mörder.
Kath. Kirche nach 1945
Im Vatikan spielten die Opfer des Holocaust keine Rolle
„ Die Kirchenspitze hat … sehr stark die Nürnberger Prozesse und die Entnazifizierung mit Rache in Verbindung gebracht. Und das wurde aus christlicher Sicht vehement abgelehnt.“
Gerald Steinacher ist dabei, die Nachkriegsgeschichte der Kirche systematisch aufzuarbeiten. Er durchforstete mehrere Jahrgänge des Osservatore Romano, der täglichen Verlautbarungen des Heiligen Stuhls. Die Opfer des Holocaust hätten keine Rolle gespielt. Viel stärker setzten sich Kirchenobere, oft gemeinsam mit der Evangelischen Kirche, für eine Rehabilitierung der Täter ein.
Die Kirchen sahen sich im besetzten Deutschland als die einzigen Fürsprecher der Bevölkerung. Während der Vatikan Kampagnen gegen Entnazifizierungsmaßnahmen fuhr, ließ er Nazi-Größen eine Ehre zuteilwerden, die selten ist in der Kirchengeschichte: Die Wiedertaufe – für diejenigen, die während des NS aus der Kirche ausgetreten waren, aber die Kategorie „gottgläubig“ im Ausweis führten. (https://www.deutschlandfunk.de/katholische-kirche-im-nationalsozialismus-stuetze-und-100.html)
Aus vielen Dokumenten wissen wir heute über die sog. Rattenlinie, auch Klosterroute oder „Römischer Weg“ genannt. Zehntausende von fliehenden Nazi-Verbrechern wurden mit Hilfe kirchlicher Stellen zum größten Teil nach Südamerika gebracht. Der Vatikan stellte gefälschte Pässe aus, leistete sonstige Hilfen, versteckte die fliehenden Verbrecher aus Deutschland in Klostern. Grundbedingung war nur: Die Fliehenden sollte vor allem streng katholisch sein und vor allem gestandene Antikommunisten. Simon Wiesenthal dazu: „Der Vatikan begründet seine Beteiligung an dem illegalen Menschenhandel mit seinem Wunsch, …. Länder mit Menschen zu infiltrieren, wenn sie nur Antikommunisten und Pro-Katholische Kirche …“ sind. Viele Papiere nach Südamerika wurden auch vom Roten Kreuz ausgestellt.
http://religionsfrei-im-revier.de/Hirtenbrief-8-6-33.pdf
Das geheime Zusatzabkommen des Reichskonkordats ist zu finden unter:
http://de.wikipedia.org/wiki/Reichskonkordat#Inhalt_des_Geheimanhangs
Persilscheine machten hunderttausendfach die Runde. Täter und Mittäter stellten sich gegenseitig ein antifaschistisches Zeugnis aus. Besonders beliebt waren Persilscheine von Geistlichen der größten selbsternannten Widerstandsorganisationen, der Kirchen. (https://de.wikipedia.org/wiki/Persilschein). (Vgl. Ernst Klee, Persilscheine und falsche Pässe, 1991). Kriegsverbrecher wie Günther Quandt brachten es auf 30 Persilscheine. (David de Jong, Braunes Erbe, 2022, S. 293), Friedrich Flick brachte es auf 445 Persilscheine, (aaO, S. 315)
Evangelische Kirche nach 1945
Die personelle Identität der Ev. Kirche bleibt nach 1945 gewahrt: Das war eigentlich in allen gesellschaftlichen Bereichen so: Am 16.11.23 lief mal wieder die ARD-Doku: „Mörder werden bevorzugt“ – es geht da um die Nachkriegsgeschichte des BND. Die, die die Morde im Faschismus z.T. befürworteten, befahlen oder auch nicht dagegen protestierten, sind genauso schuldig wie die direkten Mörder – sollte man meinen.
Aber für alle Deutschen galt mehr oder weniger nach dem 8.5.1945 eine kollektive Amnesie oder Anästhesie. Niemand wollte von irgendwas gewusst haben. Alle waren eigentlich dagegen. Das deutsche Volk: Ein Volk von Widerstandskämpfern! (Horst Krüger) Selbst Adenauer war noch Anfang 1946 der Ansicht: “Nach meiner Meinung trägt das deutsche Volk [….] eine große Schuld an den Vorgängen in den Konzentrationslagern, da es sich „fast widerstandslos, ja zum Teil mit Begeisterung“ habe „gleichschalten lassen“ und auch von den Massenmorden habe es gewusst. (vgl. Rigoll, S. 35). Was wäre gewesen, wenn alle Bischöfe an einem Tag von den Kanzeln die Nazis als Verbrecher verurteilt hätten?, fragt Adenauer. Es gab ca. 20.000 ev. Pfarrer und etwas weniger katholische Priester!
Insgesamt begann eine ökonomische, personelle, ideologische, militärische Restauration der BRD. In allen Ämtern bis rauf zu Bundespräsidenten und –kanzlern tummelten sich Politiker*innen, die überzeugte Faschisten gewesen waren und z.T. in die schlimmsten Verbrechen verwickelt waren.
Der einflussreichste Bischofe Dibelius (schon 1918/19 ein Verkünder der „Dolchstoßlegende“, dann der Regisseur und Pfarrer beim Festgottesdienst am 21.3.1933 zur Einführung Hitlers in die Kanzlerschaft, Tag von Potsdam: „Wir haben von Dr. Martin Luther gelernt, dass die Kirche der rechtmäßigen Gewalt nicht in den Arm fallen darf, wenn sie hart und rücksichtslos schaltet! Wenn der Staat seines Amtes waltet gegen die, die die Grundlagen der staatlichen Ordnungen untergraben, gegen vor allem die, die mit ätzendem und gemeinem Wort die Ehe zerstören, den Glauben verächtlich machen, den Tod des Vaterlandes begeifern, – dann walte er seines Amtes in Gottes Namen!“ (zit. Nach Theodor Immer, „ „… tönendes Erz und klingende Schelle“, in Junge Kirche 2/83, S. 67). Dibelius in der gleichen Predigt: „Mit Gott zu neuer Zukunft! In Millionen Herzen glüht die Hoffnung, dass diese Zukunft eine Zukunft neuer deutscher Freiheit werde! Noch liegen auf uns die Lasten der Vergangenheit! Noch seufzen Hunderttausende von Brüder und Schwestern, die Gott zu Gliedern eines freien Volkes berufen hat, unter fremder Knechtschaft!“). Dibelius hielt nicht nur am „Tag von Potsdam“ am 21.3.1933 die Festpredigt, sondern auch im September 1949 zur Eröffnung des 1. Deutschen Bundestages. Dibelius, bekennender Antisemit, wurde dann 1949 von dem bekennenden Antisemiten Bischof Theophil Wurm, der 1945 in Treysa zum 1. Ratsvorsitzender der gerade neu gegründeten Evangelischen Kirche in Deutschland (!!), zu seinem Nachfolger als Ratsvorsitzenden gemacht. Bischof Hanns Lilje, bekennender Nazi-Pfarrer bis 1945, bekommt einflussreiche Stellungen innerhalb der EKD, aus denen heraus er verkündet, dass der Einsatz der Atombombe gegen Bolschewisten mit dem christlichen Glauben vereinbar sei. Zum Krieg hatte er eine dezidierte Meinung; 1941 wurde seine Schrift „Der Krieg als geistige Leistung“, eine Kriegsverherrlichung, veröffentlicht.
Während alle Organisationen und Verbände von den Westalliierten auf ihre Mitschuld am Faschismus überprüft wurden, machten die evangelische und katholische Kirche als einzige Großorganisationen nicht nur einfach weiter, sondern wurden kollektiv als Widerstandsorganisationen anerkannt, die außerdem noch einen Opfermythos um sich herum aufbauten. „Dem alten und neuen bayerischen Landesbischof Hans Meiser (gelang es – W.D) im Zusammenwirken mit den amerikanischen Besatzungsbehörden, die von ihm, dem Förderer und Stabilisator des Hitler-Faschismus und –Militarismus, mitgeleitete „Bekennende Kirche“ als antifaschistische „Widerstandsbewegung“ anerkennen zu lassen.“ (Prolingheuer, Wir sind in die Irre gegangen, S. 162). Damit gibt Meiser einen „Generalpersilschein“ für die zahllosen Mitglieder der NS-Parteiorganisationen und SS-Männer in der Bekennenden Kirche (BK)…“ (Prolingheuer, aaO, S. 163).
Die westlichen Alliierten fielen auf die Selbstdarstellungen der Kirchen, kollektiv Widerstand geleistet zu haben, nach 1945 einfach rein. Kardinal Faulhaber tischte der amerikanischen Militärregierung z. B. dreiste Lügen auf und wirkte wesentlich an der Entstehung des Mythos vom generellen kirchlichen Widerstand mit. https://hpd.de/artikel/kardinal-faulhaber-fragwuerdiger-kirchenfuerst-21566. Aber die westlichen Alliierten hatten ein großes Interesse an den Kirchen. Die Kirchen als wichtige antikommunistische Ideologieproduzenten – und agenten mussten in den Kalten Krieg gegen die Sowjetunion eingebunden werden. Beide Kirchen machten gerne mit. Aus dem faschistischen Erbe wurden Antikommunismus, Antisozialismus, Antibolschewismus und Militarismus als Staatsreligionen übernommen. Gegen Sinti und Roma und etwa Homosexuelle wurden z.T. die faschistischen Gesetze beibehalten. Erst 1974 wurde das „Erbgesundheitsgesetz“ außer Kraft gesetzt, was nicht bedeutet, dass auch in den Köpfen der Ärzte usw. auch die Ideologien außer Kraft gesetzt wurden, die einst bis 1974 zu dem Gesetz geführt hatten. Die Homosexuellengesetze wurden erst nach dem sog. Beitritt der DDR zur BRD erst 1994 gestrichen.
Sowohl im Stuttgarter Schuldbekenntnis der Ev. Kirche im Oktober 1945, zustande gekommen auf Druck des ÖRK, als auch im Darmstädter Wort vom August 1947 findet sich nichts zu dem Mord an 6 Millionen Jüd*innen und vielleicht 500.000 Sinti- und Roma und vielen Tausenden Morden an „menschenunwürdigem“ „unwertem“ menschlichen Leben. Dennoch wurden diese Schuldbekenntnisse von großen Teilen der Kirche heftig kritisiert. „Man“ fühlte sich ja unschuldig, höchstens da und dort verführt.
Auch die Bekennende Kirche verstieg sich noch 1948 zu folgenden Sätzen: In einer weiteren Erklärung sprach 1948 die Mehrheit des Reichsbruderrats bereits „Ein Wort zur Judenfrage“, aber wie! Indem Israel den Messias gekreuzigt habe, habe es seine Erwählung verworfen (die alte Gottesmördertheologie). Zwar erkenne die Kirche gleichwohl im Juden den irrenden Bruder, „den sie liebt und ruft“. Aber in Ziffer 5 schreiben die Theologen: „Daß Gott nicht mit sich spotten läßt, ist die stumme Predigt des jüdischen Schicksals, uns zur Warnung, den Juden zur Mahnung, ob sie sich nicht bekehren möchten zu dem, bei dem allein auch ihr Heil steht.“ So schob die Bekennende Kirche 1948 den Holocaust dem allmächtigen gütigen Gott unter, der auch Gerechtigkeit walten lässt. Man vergaß dabei zu erwähnen, dass es nicht Gott, sondern die Leiter von sieben evangelischen Landeskirchen waren, die am 17. Dezember 1941 öffentlich erklärt hatten: „Eine deutsche Evangelische Kirche hat das religiöse Leben deutscher Volksgenossen zu pflegen und zu fördern. Rassejüdische Christen haben in ihr keinen Raum und kein Recht“, zumal die Kirchen „in der Front dieses historischen Abwehrkampfes“ gegen die Juden als den „geborenen Welt- und Reichsfeinden“ im Einklang mit Martin Luther stünden. (https://hpd.de/artikel/kirchen-und-juden-22003)
Und heute?
Bis heute ist die Evangelische und Katholische Kirche unfähig, Kriege der BRD zu verurteilen. Wenn eine Bischöfin da nur sanfte Kritik dran übt (Margot Käßmann: In Afghanistan ist nicht alles gut) wird sie aus dem Dienst entfernt bzw. ist zahlreichen Verleumdungen ausgesetzt. Ihre „Alkoholfahrt“ war sicher nicht das Hauptmotiv.
Kriegstüchtige Erklärungen werden heute abgegeben: Ein Beispiel: Die deutsche lutherische Kirche (VELKD) stellt regelmäßig Texte und Predigten zum freien Gebrauch der Pfarrer*innen zur Verfügung. Zu Weihnachten 2023 etwa das „Gebet zur Christnacht“. Es sollte um Frieden in der Welt gebetet werden, diesmal „… besonders für die Menschen im Heiligen Land, für die entführten Geiseln und für die, die um sie bangen, für die verängstigten Menschen in Gaza.“ So die Darstellung des neuen Krieges, als die UNO-Organisationen schon ca. 20.000 zerbombte, zerfetzte, zerschossene tote Palästinenser*innen meldeten (bis heute sind es wahrscheinlich 50.000) , darunter 1/3 Kinder und 1/3 Frauen. In diesem Gebet wird auch allen gedankt, „die jetzt für andere da sind: die Dienst tun bei der Bundeswehr, bei der Polizei, in der Feuerwehr, im Rettungsdienst, in den Krankenhäusern, auf den Pflegestationen, im Justizvollzug, in den Bahnhofsmissionen – überall da, wo Menschen auf Hilfe und Zuwendung von anderen angewiesen sind.“ So bekommt die Bundeswehr ihren ersten Platz in der Liste der Wohltätigkeitsorganisationen. (Horsta Krum, Friede auf Erden?, in: jW 17.1.2024)
Friedensaufrufe und zahlreiche antikapitalistische Aufrufe des Papst Franziskus werden von den deutschen Leitmedien entweder gar nicht oder nur am Rande erwähnt. Oder sie werden einem nicht mehr zurechnungsfähigen alten Mann zugeschrieben. Von den Bischöfen und Priestern werden antikapitalistische und antimilitaristische Worte des Papstes wohl nicht wahrgenommen, von den Gemeinden wohl auch nicht.
Beide Kirchen hätten zahlreiche Möglichkeiten, immer und immer wieder Verhandlungen zwischen Kriegsparteien zu verlangen statt zu schweigen zu immer mehr Mordinstrumenten, die auf Steuerkosten jeweils der „befreundeten“ Kriegspartei geschickt werden.
Aber die Kirchen sind wie immer Herrschaftsorgane, passen sich ideologisch und theologisch an, wollen ihre Privilegien erst gar nicht aufs Spiel setzen. Sie unterschreiben keine Ostermarschaufrufe, sondern wie jüngst in Bochum Aufrufe, noch mehr Waffen an die Ukraine zu schicken und das Morden fortzusetzen und leisten damit militärischen und politischen Eskalationen und dem potenziellen kollektiven Selbstmord der Menschheit im Atomkrieg Vorschub.
n die Kirchen Vorbereiterinnen und Mittäterinnen des Faschismus in Deutschland?