Neue Helden braucht das Land!
Anmerkungen zum Antikriegstag 2009
Wie nennt man/frau tote BundeswehrsoldatInnen? Der Kriegsminister wollte sich nicht festlegen. Erst einmal ist ihm das Wort „Gefallene” öffentlich über die Lippen gekommen. Da die Bundeswehr nur weltweite Friedenseinsätze oder humanitäre Operationen durchführt, aber keine Kriege, kann von „Gefallenen” nicht gesprochen werden, weil der Begriff mit Krieg assoziiert wird.
Es heißt also manchmal schlicht „einem islamistischen Terrorangriff zum Opfer gefallen” oder „ums Leben gekommen” oder „in einem Hinterhalt ermordet” oder „sein Leben verlieren”. „Terror”, „Hinterhalt”, „Mord” – wie die Begriffe schon signalisieren – ist böse und wird nur von den „Feinden”, „Terroristen” begangen. Erschießen Bundeswehrsoldaten eine ganze Familie, ist das „ein bedauernswerter Unglücksfall”, „ein einmaliges Missverständnis”.
Auf jeden Fall sind diese SoldatInnen für Freiheit und Frieden umgekommen, nicht bei der Sicherung der globalen Kapital- und Warenströme des deutschen Großkapitals bzw. bei der Sicherung der Freiheit dieser Konzerne, irgendwo global Menschen und Natur (unsere Rohstoffe!) in aller Freiheit auszubeuten.
Und wer darf in das neue „Ehrenmal” in Berlin? Nur SoldatInnen, die direkt im Krieg, Entschuldigung, bei Frieden schaffenden Aktionen, getötet wurden? Oder auch diejenigen, die „bei ganz normalen Unfällen” zu Tode gekommen sind? Und wo fanden die „Unfälle” statt? Bei Manövern „zu Hause” oder in Feindesland, das von Terroristen beherrscht wird? (Entschuldigung: Im Land der zu Befreienden!) Wie ist es mit denen, die unter „friendly fire” eventuell geraten? Und es gibt eine ganz erkleckliche Zahl von Selbsttötungen – gehören diese Toten auch ins Ehrenmal? Immerhin haben bis zum 12.3.2009 nach Angaben des Kriegsministeriums seit einschließlich 1957 3.417 Soldaten Suizid begangen, einschließlich 18 bei Auslandseinsätzen.
Der Minister meint, die SoldatInnen sollten als Helden verewigt werden, „die in Folge der Ausübung ihrer Dienstpflichten für die Bundesrepublik Deutschland ihr Leben verloren haben”. Was ist mit den Soldaten, die vorher in Afghanistan mit menschlichen Schädelknochen posierten? Oder die vorher an einem Checkpoint eine ganze Familie erschossen haben? Wenn die nun der Tod am Hindukusch oder sonst wo ereilt? Was ist mit den 18 Suizid-Opfern? Lässt sich ein Zusammenhang mit der „Ausübung der Dienstpflichten” leugnen?
Das Fernsehmagazin Kontraste brachte im April 2009 einen Beitrag über die Helden-Erziehung bei der Bundeswehr mit Hilfe von soldatischen Heldengeschichten aus dem Faschismus. Überhaupt werden Lehrbücher aus dem Faschismus z.T. heute noch bei der Bundeswehr offiziell benutzt. Gibt es SoldatInnen, die sich wirklich an ihren heroischen Großvätern von Stalingrad und vor Tobruk oder sonst wo ein Beispiel nehmen und deswegen „zu Tode kommen”?
Für das im Oktober 2008 eingeführte Ehrenkreuz, offiziell Tapferkeitsmedaille, gilt ähnliches: Mit dem Ehrenkreuz sollen SoldatInnen ausgezeichnet werden, „deren Tapferkeit weit über das normale Maß”, das von allen SoldatInnen erwartet wird, „hinausgeht“. Was ist das normale Maß an Tapferkeit, welches Maß geht darüber hinaus, welches Maß geht weit darüber hinaus? So manche Kabarettsendung wird sich noch damit zu befassen haben.
Was ist mit den offiziell von der Bundeswehr zugegebenen 422 Fällen von PTBS – Kranken? (PTBS = Posttraumatische Belastungsstörung). Wie kommt SoldatIn bei der karitativen Arbeit am Hindukusch an PTBS? (Die Dunkelziffer wird ca. zehnmal höher geschätzt). Was ist, wenn sich jemand von denen umbringt? Das hat dann doch auch was mit der „Ausübung der Dienstpflichten” zu tun?
Weitgehend unbemerkt von der sog. demokratischen Öffentlichkeit hat der neue und alte Bundespräsident einen Geschichtswettbewerb ausgerufen, in dem es auch um Heldensuche geht. Bis 1977 ging es seit 1973 erst um eine Idee Gustav Heinemanns, Persönlichkeiten aus den deutschen Freiheitsbewegungen, aus den deutschen revolutionären Traditionen herauszuarbeiten. Das wurde schon 1977 gestrichen, so dass manche heute auf Helmut Rahn als deutschen Helden kommen oder auf irgendwelche antikommunistischen Priester.
Der etwas aus der Mode gekommene Wettbewerb wurde 2008 wiederbelebt durch Kreise des Reservistenverbandes der Bundeswehr, die das „Eiserne Kreuz” für tapfere Soldaten haben wollten. Das neue Ehrenkreuz, Tapferkeitsmedaille genannt, ist dem Eisernen Kreuz auch sehr ähnlich. Die Springer-Zeitung „Die Welt” nannte in diesem Zusammenhang die BRD ein „glückliches Land”, „das Helden braucht, um dieses Glück zu verteidigen.” Schon sind wir wieder bei der Verteidigung Deutschlands am Hindukusch, im Kongo, vor den Küsten Indiens und Afrikas.
Wolfgang Dominik
August 24th, 2009 at 21:49
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