Der 8. Mai ist und bleibt Tag der Befreiung
„Wenn die letzten überlebenden
Häftlinge gestorben sind, bleibt
vermutlich nur das Kriegsende;
keine Befreiung – keine Befreier“, schrieb Cornelia Kerth,
Bundesvorsitzende der VVN-BdA,
in einer Gastkolumne für die
Wochenzeitung „Unsere Zeit“
vom 2. Mai 2014. Und sie fährt
fort: „Lassen wir es nicht so weit
kommen! Nutzen wir den 8. Mai
zur öffentlichen Erinnerung an die
Befreiung, an die Kämpfe und die
Kämpfer/innen, denen wir sie
verdanken.“
Der Wortlaut des Beitrages:
Genau 40 Jahre hat es gedauert,
bis ein Bundespräsident an einem
8. Mai von Befreiung gesprochen und damit einen Perspektivenwechsel eingeleitet hat.
Bis dahin hatte die Sicht der Nazis, der Deutsch-Nationalen, der „Frontkämpfer“, der
Profiteure und Mitläufer das offizielle Vokabular geprägt: Zusammenbruch,
Kapitulation, Besatzer. Mit Weizsäckers Rede wurde die Perspektive der Verfolgten des
Nazi-Regimes „gesellschaftsfähig“, der 8. Mai wurde im bundesdeutschen Geschichts-
diskurs zum Tag der Befreiung. Und wo es Befreiung gibt, gibt es auch Befreier.
Nach der „Wehrmachtsausstellung“ war dann auch klar, dass jeder Tag, an dem die
Ostfront hielt, den Betrieb der Krematorien in Auschwitz verlängerte.
Inzwischen hat allerdings der Planungsstab der Bundeswehr in den „Verteidigungs-
politischen Richtlinien“ die „Aufrechterhaltung des freien Welthandels und des
ungehinderten Zugangs zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt“ zum Auftrag der
Bundeswehr erklärt. Seit 1998 ist Deutschland wieder ein Krieg führendes Land und ein kriegsbereiter Bundespräsident denunziert „jene, die Deutschlands historische Schuld benutzen, um dahinter Weltabgewandtheit oder Bequemlichkeit verstecken.“
Der Versuch, mithilfe der Totalitarismustheorie Unvergleichliches gleichzusetzen, wie
es Anfang der 1990er Jahre bspw. in den Gedenkstätten Sachsenhausen, Ravensbrück
und Buchenwald versucht wurde, war damals noch auf scharfen Protest im Europa-
Parlament gestoßen. Mit der EU-Osterweiterung kommen von dort die heftigsten
Vorstöße für ein „neues europäisches Geschichtsverständnis“, gipfelnd im Beschluss, den 23. August zum europäischen Gedenktag an die „Opfer von Faschismus und
Stalinismus“ zu machen.
ln Kiew, wo die EU-Osterweiterung an Oligarchen und Parlament scheiterte, zeigt sich Außenminister Steinmeier Seit‘ an Seit‘ mit dem Anführer der Partei Swoboda, die sich auf den ukrainischen Nazi-Kollaborateur und Massenmörder Stepan Bandera beruft.
Kurz darauf erkennt die Bundesregierung eine Regierung an, in der neben Swoboda
auch der militant-faschistische „Rechte Sektor“ eine Rolle spielt. Im folgenden Konflikt
zwischen der „neuen“ Ukraine und Russland ist das Feindbild klar: der Russe ist ’s.
Und schon ergreift das „größte Drecksblatt der westlichen Welt“ (H. Gremlitza)
zusammen mit der Berliner Schwester aus dem Hause Springer die Initiative für eine
Petition: „Die russischen Panzer am Berliner Tiergarten sollen entfernt werden.“
Noch dümpelt die Kampagne dahin, aber das kann sich ändern. Der 8. Mai 1945
ist bereits zum „Tag der Befreiung der Konzentrationslager und des Kriegsendes“
geschrumpft. Wenn die letzten überlebenden Häftlinge gestorben sind, bleibt
vermutlich nur das „Kriegsende“. Keine Befreiung – keine Befreier.
Lassen wir es nicht so weit kommen! Nutzen wir den 8. Mai zur öffentlichen Erinnerung
an die Befreiung, an die Kämpfe und die Kämpfer/innen, denen wir sie verdanken.
Und erinnern wir an das Vermächtnis der befreiten Häftlinge von Buchenwald.