Nach 64 Jahren:
Urteile der Nazi-Militärjustiz aufgehoben
Der spätere Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Hans Filbinger (†), war einer der Richter, der im Dienste der Nazi-Militärjustiz Todesurteile gegen Deserteure der Wehrmacht verhängte.
Während Filbinger 1978 nach dem Bekanntwerden der Urteile zurücktreten musste, hatten seine Urteile noch 31 Jahre Gültigkeit.
Erst im September 2009 beschloss der Bundestag gegen den lang anhaltenden Widerstand vor allem aus CDU/CSU-Kreisen die Aufhebung aller Urteile der Nazi-Militärjustiz. Mit dem jetzt beschlossenen Gesetz erhielten alle jene Menschen posthum ihre „Ehre und Würde” zurück. Solidarität und Hilfe für Kriegsgefangene, Widerstandskämpfer und verfolgte Juden, die Weigerung, an Erschießungen teilzunehmen oder das Entfernen von der Truppe wurde von Nazijuristen wie Filbinger mit dem Todesurteil bestraft, die meist auch die sofortige Vollstreckung anordneten.
Günter Gleising
Wir dokumentieren folgenden Artikel und Kommentar aus der WAZ vom 09.09.2009:
Bundestag hebt NS-Urteile auf
Berlin. Der Bundestag hat alle Urteile der NS-Militärjustiz gegen so genannte Kriegsverräter aufgehoben. Mit dem von allen Fraktionen gebilligten Gesetz erhielten all jene Menschen posthum und pauschal ihre Ehre und Würde zurück, die von NS-Richtern zuweilen wegen Lappalien verurteilt und hingerichtet wurden.
Eine politische widerständige Gesinnung, Solidarität mit verfolgten Juden oder die Hilfe für Kriegsgefangene reichten in zahlreichen Fällen für ein Todesurteil in den Kriegszeiten aus.
DER KOMMENTAR
Jahre der SchandeRolf Potthoff
Mit unerbitterlicher Brutalität ging das NS-Regime gegen jeden Deutschen vor, der auch nur ansatzweise gegen die innenpolitischen Ziele oder die Eroberungsfeldzüge Hitlers Widerspruch zu äußern wagte. Die Militärjustiz der Nationalsozialisten hatte absolut freie Hand, sie durfte sich an Zivilisten, an so genannten Kriegsverrätern vergreifen.
So wurden Menschen geächtet, die eventuell einem Juden oder Kriegsgefangenen geholfen hatten, mehr nicht. Doch wegen angeblicher „indirekter militärischer Folgen“ verhängten Hitlers Blutrichter Todesurteile.
Kein einziger Richter der NS-Militärjustiz wurde jemals für seine Taten, für Rechtsbeugung und Gesinnungsjustiz zur Rechenschaft gezogen. Doch die „Kriegsverräter“, die damals dem Henker entgingen, waren bis heute stigmatisiert.
Eine Schande im elementarsten Sinne des Wortes, dass dieser Staat sechs Jahrzehnte brauchte, um die Opfer der Willkürjustiz ohne jedes Wenn und Aber zu rehabilitieren. Aber womöglich geistert noch immer (gar schon wieder?) die Meinung „Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein“ in zu vielen Köpfen herum.
Oktober 14th, 2009 at 20:35
[…] Nach 64 Jahren: Urteile der Nazi-Militärjustiz aufgehoben von Günter Gleising […]