Eine nicht gehaltene Rede
Von den Nazis in Bochum war für die meisten der Demonstrant_innen gegen die Faschisten nichts zu hören und zu sehen. Die Aktion des „Bochumer Bündnis gegen Rechts“, in der selbstverständlich die VVN-BdA Bochum vertreten ist, war gerade auch angesichts der kurzen Mobilisierungszeit und der Sommerferien ein voller Erfolg. Die vorgesehenen Reden wurden gar nicht erst gehalten, weil die Faschisten pünktlich um 16.00 Uhr mit ihrer Veranstaltung begannen und von da an Trillerpfeifen, Musik und Sprechchöre wie vorgesehen ihre Propaganda übertönte und zahlreiche Transparente sie unsichtbar machten. Um ca. 17.00 Uhr war die Veranstaltung schon beendet. Nähere Einzelheiten und einige der nicht gehaltenen Reden finden sich auf www.bo-alternativ.de.
Die Rede des VVN-BdA-Mitglieds Wolfgang Dominik dokumentieren wir hier auf jeden Fall.
Ich begrüße alle Antifaschistinnen und Antifaschisten zu dieser Veranstaltung!
Mein Name ist Wolfgang Dominik, und ich bin seit Jahrzehnten Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten.
Übrigens: Das Wort Faschismus habe ich erst als Student in der 68er-Bewegung gehört.. Unsere Lehrer, Professoren und alle anderen benutzten den demagogischen Propagandabegriff der Faschisten: Nationalsozialismus, der ja weitgehend bis heute unreflektiert benutzt wird. Die Faschisten waren weder national noch sozialistisch! Die NPD nennt sich nationaldemokratisch. Sie ist weder das eine noch das andere!
Nachdem die NPD 1964 gegründet worden war, hatten Alt- und Jungfaschisten endlich eine Partei mit allen ihren Privilegien. Entsprechend des Art. 139 des GG hätte die Partei sofort verboten werden müssen. Ihr Parteiprogramm, ihr Gedankenungut, ihre Mitglieder machten aus ihrer Rechtfertigung des Faschismus kaum ein Hehl. „Man“ wünschte sich solche Zeiten wieder!
Die Kritiker der NPD kamen vor allem auch aus der VVN, der Organisation, die 1946/47 von überlebenden antifaschistischen Widerstandskämpfern gegründet worden ist. Die VVN hatte und hat das Ziel, über die Ursachen des Faschismus aufzuklären, diese zu beseitigen und auch den letzten faschistischen Verbrecher vor demokratische Gerichte zu bringen.
Selbst das Ahlener Programm der CDU von 1947 hat den Zusammenhang von Kapitalismus und Faschismus und der Notwendigkeit einer anderen Wirtschaftsordnung erkannt.
Das hatte aber auch der 1950 gegründete Verfassungsschutz erkannt:
Die ganze Wucht des sog. Verfassungsschutzes richtete sich nach links oder das, was der Geheimdienst dafür hielt.. Da dieser Inlands-Geheimdienst (wie die anderen Geheimdienste der BRD auch) vor allem mit ehemaligen GeStaPo-Leuten, SA-, SS- und SD-Leuten gegründet wurde mit dem Auftrag, die kapitalistische Gesellschaft vor ihren radikalen Kritikern zu schützen, sollte auch die VVN 1959 verboten werden. Das misslang, weil internationale antifaschistische Beobachter herausfanden, dass zwei hochrangige ehemalige Nazi-Richter uns verbieten wollten und sollten.
Dennoch: Zahlreiche VVN-Mitglieder, unter ihnen der euch allen bekannte langjährige VVN-Vorsitzende in Bochum, Klaus Kunold, wurden z.T. mehrmals wegen ihres antifaschistischen Engagements in die Gefängnisse gebracht, z.T verurteilt von den gleichen Staatsanwälten und Richtern, die schon 1933 und danach Unrecht gesprochen hatten.
In diesem Klima konnte sich die NPD ziemlich ungestört entfalten und eilte von Wahlsieg zu Wahlsieg, obwohl oder gerade weil sie sich sofort nach ihrer Gründung durch die Beteiligung an zahlreichen, damals vor allem antisemitischen, Verbrechen, auszeichnete.. Aber bis heute wird die die NPD – so nannte das einmal Ralf Giordano – von den wichtigsten politischen Repräsentanten wie ein etwas ungezogener Verwandter behandelt. Aber als Verwandter! Exemplarisch: Ein Kollege von mir, Geschichtslehrer, hoher NPD-Funktionär, blieb immer unbehelligt! Als Antifaschist musste ich mir so manche Nachfrage gefallen lassen.
Das politische Klima damals können sich die Jüngeren unter euch gar nicht mehr vorstellen!
„Es waren damals harte Zeiten!“, sagten meine Eltern mir als Kind, wenn ich nach der Herkunft der Trümmern und Ruinen in der Vereinsstraße (hier in Bochum) fragte, in der ich die ersten 10 Jahre meines Lebens verbrachte.
„Es waren damals harte Zeiten!“ , sagten meine fast durchweg männlichen Lehrer auf der Goethe-Schule hier in Bochum, hinter deren Namen oft noch 1954/1955 die Buchstaben z.Wv. standen, zur Wiederverwendung. Erst viel später habe ich erfahren, dass das Ex-Nazis waren, die kurzfristig ihres Amtes enthoben worden sind und mit dem Grundgesetzartikel 131 alle wieder in Amt und Würden übernommen werden mussten. Im Unterricht haben wir gelernt, dass Hitler doch ziemlich schlimm gewesen ist. „Auschwitz, das war ein bisschen zu viel!“, sang später Franz Josef Degenhardt.
„Es waren damals harte Zeiten!“ Und eigentlich waren alle dagegen, dass der Krieg verloren worden war und Bochum ein Trümmerhaufen war!
Als wir 68ger uns umblickten, fragten wir nach der Vergangenheit unserer Eltern und Großeltern, unserer Lehrer und Professoren, unserer Pfarrer, unserer Bundeswehr-Offiziere und natürlich unserer Politiker und Wirtschaftsführer und Geheimdienstchefs.. Das löste bei den Befragten meist nachhaltiges Entsetzen aus und wir wurden sofort „radikal“, damals ein Schimpfwort, genannt! Bei uns löste es nachhaltiges Entsetzen aus, als wir rausbekamen, dass das die Verursacher der „harten Zeiten“ waren!
Und ich wurde dann irgendwann Mitglied der VVN.
Dass die Geheimdienste sich seit den fünfziger Jahren wenig verändert haben, zeigen die Untersuchungsausschüsse zur Thüringer Heimatfront und zur NSU der letzten Wochen.
Die NPD war bei allen diesbezüglichen terroristischen Aktivitäten z.T. durch Funktionäre immer dabei.
Wer weiß, was inzwischen so alles geschreddert worden ist?
Die VVN fordert, die Inlandsgeheimdienste abzuschaffen! Ein NPD-Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht scheiterte 2003, weil in den Chefetagen der NPD sich Dutzende von V-Leuten des sog. Verfassungsschutzes tummelten.
Was der Faschismus an Verbrechen angerichtet hat, zeigt exemplarisch dieser Platz, der zum Gedenken an einen ermordeten Bochumer Antifaschisten Husemann-Platz heißt. Es ist eine weitere Verhöhnung und Schändung des Gedenkens an einen ermordeten Antifaschisten, auf diesem Platz die neuen und doch so alten Faschisten reden zu lassen!
Alle faschistischen Organisationen müssen verboten werden, damit auch so etwas nicht mehr passiert!!
Ich wünsche der heutigen Veranstaltung und uns allen auch in Zukunft im Namen der ältesten antifaschistischen Organisation VVN-BdA einen langen Atem!