Eröffnung des Gedenkortes
„Zwangsarbeiterlager Saure Wiese 1942 –1945“ am „Tag der Befreiung“, Dienstag, den 8. Mai 2012
Nach jahrelangen Vorbereitungen wurde der Gedenk-
ort nun fertiggestellt. Er soll an das Schicksal von Zwangsarbeite-
rinnen und Zwangsarbeitern er-
innern, die in Bochumer und Wat-
tenscheider Betrieben unter un-
würdigen Bedingungen und bru-
taler Unterdrückung arbeiten mussten. Darüber hinaus soll der Gedenkort zur aktiven Ausein-
andersetzung mit dem Faschismus anregen.
Klaus Kunold, der am 26. November letzten Jahres im Alter von 79 Jahren verstor-
bene langjährige Vorsitzende der VVN-BdA Kreisvereinigung Bochum und Initiator des
Gedenkortes „Saure Wiese“, berichtete bei seinen antifaschistischen Stadtrundgängen, “Alle Räder rollen für den Sieg. Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit in Bochum“ stets
über die Geschichte des Bochumer Vereins im Faschismus.
Die in diesem Artikel geschilderten historischen Ereignisse sind im wesentlichen den Berichten von Klaus Kunold während seiner o.a. Stadtrundgänge, sowie dem von ihm verfassten Beitrag „Gedenkort Saure Wiese“ in dem Buch „Von Arisierung bis Zwangs-
arbeit – Verbrechen der Wirtschaft an Rhein und Ruhr 1933-1945“ entnommen.
Die heutige Grünfläche Saure Wiese befindet sich in unmittelbarer Nähe zur Essener Straße und wird vom Ahbach durchflossen.
Im Zweiten Weltkrieg befand sich hier eines der 12 Zwangsarbeiterlager des Bochumer Vereins. Insgesamt bestanden in Bochum und Wattenscheid über 100 Arbeitslager für ZwangsarbeiterInnen. Im Lager „Saure Wiese“ waren zeitweilig bis zu Tausend Zwangs-
arbeiterInnen, darunter viele Menschen aus der Sowjetunion, untergebracht. Außer dem Zwangsarbeiterlager befanden sich auf dem Gelände noch ein Schießplatz des Wer-
kes und eine Geschützstellung.
Die Belegschaft des Bochumer Vereins bestand damals zu 40% aus ausländischen ZwangsarbeiterInnen. Ihre Behandlung und ihre Lebensbedingungen galten als nahezu unerträglich.
Der Betreiber des La-
gers, der Bochumer Verein für Gusstahl-
fabrikation AG, zählte von 1933-45 zu den wichtigsten Rüstungs-
konzernen des faschis-
tischen Deutschlands. Bereits 1936 bestand die Produktion zu 40%
aus Rüstungsgütern.
1933 wurde Walter Borbet, der Generaldirektor des Bochumer Vereins, Mitglied der NSDAP. Da auch die übrigen Direktionsmitglieder den Faschisten nahestanden, war es nicht verwunderlich, dass der Bochumer Verein in der Zeit von 1933 bis 1945 als „nationalsozialistischer Musterbetrieb“ eingestuft wurde.
Mit Fortschreiten des Krieges machte sich, wie in allen Betrieben, auch beim Bochumer Verein, Arbeitskräftemangel bemerkbar. Um in den kriegswichtigen Unternehmen die Produktion aufrecht zu erhalten, wurden Kriegsgefangene, ZwangsarbeiterInnen und KZ-Häftlinge in der Produktion eingesetzt.
Nach 1945 strickte die deutsche Wirtschaft an der Legende,“um die Produktion aufrecht erhalten zu können, hätte sie von Nazidienststellen, gegen ihren Willen, ausländische Arbeitskräfte zugewiesen bekommen“. Tatsächlich war es die deutsche Industrie, die ZwangsarbeiterInnen und Gefangene anforderte, um sie als billige Arbeitskräfte aus-
beuten zu können. So machte sich im Juni 1944 im Auftrage des Bochumer Vereins der Oberingenieur Fritz H. nach Buchenwald auf den Weg, um „geeignete Häftlinge“ für den Betrieb auszusuchen.
Kurz nach dem Krieg dienten die Baracken, in denen die Häftlinge untergebracht waren, noch zivilen Zwecken. In den 1950er Jahren wurden sie dann abgerissen. Später wurde das Gelände als Deponie für giftigen Müll benutzt.
Ende der 1990er Jahre rückte das Thema „Entschädigung für geleistete Zwangsarbeit“ in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. In dieser Zeit entstanden Kontakte der Stadt und der VVN-BdA Bochum zu ehemaligen ZwangsarbeiterInnen, die in Bochumer Betrieben während des Krieges Sklavenarbeit verrichten mussten.
Unter den Besuchern der ehemaligen ZwangsarbeiterInnen waren auch Personen, die im Lager „Saure Wiese” untergebracht waren und auf dem Bochumer Verein arbeiten mussten. Einer dieser ehemaligen Zwangsarbeiter fertigte noch aus dem Gedächtnis heraus eine Skizze des Lagers an und beschrieb den Weg, den er jeden Tag zum Werk gehen musste.
Jahrelang lag das Gelände brach da, ohne dass etwas geschah, bis die Emscherge-
nossenschaft im Jahre 2006 die ökologische Umgestaltung des Ahbaches und ebenfalls die Sanierung der ehemaligen Deponie „Saure Wiese” in ihr Programm aufnahm.
Jetzt wurde die VVN-BdA tätig, um auf die historische Bedeutung des Gebietes hinzuweisen. Klaus Kunold schildert die Initiative der VVN in seinem Beitrag für die Ral-
lye „Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“ wie folgt:
„Wir wandten uns schriftlich an das Umwelt- und Grünflächenamt und machten auf die Historie des Geländes aufmerksam. Das zu- ständige Amt bedankte sich für unsere Informationen. Das war der eigentliche Anfang der Ge-
spräche zwischen dem Umwelt- und Grünflächenamt, dem Kulturbüro, dem Stadt-
archiv und der VVN-BdA. Als erstes vereinbarten wir einen Ortstermin auf der „Sauren Wiese”, um uns ein Bild zu machen, welche Überreste des ehemaligen Zwangsarbeiter-
lagers gesichert werden können, um diese für den Gedenkort zu verwenden. Das Um-
welt- und Grünflächenamt arbeitete Möglichkeiten heraus, wie das Konzept des Gedenk-
ortes innerhalb des Sanierungsplans berücksichtigt werden könnte. Der damalige Pla-
nungszustand wurde im Oktober 2008 vorgestellt. So entstand auch die Idee, den Gedenkort mit künstlerischen Mitteln zu erschließen.
Am 23. Juli 2008 fand wegen der künstlerischen Gestaltung ein Gespräch zwischen dem Künstler Marcus Kiel, dem Stadtarchiv und der VVN-BdA statt. Am 5. Februar 2009 wurde die erstellte Vorlage dem Ausschuss für Kultur und Wissenschaft vor-
gestellt und erläutert. Der Ausschuss billigte die Vorlage.“
Die Eröffnung des Gedenkortes „Zwangsarbeiterlager Saure Wiese 1942 –45“ und die Installation „Laute Stille“ von Marcus Kiel
erfolgt am „Tag der Befreiung“, Dienstag, den 8. Mai 2012 um 18.30 Uhr.
Für die künstlerische Gestaltung des Gedenkortes Saure Wiese hat Marcus Kiel entlang der Wege Zitate von ehemaligen Zwangsarbeitern des Lagers installiert.
Diese Zeugnisse begleiten Passanten ein Stück ihres Weges und führen sie hin zum historischen Standort des Zwangsarbeiterlagers.
Der Gedenkort wird durch die Oberbürgermeisterin der Stadt Bochum,
Frau Dr. Ottilie Scholz, der Öffentlichkeit übergeben.
An den am 26. November 2011 verstorbenen Initiator des Gedenkortes „Saure Wiese“, Klaus Kunold, erinnert Günter Gleising, 2. Vorsitzender der VVN-BdA Bochum.
Anschließend besteht die Möglichkeit zu einem Rundgang über das Gelände.
Ort: Bochum-Wattenscheid, Ahbachstraße / Ecke Bunsenstr.
Links befindet sich der Zugang zum Gedenkort.