8. Mai, Tag der Befreiung vom Faschismus
Unsere VVN-Kameradin Karin Finkbohner hielt am Ehrenrundplatz auf dem Hauptfriedhof am 8. Mai diese Rede:
Heute, am 8. Mai, dem 78. Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg, wollen wir an die vielen Menschen erinnern, die aktiv Widerstand leisteten gegen die Terrorherrschaft des Faschismus. Trotz drohender Haft, Folter oder KZ, trotz Angst und Sorge um ihre Familien setzten sie sich mutig ein gegen faschistische Unterdrückung, Krieg und für eine Welt des Friedens und der Freiheit.
2008 wurde an diesem neu gestalteten Platz die von der VVN gestiftete Stele errichtet. Ihre Inschrift im gedachten roten Dreieck für politische Gefangene im KZ lautet:
„Zum Gedenken an die ermordeten Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime“
Stellvertretend für alle Opfer des Naziterrors gedenken wir dieser acht ermordeten Arbeiter und Widerstandskämpfer.
Die Namen auf den Kissensteinen lauten:
Friedrich Hömberg, ermordet 1943 mit 31 Jahren
Josef Langner, ermordet 1943 mit 43 Jahren
Bernhard Nast, ermordet 1942 mit 42 Jahren
Moritz Pöppe und Johann Schmidtfranz, hingerichtet mit 47 und 46 Jahren in Brandenburg
Wilhelm Schpenk, ermordet 1944 mit 44 Jahren
Wilhelm Thiesbürger, ermordet 1943 mit 28 Jahren
Erich Schröder, ermordet 1937 mit 40 Jahren.
Sie alle gehörten der linkssozialistischen und kommunistischen Arbeiterbewegung an. Bereits vor 1933 kämpften sie gegen eine drohende faschistische Diktatur und mahnten: „Hitler bedeutet Krieg“.
Während die Betriebsleitungen häufig die Faschisten auch finanziell unterstützten, stellten sich große Teile der Beschäftigten in den Betrieben und Zechen dem drohenden Faschismus entgegen.
Auch deshalb war die Arbeiterbewegung das erste Ziel des faschistischen Terrors. Schon im Februar und März 1933 wurden Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschafter in Bochum terrorisiert, verhaftet, gefoltert
zunächst in den über 20 Folterkellern und dem früheren KZ Gibraltar, später in vielen Zuchthäusern und neu errichteten Konzentrationslagern wie Dachau, Papenburg, Oranienburg, Esterwegen, Ravensbrück oder Buchenwald.
Zur größten und aktivsten Widerstandsgruppe gehörten die Kommunisten Pöppe und Schmidtfranz. Wie andere Bochumer Widerstandsgruppen verteilten sie Flugblätter, Handzettel und illegale Zeitungen, betrieben antifaschistische Aufklärungsarbeit, hörten ausländische Feindsender wie BBC und Radio Moskau, leisteten Sabotage in Rüstungsbetrieben und riefen zum Sturz des „Bluthundes“ Hitler auf.
Die Kommunistin Christine Schröder gehörte zu einer dieser Widerstandsgruppen. Auch sie leistete trotz mehrfacher Verhaftungen und Inhaftierungen Widerstandsarbeit. 1937 stand sie wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ vor Gericht und wurde 18 Monate lang in ein Frauenzuchthaus gesperrt und dort misshandelt. Sofort nach ihrer Entlassung nahm sie mutig den Kampf gegen den Faschismus wieder auf, hielt Kontakt zu den anderen WiderstandskämpferInnen aus dem Rüstungsbetrieb Bochumer Verein und machte Kurierdienste.
Genauso wie Hedwig Kunold litt sie an den Folgen ihrer Inhaftierung. Beide Frauen waren nach dem Krieg weiter politisch aktiv, z. B. in der VVN, wo sie sich für die Wiedergutmachung für die vom Faschismus Verfolgten und Entschädigung der ZwangsarbeiterInnen einsetzten.
Änne Kappius, Tochter eines sozialdemokratischen Bergmanns, und ihr Mann Josef Kappius leistete im Internationalen Sozialistischen Kampfbund organisierten Widerstand zunächst in Bochum, dann in Berlin. „Wir haben gedrucktes Material hergestellt, bzw. abgeholt, aufbewahrt, versandt und verarbeitet, wir haben Kurse und Treffen von Freunden aus ganz Deutschland organisiert und durchgeführt.“
Außerdem versteckten und versorgten sie Freunde auf der Flucht vor der Gestapo. Später unternimmt sie von der Schweiz aus zahlreiche Kurierdienste – in ständiger Gefahr entdeckt, verhaftet, getötet zu werden. Deshalb trug sie unter der Haut ihrer Achselhöhle eine Giftampulle.
Erst spät wurde der eigenständige Widerstand der Frauen ausreichend gewürdigt. Denn viele Frauen unterstützen nicht nur ihre Männer, sondern leisteten vielfältige, auch frauenspezifische Widerstandstätigkeiten. Hier einige Beispiele, wie Bochumer Frauen ZwangsarbeiterInnen, Flüchtlingen oder rassistisch verfolgten Menschen halfen und so viele Menschenleben retteten:
Else Sunkel, gelernte Hutmacherin, wurde 1944, mit 21 Jahren zur Küchenarbeit im Zwangsarbeiterlager Bochum-Gerthe zwangsverpflichtet, wo sie sich trotz verbotenem Umgangs mit Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen und der Gefahr einer Anzeige mit den russischen Frauen anfreundete und ihnen Essen, Binden, Babykleidung usw. besorgte. „Klar, was die wollten, habe ich ihnen alles besorgt, da kenne ich nichts. Das konnten sie mir ja nicht nachweisen. …Meinen Vater, den hätten sie ins Konzentrationslager gebracht, wie der auf Hitler geschimpft hat.“
Die Reinigungsfrauen Elfriede P. und Luise C. sowie Aline L. , Prostituierte, arbeiteten im Bordell neben dem Bochumer Verein, von wo aus sie die organisierte Fluchthilfe für französische Kriegsgefangene unterstützten, weshalb sie zu 4 Jahren Zuchthaus verurteilt wurden.
Die jüdische Lehrerin Else Hirsch trug entscheidend mit zur Rettung von jüdischen Schülern und Schülerinnen bei, indem sie 10 Kindertransporte nach England organisierte, bis sie schließlich selbst 1942 mit einigen ihrer SchülerInnen ins Rigauer Ghetto deportiert wurde, wo sie im gleichen Jahr verstarb.
Von 1939 -1945 wurden etwa 120 000 aus politischen, religiösen oder rassistischen Gründen verfolgte Frauen in das Konzentrationslager Ravensbrück gebracht. Zehntausende wurden ermordet, starben an Hunger und Krankheiten. Darunter auch die Bochumerinnen Elisabeth Sievers (SPD) und Martha Wink.
Auch die Jüdin Esther Bejarano aus Saarlouis, Mitglied des Mädchenorchesters in Auschwitz, wurde später in das Frauen-KZ Ravensbrück verlegt, wo sie 1945 auf einem der berüchtigten Todesmärsche fliehen konnte.
Esther Bejarano, langjährige Vorsitzende des Auschwitzkomitees und Ehrenvorsitzende der VVN, war eine unermüdliche Mahnerin und große Kämpferin gegen das Vergessen der menschenverachtenden Terrorherrschaft des Naziregimes.
Mit ihren Worten wollen wir die Lehren für heute ziehen, in Zeiten, in denen wieder europaweit faschistische, rechte und völkische Parteien und Organisationen erstarken, ja sogar an der Regierung sind. In Zeiten, wo wieder Menschen in Deutschland von Rechten, Faschisten und Rassisten attackiert und ermordet werden.
Esther Bejarano: „Wir, die letzten Zeugen des faschistischen Terrors, rufen auf: (…) Aus der Erfahrung unseres Lebens sagen wir: Nie mehr schweigen, wegsehen, wie und wo auch immer Antiziganismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit hervortreten! Erinnern heißt handeln!“
„ Nie mehr schweigen, wenn Unrecht geschieht. Seid solidarisch!… Bleibt mutig! Ich vertraue auf die Jugend, ich vertraue auf euch!
Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“
„Nie wieder Krieg!“ fordern heute wieder hunderttausende Menschen angesichts eines weltweiten Wettrüstens und der drohenden Gefahr eines atomar geführten dritten Weltkrieges um Rohstoffe und Einflusssphären.
Ein Verbot aller faschistischen Parteien und Organisationen ist dringender denn je! Wehret den Anfängen!
Der 8. Mai muss Feiertag werden, ein „Tag der Befreiung der Menschheit vom Hitlerfaschismus“, wie Esther Bejarano forderte. Wir brauchen diesen Tag des lebendigen Erinnerns, einen Tag des Feierns und des solidarischen Zusammenstehens in einem breiten antifaschistischen Bündnis.