Rede von Joachim Schramm
zum Gedenktag an die Opfer des Faschismus
am 14. September auf dem Friedhof Freigrafendamm
In Bochum ist der zweite Septembersonntag in jedem Jahr das Datum des Gedenkens
und Erinnerns an die Opfer des Faschismus und der Würdigung des Widerstandes.
Auch in diesem Jahr rief die die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der
Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), Kreisvereinigung Bochum, dazu auf,
der ermordeten Widerstandskämpfer gegen den Faschismus und Krieg zu gedenken.
Die heutige Gedenkveranstaltung
wurde mit drei künstlerischen
Beiträgen des Chores Chorrosion
eröffnet. Der Chor der Bochumer
IG Metall sang zunächst das
cubanische Lied „Morire´ de cara
al sol“, gefolgt von dem „Chanson
de la liberte“. Zum Schluss trug
Chorrosion „Das Lied von der
Moldau“ nach einem Gedicht von
Bertolt Brecht vor.
Die Ansprache auf der dies-
jährigen Gedenkveranstaltung
hielt Joachim Schramm,
Geschäftsführer der Deutschen
Friedensgesellschaft Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) NRW.
Joachim Schramm erinnerte daran, dass das heutige Gedenken in einem Jahr der
wichtigen Jahrestage stattfindet:
„Vor 100 Jahren begann im August der I. Weltkrieg, in diesem Jahr jährte sich aber am
1. September auch zum 75. Mal der Beginn des II. Weltkriegs. Beide Daten werden
verbunden durch die Spur des deutschen Militarismus, der nach dem I. Weltkrieg eifrig
die Nazis unterstützte bei ihrem Plan, die Welt in den nächsten Krieg zu stürzen. Nicht
durch Zufall war es einer der führenden Militaristen, Generalfeldmarschall
Hindenburg, der Hitler 1933 den Weg an die Macht geebnet. Wenige Jahre später
überzog die deutsche Armee Europa mit Tod und Zerstörung, sie machte den Weg frei
für die Errichtung der Vernichtungslager, in denen Millionen Juden aber auch politisch
Verfolgte ermordet wurden.“
Joachim Schramm fragte dann danach, welche Konsequenzen aus den beiden großen
Kriegen gezogen wurden, an die wir uns in diesem Jahr erinnern? Er erinnerte daran,
dass sich Anfang der 90er Jahre das östliche Militärbündnis auflöste, während das
westliche, die NATO, zum übermächtigen Zusammenschluss der Industriestaaten
aufstieg. Es wurde die Chance vertan, der UNO als neutrale Instanz zu neuer Stärke zu
verhelfen und es wurde versäumt, in Europa ein gemeinsames System gegenseitiger
Sicherheit unter Einschluss Russlands zu installieren.
Stattdessen dehnte sich entgegen früherer Absprachen die NATO immer weiter in
Richtung russischer Grenze aus. Vor diesem Hintergrund ist auch der Ukraine-
Konflikt zu sehen.
„Wir sagen heute deutlich:
Ein friedliches, sichereres
Miteinander in Europa ist nur
mit, nicht gegen Russland
möglich“, so Joachim Schramm.
„Doch unsere Regierung gehört
nicht zu denen, die Konsequenzen
aus den zwei von Deutschland
angezettelten Kriegen ziehen
wollen, nicht im Ukraine-Konflikt
und auch nicht im Krieg im Irak.
2012 hat Kanzlerin Merkel zum
ersten Mal davon gesprochen,
dass Deutschland statt Soldaten
vermehrt Waffen in Kriegsgebiete
liefern wolle, um so der Regierung genehme Kriegsparteien zu unterstützen.
Jetzt ist diese Vorhaben Wirklichkeit geworden, Deutschland liefert Waffen in die
Kriegsregion Irak…“
„Artikel 26 des Grundgesetzes verpflichtet Deutschland, für das friedliche
Zusammenleben der Völker einzutreten. Gemäß den beiden Ausführungsgesetzen des
Rüstungsexports, dem Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) und dem Außen-
wirtschaftsgesetz (AWG), kommen Waffenexporte nicht in Betracht, wenn die innere
Lage des betreffenden Landes dem entgegensteht, so bei bewaffneten internen
Auseinandersetzungen. Vor diesem Hintergrund hat meine Organisation, die DFG-VK in
diesen Tagen einen Aufruf gegen diese Waffenlieferungen gestartet.“
(Dieser Aufruf kann im Internet unter www.dfg-vk.de unterzeichnet werden.)
Joachim Schramm ging auch auf den Versuch der Bundeswehr ein, Kinder und
Jugendliche an Schulen und anderswo zu werben:
„Krieg beginnt hier und wir alle sind gefordert, ihn zu be- und verhindern. Er beginnt
nicht nur mit der Lieferung von Waffen sondern nach wie vor wird die Bundeswehr zur
Armee im Einsatz umgebaut. Dazu gehört ganz wichtig die Rekrutierung von neuen
Soldaten…“
„Mittwoch und Donnerstag dieser Woche waren Bundeswehroffiziere hier in Bochum im
Ruhrcongress, um Kindern und Jugendlichen den Dienst in der Armee schmackhaft zu
machen. Sie werden gelockt mit dem Versprechen eines angeblich sicheren Jobs oder
eines bezahlten Studiums. Dass man den Job mit der Bereitschaft bezahlt, im
Kriegseinsatz andere Menschen zu töten oder selbst getötet zu werden, dass kommt in
den Werbeblättern der Armee wenn nur ganz am Rande vor.“
„Anfang dieses Jahres gab die Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken zu, dass
allein 2012 die Armee 1.216 freiwillig Wehrdienstleistende und Zeitsoldaten unter
18 Jahren eingestellt habe. Allein im Juni 2013 habe es 48 Bewerber im Alter von
sogar 16 Jahren gegeben, die bereits an einer Tauglichkeitsuntersuchung
teilgenommen hätten, berichteten Zeitungen. Von Unrechtsbewusstsein ist bei der
Regierung keine Spur, obwohl sie 2004 das Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechts-
konvention ratifizierte hat, dass die Rekrutierung von Minderjährigen verhindern
soll. Die Werbeoffensive der Armee insgesamt hat breite Proteste hervorgerufen.“
„Ich stelle fest,“ so Joachim Schramm,
„der Widerstand gegen die versuchte
Militarisierung der Gesellschaft, gegen die
Einflussnahme der Armee auf unsere Schulen,
dieser Widerstand trifft die militärbegeisterte
Politiker und die Bundeswehrgeneräle.
Denn sonst wären solche Stellungnahmen
nicht notwendig. Und wir können ihnen
versprechen: Wir machen weiter! Wir werden
weiter gegen die Bundeswehr auf
Berufsbildungsmessen protestieren wie hier in
Bochum gegen die jährliche Messe im
Ruhrcongress. Und bei diesen Protesten
wissen wir viele Menschen an unserer Seite.
Bei einer online-Umfrage der WAZ am Freitag
stimmten 79% der Teilnehmer der Aussage zu,
die Bundeswehr habe bei der Messe im
Ruhrcongress nichts zu suchen!“
Zum Abschluss seiner Rede ging Jochim auf die Verantwortung ein, die wir
übernehmen, wenn wir heute der Opfer von Krieg und Faschismus gedenken:
“Wenn wir heute der Opfer von Krieg und Faschismus gedenken, dann übernehmen wir
aus diesem Gedenken heraus auch eine Verantwortung. Die Verantwortung, uns heute
den neuen Nazis entgegen zu stellen, die wieder mit Gewalt gegen Andersdenkende und
anders Aussehende vorgehen und dabei vor Mord nicht zurückschrecken. Aber auch die
Verantwortung, uns gegen die neuen Herren des Krieges zu stellen, gegen die, die
meinen, uns mit den hehren Worten vom Schutz der Menschenrechte und von der
Schutzverantwortung dazu bringen zu können, ja zu neuen Kriegen zu sagen,
hinzunehmen, dass neue Generationen ihr Leben auf den Schlachtfeldern lassen oder
irgendwo weit weg mit deutschen Waffen Männer, Frauen und Kinder getötet werden.
Lasst uns gemeinsam dieser Verantwortung gerecht werden. Lasst uns deutlich
machen, dass sich diese Herrschaften geirrt haben, lasst uns gemeinsam streiten gegen
Neo-Nazis und neue Kriegstreiber. Eine Gelegenheit wird im nächsten Jahr der 8. Mai
sein, der 70. Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg.
Diesen Tag sollten wir gemeinsam in diesem Sinne nutzen.“