Zur Geschichte des Antikriegstages
in Deutschland
Jedes Jahr am 1. September wird in Deutschland der Antikriegstag begangen,
ein Gedenktag, der an den Beginn des Zweiten Weltkrieges mit dem Überfall
der faschistischen Wehrmacht auf Polen am 1.9.1939 erinnern soll.
Die Initiative hierzu ging vom Deutschen
Gewerkschaftsbund (DGB) aus, der zum
1. 9.1957 unter dem Motto: „Nie wieder Krieg“
zu Aktionen aufrief. Aber auch die
Antimilitaristische Aktion, ein Bündnis der
sozialistischen Jugend – Die Falken, der
Naturfreundejugend und die Gruppe der
Kriegsdienstverweigerer. Das war die Reaktion
auf die im Juli 1956 wieder eingeführte
Wehrpflicht und die Integration der Bundes-
wehr in die NATO.
… aber mal der Reihe nach,
denn die Geschichte des Antikriegstages (auch
Friedenstag oder Weltfriedenstag) lässt sich bis
in das Jahr 1845 zurückführen – also 169
Jahre. Diese Bestrebungen gingen von
pazifistisch gesonnenen kirchlichen Kreisen in
Großbritannien aus.
Diese dauerten aber bis in die 80er Jahren des 19. Jahrhunderts bevor es gelang, den
letzten Sonntag vor Weihnachten zu einem Friedenssonntag zu machen. Dies motivierte
dann ab ca. 1900 – angesichts der ansteigenden Kriegsgefahr – Freie Evangelische
Gemeinden, einen Friedens- oder Antikriegstag zu initiieren. Von Seiten der
Evangelischen oder Katholischen Kirche waren zu dieser Zeit keine Aussagen zu dem
Thema zu hören.
Ein weiterer Ansatz auf dem Weg zum Antikriegstag ging ebenso von Großbritannien
aus. Im Atelier des Malers Felix Moscheles, einem pazifistischen Künstler, trafen sich am 22.2.1896 neben anderen Künstlern auch Bernhard Shaw und einige Minister.
Die Kundgebung, die dort stattfand, hatte das Ziel, Möglichkeiten der Kriegs-
verhinderung durch rechtzeitige Klärung von Streitfragen (also quasi einer frühen
Form der Mediation) zu eruieren.
Diese Veranstaltung erregte die Aufmerksamkeit vieler pazifistischer Organisationen
aller Länder, die am 22.2.1906 in ca. 600 Städten Friedensdemonstrationen abhielten.
Am 18.5.1898 wurde dann die 1. Haager Friedenskonferenz mit staatlichen Vertretern
aus 26 Nationen eröffnet. Dieser 18. Mai wurde nachfolgend regelmäßig bis zum Jahr
1914 als Friedenstag begangen und tauchte sogar nach dem 1. Weltkrieg bis ins Jahr
1932 wieder auf. Während des Krieges – und danach – wurde der Antikriegstag
lediglich durch die Niederlande und die USA weitergeführt, allerdings auch nur bis
ins Jahr 1932, dem Jahr vor der Machtübertragung an Hitler.
… nach der Novemberrevolution: NIE WIEDER KRIEG
Der am 2.10.1919 gegründete „Friedensbund der Kriegsteilnehmer“ legte fest, jährlich ab dem 1.8.1920 zur Erinnerung an den Kriegsbeginn und zur Bekundung des
Friedenswillens des deutschen Volkes zu Großkundgebungen aufzurufen.
Dies geschah durch die Bildung einer pazifistischen Nie-wieder-Krieg-Bewegung, der
auch Teile der SPD, USPD, des ADGB und der KPD angehörten. Allerdings zerbröckelte
dieses Bündnis schon 1922. Danach verbot die SPD ihren Mitgliedern die Teilnahme.
Eine gemeinsame Linie wurde nicht mehr gefunden und Parteien und Gewerkschaften
führten ihre eigenen, getrennten Veranstaltungen durch.
… 1924
Im Jahr 1924 feierten dann die Reichregierung mit Reichswehr und militaristischen
Gruppen den ersten „Volkstrauertag“, während der Internationale Gewerkschaftsbund
(IGB) zu einem internationalen Antikriestag am 3. Septemberwochenende aufrief.
Anlässlich einer europäischen Friedenswoche fand in Paris am 6.8.1924 eine
Kriegsgedenkfeier internationaler Pazifisten statt.
… die Zeit nach dem 2. Weltkrieg
Seit dem Beginn der 50er Jahre wurde in der Deutschen Demokratischen Republik am
1. September der „Tag des Friedens“ (auch als Weltfriedenstag bezeichnet) begangen.
Seit 1957 auch in der Bundesrepublik Deutschland (s.o.).
Nach der Remilitarisierung war es in der Bundesrepublik Deutschland kaum noch
möglich, sich friedenspolitisch ohne Repressionen und politische Verleumdungen zu
betätigen. Außerdem stand der 1.9. seit 1961 vermehrt im Schatten des Ostermarsches.
Es gründete sich ein „Komitee für Abrüstung und Zusammen-
arbeit“ (KOFAZ). Diese Initiative ging aus Aktivisten aus dem
Umfeld der DKP hervor und führte in den 70er Jahren im Mai eine
Aktionswoche durch. SPD und
DGB reagierten mit Abgrenzungs-
beschlüssen und erst nachdem
sich die DGB-Jugend im Jahre
1977 für einen Antikriegstag und
die KOFAZ- Initiative aussprach,
führte auch der DGB-Bundes-
verband unter dem Motto „Nie
wieder Krieg! Abrüstung –
Gewinn für uns!“ bundesweit
1979 den Antikriegstag durch.
Obwohl es in den Folgejahren
auch zu Annäherungen zwischen der Friedensbewegung und dem DGB kam, gab es
immer wieder Konflikte innerhalb des DGB – besonders zwischen DGB-Jugend und
der Gesamtorganisation.
1983 stand der Antikriegstag ganz im Zeichen der Diskussion um den sog. Doppel-
beschluss der NATO, tatsächlich ein Aufrüstungsbeschluss, neuartige
Atomraketen in Europa, besonders der Bundesrepublik in Stellung zu bringen.
Mitte der 80er Jahre wurde es durch die zunehmende Entspannung zwischen Ost und
West immer schwieriger, für den Antikriegstag zu mobilisieren.
… heute
Erst die Erkenntnis, dass durch die Ostverträge die Welt nicht sicherer geworden ist,
führte zu einem Umdenken. In den letzten ca. 15 Jahren ist es vermehrt zu
kriegerischen Auseinandersetzungen unter europäischer und vor allem deutscher
Beteiligung gekommen.
An die Stelle des Mottos: „NIE WIEDER KRIEG!“ sollte heute jedoch, da aktueller
und ehrlicher, das Motto: „STOPPT DIE KRIEGE!“ treten.